Aufstieg zum Idol
Von Jan Schrader In welchem Land er auch aussteigt, ihm eilt bereits ein tadelloser Ruf voraus. So jedenfalls stellt der japanische Zeichner Kaoru Kurotani den Fondsmanager Mark Mobius vor, dessen Lebensgeschichte er in einem Manga-Comic erzählt. Zwei Männer, offenbar Finanzfachleute, sitzen in der ersten Szene am Flughafen von Manila, der Hauptstadt der Philippinen, und warten auf den bekannten Schwellenlandinvestor, der demnach als “Bald Eagle” (Weißkopfseeadler) bekannt ist. Noch ist der Held der Geschichte nicht da, so dass Kurotani die beiden Schlipsträger sprechen lässt: Der Gast reist um die Welt, um unterbewertete Firmen aufzuspüren, lässt der ältere der beiden Herren seinen jungen Kollegen wissen. Man stelle sich vor, er befinde sich doch tatsächlich 250 Tage im Jahr in Hotels und lege per Flugzeug 100 000 Meilen zurück. “Ich wünsche mir, dass mehr ausländische Investoren wie er in unserem Land investieren”, sagt der ältere Herr. Jagdvogel ist gelandet So bereitet die englischsprachige “Illustrierte Biographie des Vaters der Emerging-Markets-Fonds” den Auftritt des bekannten Investors der US-amerikanischen Fondsgesellschaft Franklin Templeton vor – und hebt dann das Markenzeichen des heute 79-Jährigen hervor: die blanke Glatze. Denn als Mobius als Comic-Held am Flughafen vor die beiden Herren tritt, ist dem jungen Mann ein Staunen ins Gesicht gezeichnet, als er den “Bald Eagle” sieht. Er begreift, dass er den Spitznamen wörtlich verstehen muss. Nicht das US-Wappentier ist gemeint, sondern der “glatzköpfige Adler” betritt die Szene, die sich im Jahr 1989 abspielen soll. Der Jagdvogel ist gelandet.Mobius zählt zu den bekanntesten Gesichtern in der Welt der Fondsmanager. Er kam 1987 zu Franklin Templeton. Um die Welt reist der Mann, der sich selbst als “Vollzeitnomaden” bezeichnet, noch immer. Das Gespräch mit “rendite” führt er via Telefon von der polnischen Stadt Danzig aus, wo er als Redner auf einer Konferenz geladen war. Sein Internet-Blog, in dem er von seinen Reisen berichtet und zugleich – unterstützt von Fondsmanager-Kollegen – seine Markteinschätzung zu dem Land kundtut, ist gespickt von Stationen, ob nun Saudi-Arabien, Sri Lanka, Brasilien oder China. Ein Unternehmen oder ein ganzer Markt lasse sich freilich auch aus einem entfernten Büro in London analysieren, räumt er ein. Doch wer sich zusätzlich auch vor Ort von Land und Leuten und von den einzelnen Unternehmen einen Eindruck verschaffe, könne die Lage besser einschätzen.In den Philippinen anno 1989 erschüttert ein Putsch das Land, wie das Comic-Buch weiter erzählt, und Mobius zieht kurz nach seiner Ankunft im Hotel eine Begleiterin zur Seite, die um ein Haar von einer verirrten Gewehrkugel getroffen wäre. Dort, wo es besonders dramatisch ist, investiert Mobius besonders gerne, vermittelt das Buch, und tatsächlich gilt Mobius als risikofreudig. Für eine Belehrung im Einmaleins des Investierens bleibt auch im unruhigen Manila noch Zeit. Der gezeichnete Mobius lässt seine Gastgeber bald wissen: “Höhere Risiken, höhere Renditen, das ist die Natur der Emerging Markets.” Seine Gastgeber strahlen. “Vielen Dank, Dr. Mobius”, sagen sie. So sieht es aus, wenn ein Held einfliegt. Aderlass bei Franklin Templeton Derart leicht zu begeistern sind Investoren heute mit Blick auf die Schwellenländer freilich nicht. Als die Börsenkurse im zurückliegenden Jahr nachgaben und insbesondere das Segment der Emerging Markets unter die Räder kam, suchten auch die Anleger von Franklin Templeton das Weite. Auf netto 21 Mrd. Euro schätzt das Analysehaus Morningstar die Abflüsse aus den Publikumsfonds der Gesellschaft im zurückliegenden Jahr in Europa. Auch andere Fondshäuser mit einem starken Schwellenland-Segment, etwa Aberdeen Asset Management, haben demnach hohe Mittelabflüsse verzeichnet. Mobius selbst zeigt sich optimistisch. “Jetzt, wo Investoren die Emerging Markets sehr stark untergewichtet haben, erkennen sie langsam, dass sie diese Länder wieder verstärkt in den Blick nehmen sollten”, sagt er heute.Einen positiven Blick auf die unruhigen Märkte hat sich Mobius schon früh angeeignet. Bereits in den 1960ern kam er über ein Austauschprogramm an die Universität von Kyoto. Die Menschen lebten im damaligen Japan überwiegend bescheiden, berichtet er, doch sei das Streben nach Wohlstand und die Aufbruchsstimmung stark zu spüren gewesen. Wenige Jahre später, während der gewaltsamen “Kulturrevolution” in China, hielt sich Mobius in Hongkong auf, als der damals noch britisch verwalteten Metropole eine Invasion drohte. Auch diese Krise zog vorbei. “Wenn Dinge schlecht aussehen, ist es oft die beste Zeit, um zu investieren”, sagt er heute.Optimistisch und krisenerprobt, aber auch rastlos – so stellt das Werk den bekannten Investors da. Nach einer Promotion als Politikwissenschaftler und Ökonom am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA zieht es ihn bald wieder nach Asien. In Thailand erforscht er die Folgen des damaligen Krieges im Nachbarland Vietnam für die örtliche Wirtschaft und Kultur. In Hongkong führt er ein eigenes Beratungsunternehmen. Später wendet er sich dem Investmentgeschäft zu. Erst als Mobius bereits 50 Jahre alt ist, wechselt er zur US-Gesellschaft Franklin Templeton. Der Gründer Sir John Templeton persönlich will ihn als Fondsmanager für Schwellenländer einsetzen, wie es das Comic-Buch erzählt. Gerade einmal fünf Länder gelten damals als investierbar: Hongkong, Malaysia, Thailand, Singapur – und die Philippinen, die Mobius wenig später besucht. Gut und böseHeute leitet er noch immer die Templeton Emerging Markets Group, auch wenn er altersbedingt bereits wesentliche Aufgaben an seine Kollegen übertragen hat, um die Nachfolge zu klären. Die Gesellschaft verwaltet heute 44 Mrd. Dollar und ist in 18 Schwellenländern vertreten. Mobius hat sich als einer der Pioniere in dem Segment einen guten Ruf erworben. Als “Vater der Schwellenlandfonds”, “König der Emerging Markets” und “Indiana Jones des globalen Investments” gilt er heute – ein Idol in der Investorengemeinde. Aber auch das Gegenbild über den bekannten Fondsmanager ist bereits entworfen worden: Mobius hat einen Auftritt im wirtschaftskritischen Dokumentarfilm “Let’s make money” und verkörpert dort einen wohlhabenden Investoren, der unberührt von den Nöten der Menschen allein das Anlegerwohl in den Blick nimmt. “Ich glaube nicht, dass ein Investor verantwortlich ist für die Ethik, für die Verschmutzung oder das, was eine Firma verursacht, in die er investiert”, lautet ein Filmzitat.In der Fondsgesellschaft wird der Kult um Mobius derweil mit Humor genommen. Als Scherzartikel wird dort eine glatzköpfige Puppe ausgereicht, die Mobius verblüffend ähnlich sieht und einen USB-Stick verbirgt. Wer den Datenstift nutzen will, muss der Figur den Kopf abziehen, um den Torso am Computerschlitz aufzuhängen. Mobius selbst soll das gelassen sehen. Den Kult um seine Person nimmt der Adler offenbar mit Humor.—— 30 MillionenMeilen, vermutlich mehr, hat Fondsmanager Mark Mobius in seinem Leben bereits mit dem Flugzeug zurückgelegt, berichtet das US-Fondshaus Franklin Templeton. Die Strecke reicht aus, um die Erde 1 200 Mal zu umrunden. Ein “Vollzeitnomade” sei er, sagt Mobius.