IM BLICKFELD

Auf zwei verschiedenen Planeten

Von Anna Sleegers, Frankfurt Börsen-Zeitung, 12.3.2020 Welchen Verlauf die Corona-Pandemie auch nehmen mag, so steht jetzt bereits fest, dass sie einen Schock für die Kreditwirtschaft bedeutet. Das haben die Aktienmärkte bereits vorweggenommen,...

Auf zwei verschiedenen Planeten

Von Anna Sleegers, FrankfurtWelchen Verlauf die Corona-Pandemie auch nehmen mag, so steht jetzt bereits fest, dass sie einen Schock für die Kreditwirtschaft bedeutet. Das haben die Aktienmärkte bereits vorweggenommen, indem sie beim jüngsten Kurseinbruch nicht nur die Aktien der unmittelbar von Reiseverboten und Ansteckungsangst betroffenen Branchen wie Fluglinien und Reiseveranstaltern überproportional abstraften, sondern auch die Anteilscheine der Banken, die sich jetzt auf eine plötzliche Rückkehr der Risikovorsorge gefasst machen müssen.Binnen weniger Tage sind die schönen Kursgewinne, die vor allem die Deutsche Bank und in zumeist moderaterem Maße auch einige europäische Wettbewerber verbucht haben, wieder dahin. Die Deutsche Bank markierte Anfang der Woche sogar ein neues Allzeittief von 5,87 Euro. Gleiches gilt für die Commerzbank, die zeitweise bis auf 3,66 Euro absackte.Angesichts der Rückschläge, die der exportorientierten deutschen Wirtschaft in den kommenden Monaten drohen, ist schwer zu beurteilen, ob es sich dabei um blinde Panikverkäufe handelt. Schließlich versteht sich die Commerzbank und in abgeschwächtem Maße auch die Deutsche Bank als Hausbank des Mittelstands. Die Institute dürften in den fetten Jahren, die jetzt womöglich abrupt enden, reichlich Kreditlinien vergeben haben. Angesichts der immer plastischer werdenden Bedrohung für die globalen Lieferketten und der dramatischen Nachrichten aus Italien dürfte jeder rational handelnde Unternehmer in den vergangenen Tagen zumindest erwogen haben, diese auch zu ziehen.Wegen des zunehmenden Kreditrisikos und der Aussicht auf weiter erodierende Erträge haben unter anderem die Analysten von Goldman Sachs in dieser Woche ihre Gewinnerwartungen für die europäischen Banken gekürzt. Ohne das ganze Ausmaß der konjunkturellen Schleifspuren schon ermessen zu können, die Corona hinterlassen wird, kürzten sie ihre Gewinnerwartungen für die Banken der Eurozone für das laufende und die drei folgenden Jahre um 6 %. Den stärksten Einschnitt von 10 % erwarten sie im laufenden Jahr, in den Folgejahren bis 2023 beziffern sie die erwarteten Rückgänge auf 5 bis 6 %. Das deutet darauf hin, dass die Goldman-Analysten mit Blick auf die Bewältigung der Coronakrise nicht mit dem pessimistischsten der denkbaren Szenarien hantieren. Klaffende Profitabilitätslücke Diese zusätzliche Belastung trifft die europäischen Banken zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Zehn Jahre Hochkonjunktur, befeuert freilich von der für die Banken undankbaren Politik des billigen Geldes, reichten den hiesigen Instituten nicht, um die Profitabilitätslücke zu ihren US-Wettbewerbern auch nur zu reduzieren, wie die von der Ratingagentur Moody’s durchgeführte Analyse der Gesamtrentabilität der vergangenen vier Jahre zeigt (siehe Grafik).Fairerweise sei festgehalten, dass das ungleiche Profitabilitätsniveau nicht nur der mangelnden Kostendisziplin hiesiger Institute geschuldet ist. Auch sonst könnte man den Eindruck gewinnen, dass sich die Geldhäuser in den USA und Europa aller Globalisierung zum Trotz auf zwei verschiedenen Planeten befinden. Der eine ist gekennzeichnet von einem gigantischen Binnenmarkt, auf dem wenige, ordentlich kapitalisierte Banken die Preise in vielen Marktsegmenten mehr oder weniger diktieren können, auf dem anderen Himmelskörper herrscht mörderischer Wettbewerb, regulatorische Kleinstaaterei und ein nicht enden wollendes Zinstief.Nun lassen sich auch die Banken der Eurozone nicht über einen Kamm scheren. Societé Générale und BNP Paribas etwa sind nach Ansicht von Goldman Sachs recht gut gegen den Corona-Schock gewappnet, weshalb sie die Gewinnerwartungen für die französischen Großbanken nur um 3 % kürzten. Am schlimmsten werde es, wenig überraschend, die deutschen, italienischen und griechischen Banken treffen, die besonders unprofitabel arbeiten.Wer aber glaubt, die US-Wettbewerber hätte der schwarze Montag weniger hart getroffen, sieht sich getäuscht. Zwar erwischte es diese auf einem viel höheren Bewertungsniveau, doch die Kursverluste waren kaum weniger schmerzhaft. Auslöser hierfür jedoch war auch der dramatische Ölpreisverfall. Er droht all jene US-Banken hart zu treffen, die ihren Renditehunger mit Kreditersatzgeschäften stillen. Mehr als 10 % der US-Ramschanleihen, die gerne in Collateralized Loan Obligations und anderen Verbriefungsprodukten verpackt werden, entfallen auf den Energiesektor. Bei den Emittenten handelt es sich zumeist um die jetzt schon unprofitablen, dafür aber hoch verschuldeten Produzenten von Schieferöl. Kommt es hier zu einer Pleitewelle, die sich zur Coronakrise gesellt, dürfte auch der Planet der US-Banken ein deutlich unwirtlicherer werden.