Solvenzquoten

Aufseher beziffern Klimafolgen für Versicherer

Der Klimawandel hat erhebliche Auswirkungen auf die Kapitalanlagen der Assekuranz. Je nach Abruptheit und Ausmaß des Klimawandels könnten die Solvenzquoten deutlich sinken.

Aufseher beziffern Klimafolgen für Versicherer

tl Frankfurt

Etwas mehr als ein Drittel der Kapitalanlagen der Versicherer weltweit sind vom Klimawandel betroffen. Dies geht aus einer Untersuchung hervor, die in der am 30. September erschienenen Sonderausgabe (Special Topic Edition) des Global Insurance Market Report (GIMAR) veröffentlicht wurde. Es handelt es sich um die erste globale quantitative Studie, die sich mit Auswirkungen des Klimawandels auf die Kapitalanlagen der Versicherer beschäftigt, schreibt der Herausgeber des Berichts, die Internationale Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden (International Association of Insurance Supervisors IAIS). Die Daten decken den Angaben zufolge drei Viertel der weltweiten Versicherungsbranche ab.

Drei Szenarien

Die Aufseher wollten auch wissen, wie stark der Klimawandel die Solvenzquoten beeinflussen, also inwieweit die Versicherer mit ihren Eigenmitteln ihren Verpflichtungen gegenüber Versicherten und anderen Leistungsempfängern im Zuge des Klimawandels nachkommen können. Dazu wurden drei Szenarien sogenannter transitorischer Risiken entwickelt, die sich aus einem Wandel der Wirtschaft ergeben. Am geringsten wären die Auswirkungen eines geordneten Übergangs, also eines Temperaturanstiegs von 2 Grad bis 2100. Dabei geht die für Ende 2019 festgestellte durchschnittliche Solvenzquote moderat von 297% auf 289% zurück. Bei einem ungeordneten Übergang, bei dem der 2-Grad-Anstieg unter größeren transitorischen Risiken erreicht würde, läge die Solvenzquote bei 283%.

Im Worst-Case-Szenario („too little, too late“), bei dem zu den transitorischen Risiken auch noch physikalische Folgen des Klimawandels selbst hinzukämen, würde die durchschnittliche Solvenzquote global auf nur noch 248% fallen. Die Ergebnisse zeigten aber, so der Bericht, dass die Branche insgesamt in der Lage sein wird, auch schwere klimabedingte Auswirkungen auf ihre Kapitalanlagen auszuhalten.

Wie stark der Einfluss des Klimawandels auf die Kapitalanlagen ist, unterscheidet sich allerdings von Kontinent zu Kontinent stark. In Europa und Südafrika ist fast die Hälfte der Anlagen von klimatischen Veränderungen beeinflusst (siehe Grafik). 26 % entfallen auf Staatsanleihen, 18 % auf Aktien, Verbindlichkeiten von Unternehmen, Krediten und Hypothekardarlehen sowie 4 % auf Immobilien. Die Zahlen sind deutlich höher als die globalen Werte. Dies dürfte allerdings weniger darauf zurückzuführen sein, dass europäische Versicherer in ihrer Kapitalallokation größere Klimarisiken eingehen. Vielmehr fällt auf globaler Ebene der große Anteil der Kapitalanlagen auf, zu denen keinen klimarelevanten Informationen verfügbar sind. Diese 47 % übersteigen den europäischen Wert um deutliche zwölf Prozentpunkte. Am schwächsten tritt die nordamerikanische Versicherungswirtschaft auf, wo es zu 56 % der Anlagen keine klimarelevanten Informationen gibt, gefolgt von Asien und Ozeanien (48 %).

Mangelnde Transparenz

Die internationalen Versicherungsaufsichtsbehörden beklagen im Schlusskapitel die geringe Transparenz der Unternehmen in Bezug auf die finanziellen Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Geschäft, ihre Strategien und ihre Finanzplanung. Deshalb haben die IAIS und das Sustainable Insurance Forum (SIF) im Mai 2021 eine Empfehlung zur Aufsicht klimabezogener Risiken veröffentlicht, die den Aufsehern helfen soll, entsprechende Risiken in ihr Aufsichtshandeln zu integrieren.

Nach einer Umfrage der IAIS erstellen zwischen 30% und 45% der Mitglieder eigene Analysen zu Klimarisiken, meist mit einer quantitativen Komponente. Ein ähnlich großer An­teil plane entsprechende Analysen für die nahe Zukunft, heißt es weiter. Bereits umgesetzt oder zumindest geplant haben die meisten Aufseher für ihre beaufsichtigten Unter­nehmen Veröffentlichungspflichten, Szenarioanalysen und Stresstests. Dagegen will die weit überwiegende Mehrheit der IAIS-Mitglieder keine Investitionsgrenzen vorgeben.

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