BaFin regt baldige Impfung von Fonds an

Neue Liquiditätspuffer sollen anfällige Produkte für Anlegerflucht wappnen - Aufsicht fordert Einsatz von gesamter Finanzbranche

BaFin regt baldige Impfung von Fonds an

Gerade erst hatte der deutsche Gesetzgeber neue Liquiditätsregeln für Wertpapierfonds vorbereitet, da schlug die Coronakrise auf Börsen und Fondsmarkt durch. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin fordert nun eine rasche Umsetzung der Regeln, um Fonds für eine etwaige weitere Marktkrise zu wappnen.Von Silke Stoltenberg und Jan Schrader, FrankfurtVorerst haben die Fonds das Kursdebakel überstanden: Horrende Kursverluste und Abflüsse, aber keine Fondsschließungen im großen Stil haben das Geschäft der deutschen Branche im März geprägt. Doch da in der Coronakrise ein neuer Kursrutsch denkbar ist, macht nun die Aufsicht Druck. Neue Liquiditätspuffer, die der Gesetzgeber für Wertpapierpublikumsfonds bereits vor der Coronakrise vorbereitet hat, sind seit Ende März im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) verankert, dem Grundgesetz der deutschen Fondsbranche. Betroffen sind Wertpapierpublikumsfonds im verbreiteten Ogaw- bzw. Ucits-Mantel sowie gemischte Investmentvermögen.Die Finanzaufsicht BaFin fordert die Branche auf, möglichst rasch die Voraussetzungen zu schaffen, um die neuen Regeln für ausgewählte Fonds auch tatsächlich nutzen zu können. Der Appell richtet sich an alle Akteure, die am Fondsgeschäft beteiligt sind, neben den Fondsgesellschaften also etwa auch Vertriebspartner und Verwahrstellen.Der Prozess gilt als aufwendig und könnte sich über etliche Monate ziehen. Daher mahnt die BaFin zur Eile. “Uns ist bewusst, dass die technische Implementierung aufwendig ist”, sagte Elisabeth Roegele, BaFin-Exekutivdirektorin für Wertpapieraufsicht und Vizepräsidentin, der Börsen-Zeitung. “Umso wichtiger ist es daher, dass die Prozesse gemeinsam mit den depotführenden Banken, den Verwahrstellen und dem Vertrieb jetzt sehr schnell angestoßen werden.”Die neuen Instrumente stehen den Fondsgesellschaften nur als Möglichkeit offen, sie werden keine Pflicht. Für welche Fonds sie überhaupt relevant sind, liegt im Ermessen der einzelnen Gesellschaften. Der deutsche Fondsverband BVI hatte sich bereits im Dezember grundsätzlich hinter das Vorhaben gestellt. Ob und wie viele Anbieter hierzulande von den Möglichkeiten Gebrauch machen werden, ist noch nicht absehbar.Zwar betont auch Roegele, dass die Fondsgesellschaft und nicht die Aufsicht entscheiden müsse, welche Fonds mit den neuen Puffern ausgestattet werden. Die BaFin zielt aber vor allem auf den Schutz privater Anleger, auch wenn institutionelle Investoren ebenfalls in Publikumsfonds investieren. “Dass die Kapitalverwaltungsgesellschaften die neuen Liquiditätstools prüfen und, soweit geeignet, einsetzen, ist für uns auch aus Gründen des Anlegerschutzes elementar”, sagte Roegele. Anleihesegment im BlickWährend für offene Immobilienfonds bereits seit 2013 weitreichende Mindesthalte- und Kündigungsfristen gibt, sollen die neuen Regeln nun auch Schutz für Wertpapierfonds bieten. Denkbar ist, dass Fonds mit einem hohen Anteil an Unternehmensanleihen, darunter insbesondere Titel von Emittenten mit geringer Bonität, die neuen Regeln anwenden werden. So hat bereits die EZB gewarnt, dass Fonds zunehmend Papiere mit niedriger Bonität horten (siehe Grafik). Auf eine konkrete Empfehlung, für welche Fonds genau sich die Liquiditätspuffer eignen, verzichtet die BaFin jedoch.Die neuen Instrumente sollen nun auch Wertpapierfonds vor der Ultima Ratio – die komplette Fondsaussetzung – durch weniger drastische Maßnahmen verhindern. Denn ist bei einem Fonds die Anteilsrücknahme erst einmal ausgesetzt, droht die endgültige Abwicklung, wie viele Immobilienfondsanleger in Deutschland nach der zurückliegenden Finanzkrise schmerzhaft erfahren haben.Fondsanbieter haben damit künftig für Wertpapierfonds die Möglichkeit, mit Vorankündigung eine Rückgabefrist einzuführen, die maximal ein Monat betragen darf. Das heißt, wenn der Anleger seine Anteile verkaufen will, muss er bis zu einem Monat auf sein Geld warten. Dies soll dem Fondsmanager mehr Zeit verschaffen, Investments aus seinem Portfolio in Ruhe veräußern zu können. Denn ein plötzlicher Andrang von Anlegerverkaufswünschen kann einen Fonds überfordern, weil nicht alle Teile des Portfolios so schnell zu verkaufen sind oder nicht zu einem angemessenen Preis. Ein solcher Anlegerrun hatte vor mehr als einem Jahrzehnt etliche Immobilienfonds in die Knie gezwungen.Neben der Ankündigungsfrist für Fondsverkäufer können Fondsgesellschaften künftig auch Rücknahmebeschränkungen (Redemption Gates) aussprechen, sobald die Anlegerrückgaben eine vom Anbieter selbst festgelegt Schwelle überschreitet. Auch hier geht es darum, einen möglichen Anlegeransturm abzumildern und Notverkäufe im Portfolio zu vermeiden. Während einer solchen Maßnahme, die maximal 15 Tage lang gelten darf, werden entweder gar keine Anteile zurückgenommen oder von jedem Anleger nur ein bestimmtes Kontingent.Ein drittes Steuerungstool soll quasi die Anleger mit Strafgebühren von überstürzten Verkäufen oder auch Käufen abhalten (Swing Pricing). Die Transaktionskosten des Fonds, die durch die notwendigen Verkäufe oder Zukäufe im Portfolio entstehen, sollen dann verursachergerecht umgelegt werden. Dieses Verfahren wird etwa in den USA bereits angewandt, die Transaktionskosten ließen sich mit entsprechenden Rechenverfahren tatsächlich den Verursachern eins zu eins zuordnen, heißt es in Aufsichtskreisen.Beim Swing Pricing wird der An- oder Verkaufspreis verändert. Konkret wird der Nettoinventarwert (Net Asset Value, NAV) des Fonds, der sich aus der Summe aller bewerteten Vermögensgegenstände abzüglich sämtlicher Verbindlichkeiten ergibt, nach unten – bei zu viel Verkäufen – oder nach oben – bei zu viel Käufen – angepasst. Auf diese Weise soll der Wert des Fonds für die anderen Anleger nicht zu stark verwässert werden. Denn wenn Fonds abrupt im großen Stil Wertpapiere kaufen oder verkaufen, beeinflussen sie damit die Preise der Wertpapiere zu Ungunsten der Anleger – je weniger handelbar ein Wertpapier ist, desto größer kann der Effekt ausfallen. Anfällig für KrisenDas Dilemma eines Fonds ist, dass Fondsanteile grundsätzlich täglich handelbar sind, aber nicht alle Teile des Portfolios genauso schnell veräußerbar sind. In der zurückliegenden Finanzkrise waren deswegen US-Geldmarktfonds in die Knie gegangen, die von Anlegerrückgaben überrannt wurden. Eine breite Krise der Vehikel ist in der Coronakrise vorerst ausgeblieben, allerdings haben Goldman Sachs und BNY Mellon im März Geldmarktfonds mit milliardenschweren Injektionen unterstützt, während in Schweden etliche Fonds für Unternehmensanleihen eingefroren wurden. In Europa wurden die Geldmarktfonds (ABS) in der Finanzkrise vor dem Kollaps bewahrt, weil Regierungen und Zentralbanken die Bankeneinlagen garantierten und die Liquidität absicherten. In Erinnerung ist auch der Flash Crash 2015 an der New Yorker Börse, als mehr als 300 börsengehandelte Indexfonds ausgesetzt werden mussten, weil die Marktmacher nicht mehr nachkamen in der Verkaufswelle.Der neue Liquiditätswerkzeugkasten kommt an anderen Fondsstandorten wie Luxemburg bereits zum Einsatz. Somit wird für deutsche Produkte eine Wettbewerbsgleichheit hergestellt. Die Instrumente wurden bereits 2018 von der internationalen Wertpapieraufsicht Iosco empfohlen. Die Module hätten sich im Ausland bereits bewährt, schreibt der BVI. Mit der Coronakrise droht nun auch in Deutschland eine Bewährungsprobe.