BILANZSKANDAL IM DAX

BaFin prüft Ad-hoc-Mitteilung von Wirecard

"European Investors" fordert außerordentliche Hauptversammlung - Kritik an der Deutschen Börse

BaFin prüft Ad-hoc-Mitteilung von Wirecard

Von Bernd Neubacher, FrankfurtNach der Kursimplosion von Wirecard und dem Rücktritt von Vorstandschef Markus Braun hat am Freitag die Aufarbeitung des Desasters begonnen. Dabei rückt neben dem Zahlungsabwickler und dessen Prüfer EY die Deutsche Börse in den Fokus. So macht sich der Corporate-Governance-Experte Christian Strenger um des Anlegerschutzes willen für strengere Anforderungen an Dax-Werte stark: “Es ist viel zu wenig, wenn die Reaktion der Börse auf das Wirecard-Desaster nur eine Prüfung der Einleitung eines Sanktionsverfahrens ist”, schreibt er Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer in einer der Börsen-Zeitung vorliegenden Mail. Zumindest im Dax 30 gehandelte Unternehmen müssten bis auf Weiteres aus dem Index genommen werden, wenn sie nicht 90 Tage nach dem Bilanzstichtag zuzüglich einer 30-tägigen Verlängerungsfrist ihren Abschluss vorlegen könnten. Die Deutsche Börse äußert sich auf Anfrage nicht, ob sie entsprechende Änderungen prüfen will. In der Vergangenheit hat sie bewiesen, dass sie ihre Regularien anpassen kann. So erhöhte sie 2008 ihre Anforderung an den Streubesitz von Emittenten, nachdem Porsche im Zuge eines gescheiterten Übernahmeversuchs für einen beispiellosen Short-Squeeze in Volkswagen-Aktien gesorgt hatte. Möglich wäre etwa eine Änderung der Anforderungen an Werte im Prime Standard; wer die Kriterien dort nicht erfüllt, kann auch nicht Mitglied im Dax sein.Auf die Palme bringt Strenger zudem, dass mit dem Kursdesaster von Wirecard “wieder insbesondere Privatanleger dadurch geschädigt wurden, dass die Gesellschaft eine hoch kursrelevante Nachricht erst mitten in der Handelszeit veröffentlichte”. Die Börse müsse “klare Sanktionen für derart marktschädigendes Verhalten einführen”. In der Tat hat die Frage, ob das Management der Gesellschaft erst am Donnerstag wusste, dass EY ihr Testat verweigern werde, die Finanzaufsicht auf den Plan gerufen: “Wir sehen uns an, ob die Ad-hoc-Mitteilung zur Verschiebung des Jahresabschlusses rechtzeitig war”, sagte eine Sprecherin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) der Börsen-Zeitung vor dem Wochenende. Einer generellen Verpflichtung von Emittenten, kursrelevante Nachrichten grundsätzlich außerhalb der Handelszeiten zu publizieren, steht einstweilen allerdings die EU-Marktmissbrauchsrichtlinie entgegen, die grundsätzlich eine Veröffentlichung “so bald wie möglich” vorschreibt. Nur unter bestimmten Umständen und auf eigene Verantwortung können Emittenten Ad-hoc-Mitteilungen demnach aufschieben.Unterdessen hat Wirecard-Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann Post von “European Investors” bekommen. Die Aktionärsschutzvereinigung niederländischen Rechts dringt auf eine außerordentliche Hauptversammlung, “weil dies zum Wohl der Gesellschaft erforderlich ist”, wie es in einem der Börsen-Zeitung vorliegenden Brief heißt. Es sei “unabdingbar, dass sich in dieser außerordentlichen Hauptversammlung auch der Prüfer Ernst & Young direkten Fragen der Aktionäre” stelle. Ferner fordert die Vereinigung in ihrem Schreiben mit Datum vom Donnerstag, den – inzwischen erfolgten – Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden Markus Braun, eine Verankerung der Zuständigkeit für Recht und Compliance im Vorstand, eine Verdopplung der Zahl der Aufsichtsräte auf zehn sowie die Ablösung des General Counsel der Gesellschaft. “Allein das letzte halbe Jahr weist eine in der deutschen Unternehmenslandschaft fast beispiellose Anhäufung von rechtlichen Fehleinschätzungen auf”, wird moniert.Kritik an der Rolle von EY wirkte unterdessen Klaus-Peter Naumann, Vorstandssprecher des Instituts der Wirtschaftsprüfer, am Freitag entgegen: “Unabhängig von konkreten Fällen nutzt ein Abschlussprüfer stets die jeweils bestehenden Erkenntnismöglichkeiten”, erklärte er. “Ändern sich diese, etwa infolge einer Sonderprüfung – bei der unter anderem forensische Untersuchungsmethoden zum Einsatz kommen -, wertet der Prüfer diese ein. Dies kann natürlich dazu führen, dass er dann zu anderen Erkenntnissen kommt, ohne dass man ihm deshalb eine Pflichtverletzung in der Vergangenheit vorwerfen kann.”