Balanceakt für die Deutsche Bank
Eine bessere Balance in der Vergütung der verschiedenen Stakeholder-Gruppen hat sich das neue Führungsduo der Deutschen Bank vorgenommen. In dem am Donnerstag von Jürgen Fitschen und Anshu Jain präsentierten vorläufigen Zahlenwerk für 2012 ist von der angestrebten “gerechteren Verteilung” der Erträge allerdings erst wenig zu erkennen. Was überhaupt als “gerecht” in diesem Zusammenhang anzusehen ist, darüber lässt sich ebenso trefflich streiten wie über die Formulierung “angemessen” in Vergütungsfragen. Hoher PersonalaufwandNun hat sich ausweislich der Zahlen die Relation zwischen variabler und fixer Vergütung der Mitarbeiter zu Lasten der variablen Bestandteile verschoben, die damit laut Deutscher Bank auf “historischem Tiefstand” angelangt sind. Doch immerhin betragen sie noch 3,2 nach 3,6 Mrd. Euro im Jahr zuvor und verteilen sich zu 1,7 (1,4) Mrd. Euro auf bar ausgezahlte Vergütungen und zu 1,5 (2,2) Mrd. Euro auf aufgeschobene variable Vergütungen. Unterm Strich lag die Personalaufwandsquote 2012 mit 40,1 % sogar leicht über dem Vorjahr, als 39,5 % errechnet wurden. Damit rangiert sie um etwa 10 Prozentpunkte über dem Niveau vergleichbarer Wettbewerber und signalisiert, dass die Bank unverändert ein Effizienzproblem hat. Gewiss sind solche Relationen nicht über Nacht und auch nicht in einem Geschäftsjahr signifikant zu ändern. Diese Trägheit ist in gewisser Hinsicht sogar gewollt, schließlich gehört zur angestrebten nachhaltigen Vergütungsstruktur, dass variable Vergütungsbestandteile einer mehrjährigen Auszahlungssperre unterliegen. Erratische DividendenpolitikDer Aktionär der Deutschen Bank wird so behandelt, als sei da gar nichts gewesen im abgelaufenen Jahr. Der Dividendenvorschlag orientiert sich am Vorjahresniveau von 0,75 Euro. Nun sind 75 Cent je Aktie oder in der Summe knapp 700 Mill. Euro weder in der historischen Betrachtung noch im Peer-Vergleich eine akzeptable Beteiligung der Eigenkapitalgeber am Erfolg eines Hauses, das Gesamterträge von 34 Mrd. Euro verbucht und sich zur kleinen Spitzengruppe der internationalen Banken zählt. Aber ist der Großputz in der Bilanz der Bank ohne Beitrag auch der Eigentümer mit dem Postulat der besseren Ausbalancierung unter den Stakeholdern vereinbar?Immerhin wurde die vorgeschlagene Dividende nicht verdient, wenn man den ausgewiesenen Gewinn von 0,65 Euro je Aktie betrachtet und nicht die diversen Als-ob-Rechnungen, in denen die Goodwill-Abschreibungen und Prozessrisikovorsorgen herausgerechnet sind. So notwendig die Korrektur der überrissenen variablen Vergütungen der Mitarbeiter und insbesondere der Führungsmannschaft der Deutschen Bank war, so wichtig wäre grundsätzlich eine stärker am Ergebnis orientierte Vergütung der Aktionäre. Während aber die Vergütungspolitik für die Mitarbeiter, Vorstände und Aufsichtsräte in den Geschäftsberichten der Bank seit Jahren viele Seiten füllt und auch bei der aktuellen Zahlenvorlage breiten Raum einnahm, ist die Vergütung der Shareholder, die vor zwei Jahren schließlich gut 10 Mrd. Euro neues Kapital in ihre Bank gesteckt haben, kaum ein Thema. In diesem Punkt ist die Deutsche Bank von einem ausbalancierten Verhältnis weit entfernt. Die Pay-out-Ratio der Deutschen Bank irrlichtert seit Jahren in der Spanne von knapp 10 % (2009) und 35 % (2007), wobei der Sprung von 17 % für 2011 auf jetzt 115 % besonders krass ausfällt. Nicht nur die Vergütungspolitik für die Mitarbeiter, auch die Ausschüttungsquote würde mehr Nachhaltigkeit verdienen. Noch weniger SteuernZwangsläufig stark am Ergebnis orientiert ist die Beteiligung des Stakeholders Staat. Wenigstens geht der Fiskus trotz des Milliardenverlustes im Schlussquartal nicht völlig leer aus, auch wenn für ihn noch weniger bleibt als in den Vorjahren. Der Ertragsteueraufwand im Konzern ist von 1064 Mill. Euro im Jahr 2011 auf 732 Mill. Euro im vergangenen Jahr geschrumpft. Wie viel davon in der deutschen Kasse landete, verrät die Bank nicht, aber man habe auch 2012 Ertragssteuern in Deutschland gezahlt, wird betont. Viel kann es nicht gewesen sein. Aber der deutsche Fiskus kann sich ja außerdem auf die – ebenfalls nicht bezifferte – Bankenabgabe freuen.In einigen Punkten spiegelt das neue Zahlenwerk dann doch den viel beschworenen Kulturwandel der Bank unter Fitschen und Jain. Risiken werden nicht nur verbal adressiert, sondern auch finanziell ausgedrückt. Es mag den neuen Co-Chefs zupasskommen, dies am Anfang ihrer gemeinsamen Amtszeit als bilanzielles Großreinemachen inszenieren zu können, um anschließend vor unangenehmen Überraschungen sicherer zu sein und später mit wieder schöneren Zahlen glänzen zu können.Aber die Erkenntnis einerseits, dass Renditen wie einst im Investment Banking in der Welt der regulierten Finanzindustrie auf Sicht nie mehr erreichbar sein werden, und die konsequente Wertberichtigung solcher Aktivitäten in der Bilanz andererseits sind dann doch zwei Paar Stiefel. Ex-Bank-Chef Josef Ackermann fehlte vielleicht nicht die Erkenntnis, dass die “guten alten Zeiten” des Investment Banking für immer vorbei sind, aber dann doch der Mut, die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Gleiches gilt für die zahlreichen juristischen Baustellen. Wenn sie finanziell (teil)verarbeitet sind, fällt es leichter, den teuren Schlussstrich zu ziehen.Dass in der neuen Deutschen Bank nachhaltige Stärke an die Stelle vorübergehend beeindruckender Zahlen getreten ist, zeigt nicht zuletzt die Eigenkapitalquote. Für die vorzeitig erhöhte Kernkapitalquote nach Ba-sel III von 8 % kann sich das Institut nichts kaufen. Aber die Deutsche Bank hat das Zutrauen der Investoren zurückgewonnen, dass sie auf dem richtigen Weg ist und die regulatorischen Herausforderungen möglichst aus eigener Kraft bewältigt.—– c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus Döring ——-Mit der “gerechteren Verteilung” ihrer Erträge auf die Stakeholder tut sich die Deutsche Bank noch schwer.