"Baby-Bunds" werden erwachsen

Ergänzender Portfoliobaustein - Sichere Alternative bis zur Lehman-Pleite - Zukünftig konträre Entwicklung von Bundesanleihen und Pfandbriefen

"Baby-Bunds" werden erwachsen

Wie verhalten sich Pfandbriefe in Finanzkrisen? Die Antwort auf diese Frage besteht aus zwei Teilen. Schauen wir zunächst in die Vergangenheit. Vor zehn Jahren hatten Pfandbriefe fast dieselbe Rendite wie Bundesanleihen. Der geringe Aufschlag von 0,20 % war eine Prämie für die etwas geringere Liquidität der Pfandbriefe, die gelegentlich als “Baby-Bunds” bezeichnet wurden.Da Pfandbriefe einen gesonderten Deckungsstock für ihre Rückzahlung haben, empfand man sie als ebenso sicher wie Bundesanleihen, aber mit kleinerem Volumen. Als dieser Eindruck jedoch ab 2008 mit der Lehman-Pleite und der Finanzkrise ernsthaft geprüft wurde, setzte eine erste Fluchtwelle in sichere Anlagehäfen ein. Im Euroraum waren dies eindeutig die Bundesanleihen. Ihre Renditen fielen stark, während Pfandbriefe weniger nachgefragt waren und weniger liquide wurden.Ein Punktsieg für deutsche Staatsanleihen also, weil die Krise vom Bankensektor ausging und Pfandbriefe von Banken emittiert werden. Nach der ersten Welle von Umschichtungen mussten Pfandbriefe einen ganzen Prozentpunkt mehr bieten als Bundesanleihen. Mit der Erklärung der deutschen Regierung vom Herbst 2008, dass Einlagen und damit implizit deutsche Banken sicher seien, verschwand die Angstprämie der Pfandbriefe wieder.Kurz darauf setzte jedoch die nächste Krise ein. In der Grafik wird sie verkürzt als Euro-Krise bezeichnet, es handelt sich vor allem um mangelndes Vertrauen in die Staatsfinanzen der Euro-Länder. Obwohl sich staatliche Schulden nur indirekt auf die Qualität von Hypothekenpfandbriefen auswirken, verlangten die risikoscheu gewordenen Investoren für Pfandbriefe erneut einen Renditeaufschlag von 1 %. Im Gegensatz dazu vertrauten die Anleger darauf, dass der deutsche Finanzminister auch in der größten anzunehmenden Krise zahlungsfähig bleiben würde. Der Anstieg des Spreads von 0,20 % auf 1,00 % bedeutet, dass sich der Kurs eines zehnjährigen Pfandbriefs immerhin um rund 6 % schlechter als eine Bundesanleihe entwickelt hat.Soweit die Erfahrungen der Vergangenheit. Können sie unverändert auf die Zukunft übertragen werden? Eher nicht. Die Lage im Euroraum hat sich nämlich seit Mitte 2012 in entscheidenden Punkten geändert. Eines der beiden Motive für die Kapitalflucht in deutsche Bundesanleihen war, dass die Währung Euro möglicherweise auseinanderbrechen könnte. In diesem Fall hätte der Anleger von der Aufwertung einer neuen Währung (D-Mark oder Nord-Euro) profitiert.Das andere Motiv war die Einschätzung, dass die Chance auf eine vollständige und pünktliche Tilgung der Anleihen bei Bundestiteln wesentlich höher war als bei anderen Anleihen im Euroland. Im Verlauf der zahlreichen Euro-Krisensitzungen ist jedoch deutlich geworden, dass die wesentlichen Parteien in den Geberländern den Bestand der Währungsunion mit wirklich allen Mitteln retten wollen (und diese Mittel werden mit neuen Schulden finanziert).Dazu kam im Juli 2012 noch die explizite Erklärung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, für die Rettung des Euro jede erforderliche Maßnahme ergreifen zu wollen. Nun ist klar, dass der Euroraum eine Transferunion geworden ist, in der die Wahrscheinlichkeit für die Bedienung von Staatsschulden für alle Länder nivelliert wird.Dafür geht Deutschland sehr hohe Garantieversprechen ein, die in einer zukünftigen Krise auch die Schulden Deutschlands in instabile Regionen treiben würden. Zweifel an der Legalität sind vom Bundesverfassungsgericht ausgeräumt worden, da es diese Garantien für legal erklärte, solange der Bundestag zustimmt. Eine Folge wird sein, dass auch die Renditen im Euroraum ein einheitliches Niveau annehmen werden. Aus deutscher Sicht wird dies die Rendite steigern, wodurch Kursverluste bei langlaufenden Anleihen wahrscheinlicher werden.Wie groß ist also der Sicherheitsvorteil von Bundesanleihen zu anderen Euro-Anlagen? Falls die wirtschaftliche Erholung der Euro-Peripherie in den kommenden Jahren nicht gelingen sollte, könnten alle Garantien gezogen werden und die Staatsschulden sämtlicher Euro-Teilnehmer unumkehrbar nach oben treiben. In diesem Szenario würde sich die Flucht in Sachwerte verstärken.Neben direkten Investments in Edelmetalle und Immobilien würden vermutlich auch Hypothekenpfandbriefe verstärkt als “real asset” wahrgenommen werden. Sie sind durch einen gesonderten Deckungsstock gesichert, in dem Immobilien enthalten sind. Bisher wurden Pfandbriefe eher als Emission einer Bank wahrgenommen, und bei Banken besteht ein Ausfallrisiko.Im Lauf der nächsten Jahre wird sich die Qualität von Bundesanleihen und Pfandbriefen entgegengesetzt entwickeln: Der Staat übernimmt immer mehr Risiken, während sich der Deckungsstock von deutschen Hypothekenpfandbriefen im Lauf der Zeit verbessert. Das Gewicht von Krediten an rentablen Objekten in Deutschland wächst, während das Gewicht von Immobilienkrediten an Peripherie-Staaten in den Deckungsstöcken der Pfandbriefe allmählich abnimmt.Investoren, die Sachwerte favorisieren, wollen sich nicht nur gegen Ausfallrisiken schützen, sondern auch gegen Inflation. Auch in diesem Fall würde der Deckungsstock profitieren, da Immobilienpreise in einer Inflation steigen. Knappes GutSchon jetzt sind Pfandbriefe ein knappes Gut. In einer akuten Krisenphase hat die EZB den Markt durch Käufe beruhigt, aber jetzt leidet er an Austrocknung. Das Volumen an neuen Emissionen ist gering geworden. Bei kurzen Laufzeiten bietet die EZB sehr billiges Geld an, und mittelfristig schrumpft das Neugeschäft der Pfandbriefbanken. Weil das bekannt ist, horten viele Anleger ihre Restbestände. Übrig geblieben ist eine Grundliquidität, die unter anderem von Tradern herrührt, die geringe Schwankungen des Pfandbrief-Spread nutzen wollen.Die von der Politik geplante Entflechtung der Bankindustrie, die im Liikanen-Report vom Oktober 2012 empfohlen wird, kann das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage nach Pfandbriefen noch verstärken. Das Angebot könnte weiter abnehmen, denn Investmentbanken dürfen unter dem neuen Regime voraussichtlich keine Pfandbriefe emittieren. Die Nachfrage könnte hingegen weiter zunehmen, denn Banken werden ihre Anlagen von ungedeckten Bankanleihen in Pfandbriefe umlenken müssen. Hintergrund dafür ist, dass Banken nur noch in Papiere investieren dürfen, die im Insolvenzfall nicht in Eigenkapital umgewandelt werden, denn sonst würde sich die gegenseitige Verflechtung der Banken ausgerechnet in Krisen erhöhen. Pfandbriefe erfüllen diese Bedingung, denn sie sind kein sogenanntes Bail-in-Instrument. Ratings werden schlechterGegen eine steigende Popularität von Pfandbriefen spricht derzeit ein Trend zu schlechteren Ratings. Die Ratingagentur Standard & Poor’s erhöht die Anforderungen an Derivate im Deckungsstock, und Moody’s begnügt sich nicht mehr damit, dass das Volumen von einzelnen Pfandbriefen durch eine höhere Kreditsumme gedeckt ist, sondern fordert eine vertragliche Zusage dieser Überdeckung. Der aktuellen Entwicklung zu schlechteren Ratings steht gegenüber, dass Moody’s die Konzentration auf deutsche Immobilienkredite positiv werten wird.Falls sich die Euro-Krise nochmals verschärfen sollte, könnte die Pfandbriefrendite sogar unter die der Staatstitel sinken. Die früher “Baby-Bunds” genannten Pfandbriefe wären dann erwachsen geworden. Wie weit die Pfandbriefrendite fallen kann, wird von der Liquidität abhängen und vom Inhalt des individuellen Deckungsstocks.Fazit: Es könnte soweit kommen, dass insbesondere der deutsche Hypothekenpfandbrief als ein Sachwert wahrgenommen wird. Um sich gegen Krisenfälle zu wappnen, dürfen langlaufende Pfandbriefe, kombiniert mit einer Long-Short-Durationsstrategie, in keinem sicherheitsorientierten Portfolio fehlen.