Ausnahme von EZB-Strafzins in Sicht

Banken der Eurozone müssen laut Ratingagentur Scope bald nur noch für Teil der Übernachteinlagen zahlen

Ausnahme von EZB-Strafzins in Sicht

Fünf Jahre nachdem die EZB für Banken einen Strafzins für Übernachteinlagen eingeführt hat, zeichnen sich nun Ausnahmen ab. Nach dem Vorbild anderer Notenbanken könnte der Kreditwirtschaft eine Milliardenlast genommen werden. Ausreichend profitabel wären die Banken aber auch dann noch nicht, wie ein Analysebericht festhält.jsc Frankfurt – Den Banken in der Eurozone winkt nach Einschätzung der Ratingagentur Scope bereits in naher Zukunft eine milliardenschwere Entlastung durch neue Ausnahmeregeln für Übernachteinlagen. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird demnach “wahrscheinlich” nach dem Vorbild anderer Notenbanken den Satz der Einlagefazilität von derzeit minus 0,4 % nur noch auf einen Teil der Einlagen erheben, schreiben die Analysten. Bereits auf der Sitzung am kommenden Donnerstag könnte die Notenbank demnach ein entsprechendes System auf den Weg bringen. Der scheidende EZB-Präsident Mario Draghi hatte bereits Ende März eine Entlastung vom Negativzins ins Spiel gebracht (vgl. BZ vom 28. März).Für Banken, die überschüssige Liquidität in Höhe von etwa 1,7 Bill. Euro bei der EZB hinterlegt haben – der genaue Betrag schwankt -, spüren die Negativzinspolitik deutlich. Für 2019 zeichnet sich für die Banken der Eurozone eine Belastung von insgesamt 6,8 Mrd. Euro ab, wie der Bericht festhält. Deutsche Geldhäuser berappen nach Kalkulation der Analysen dabei rund 2,5 Mrd. Euro. Ausgehend von einem Vorsteuergewinn in Deutschland von rund 16 Mrd. Euro in 2018 beträgt die Belastung also annähernd 16 % der Ergebnisse. Die Eigenkapitalrendite der Banken wäre laut Scope ohne den Strafzins hierzulande 0,6 Prozentpunkte höher.Andere Notenbanken haben schon Ausnahmen geschaffen: In der Schweiz und in Dänemark sind die Einlagen bis zu einer gewissen Grenze ausgenommen, in Japan setzt die Zentralbank auf ein mehrstufiges System und in Schweden können Banken einwöchige Einlagensysteme nutzen und erhalten hier einen geringen Strafzins. In Japan ist der Strafzins mit einem Minus von 0,1 % noch moderat, Dänemark (minus 0,65 %), die Schweiz (minus 0,75 %) und Schweden (minus 1 %) sehen allerdings höhere Strafzinsen als die EZB vor. Für eine Notenbank bieten Ausnahmen vom Übernachtsatz also die Möglichkeit, das Niveau der Leitsätze weiter zu senken, ohne die Kreditwirtschaft allzu stark zu belasten. OpfermentalitätDeutsche Institute haben sich bereits für eine Ausnahme starkgemacht: Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) als Sprachrohr der privaten Häuser hat längst angeregt, dass die EZB zumindest einen Freibetrag einführen sollte, um die Branche nicht zu sehr belasten. Verbandspräsident Hans-Walter Peters hatte die milliardenschweren Folgen erst am Donnerstag auf einer Konferenz in Frankfurt kritisiert. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin sieht derweil eine “Opfermentalität” unter führenden Vertretern der Zunft, wie es BaFin-Präsident Felix Hufeld vor wenigen Tagen formulierte.Doch Mentalität hin oder her: Die Last ist rückblickend hoch. Seit Juni 2014, als die EZB erstmals negative Sätze einführte, haben die Banken der Eurozone wegen des Negativzinses bereits 23,2 Mrd. Euro verloren, davon 7,5 Mrd. Euro allein im Jahr 2018. Sänke der Satz weiter, stiege die jährliche Belastung deutlich: Bei einem Satz von 0,7 % kämen etwa 12 Mrd. Euro pro Jahr zusammen, wie die Schätzung von Scope lautet. Eine Ausnahmeregel durch die EZB könnte diese Last erheblich senken. Die Autoren kalkulieren in ihren Szenarien mit einer Ausnahme von 80 bis 95 % der überschüssigen Liquidität, was einer Abschaffung des Strafzinses nahe käme. Zum Teil würde die Entlastung aber wieder durch Steuern aufgezehrt, die Banken wegen der dann höheren Gewinne zusätzlich zahlen müssten. Schwierige KalibrierungDer EZB sind in ihrer Politik aber Grenzen gesetzt. Ein zu hoher Zinssatz auf einen Teil der Bestände könnte falsche Anreize setzen und den Geldmarkt beeinflussen, wie Scope warnt, so dass ein Satz von 0 % für die ausgenommenen Mittel wohl die Obergrenze darstellen würde. Auch dürfte die Kalkulation der Freigrenzen schwierig sein: Eine hohe Grenze würde Banken in sogenannten Peripherie-Ländern veranlassen, mehr Liquidität horten, was den Zielen der EZB zuwiderliefe. Eine geringe Freigrenze würde Banken mit hohen Liquiditätspolstern, ein typisches Bild in Deutschland, derweil nur geringfügig entlasten. Ähnlich wie in Japan könnten die Freibeträge je nach Bank kalibriert werden, ausgehend von einem Referenzdatum in der Vergangenheit, vermuten die Analysten.Doch auch ohne die Last der Strafzinsen lähmt die Geldpolitik: Denn nicht allein die Negativzinsen, sondern auch die flache Zinskurve ziehe die Profitabilität nach unten, wie Scope hervorhebt. Eine Ausnahme von Negativzinsen reiche nicht aus, um die Profitabilität der Banken im Euroraum wieder auf ein akzeptables Niveau zu heben.