Balkan-Börse SEE Link hat Anlaufschwierigkeiten

Plattform soll Märkten der Region zu mehr Beachtung verhelfen - Handelsabwicklung schwierig

Balkan-Börse SEE Link hat Anlaufschwierigkeiten

Von Frank Stier, SofiaWer Westeuropäern erzählt, dass er in der bulgarischen Hauptstadt Sofia lebt, wird oft gefragt, wie Rumäniens Hauptstadt denn so sei. Westlich der Alpen mangelt es aber nicht nur an geografischen Kenntnissen über den Balkan, auch beim wirtschaftlichen Wissen herrscht ein Defizit. Die südosteuropäische Börsenlandschaft ist für die meisten Anleger erst recht Terra incognita. Im Frühjahr 2014 haben sich die Wertpapierbörsen von Sofia, Skopje in Mazedonien und Zagreb in Kroatien deshalb zusammengetan, um ihren kleinen regionalen Kapitalmärkten zwischen Adria, Donau und Schwarzem Meer auf dem Weltmarkt zu größerer Beachtung zu verhelfen. Ermuntert und finanziell unterstützt von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) gründeten sie das Gemeinschaftsunternehmen SEE Link mit Sitz in Skopje. In der dortigen Börse läuteten sie am Morgen des 29. März 2016 die Glocke für den Start des Orderrouting-Systems der digitalen Handelsplattform SEE Link. 40 Mrd. Dollar schwer”Über SEE Link sind derzeit mehr als 500 an den drei Gründerbörsen gelistete Wertpapiere mit einer Marktkapitalisierung von fast 40 Mrd. Dollar zu handeln”, sagt Divo Pulitika von der kroatischen Intercapital. Er dokumentiert für SEE Link die Handelsentwicklung. Anfang Dezember haben sich nun auch die Börsen im serbischen Belgrad und im slowenischen Ljubljana der Gesellschaft angeschlossen. Als Nächstes sollen die Kapitalmärkte in Athen, Banja Luka in Bosnien-Herzegowina und Podgorica in Montenegro folgen, weitere Börsen, darunter die rumänische, gelten als interessiert. Allein die Börse Belgrad wird SEE Link weitere 81 Wertpapiere hinzufügen.”Den beteiligten Börsenmaklern ermöglicht SEE Link, ihren Kunden ein größeres Portfolio an Dienstleistungen und Investitionsmöglichkeiten anzubieten”, sagt Pulitika weiter. “Und die Investoren sowohl aus der Region als auch darüber hinaus können ihren Investitionshorizont erweitern.” Die Handelsplattform hält er für eine technologische Alternative zur Fusion, behalte doch jede Börse ihre Unabhängigkeit. Mehr Liquidität im Markt”Das Routing-System von SEE Link erleichtert es Investoren aus jeder Ecke der Welt, an den südosteuropäischen Börsen Aktien zu ordern und abzustoßen”, sagt indes Sinisa Krneta, geschäftsführender Direktor der Belgrader Börse. “Sie müssen dazu lediglich einen bereits angeschlossenen Börsenmakler kontaktieren.” Kleine Kapitalmärkte könnten nur wachsen, wenn sie sich regional und global verknüpften, begründet er den Anschluss seiner Börse an SEE Link. Von der Plattform erhofft sich Krneta mehr Liquidität im Markt. Auch könne die Kooperation mit den anderen Balkan-Börsen zu einer Harmonisierung der Regularien und Handelsprozeduren führen. Welche serbischen Aktien in die beiden Anfang April 2016 gestarteten Blue-Chips-Indizes SEELinX und SEELinX EWI eingehen werden, sei noch zu entscheiden. “Deren jetzige Struktur legt aber nahe, dass es die ,High Caps` der serbischen Börse sein werden”, sagt Krneta.In den Steigerungsraten der beiden Indizes von rund 16 % sieht Ivan Takev, der Chef der Wertpapierbörse Sofia, einen Ausweis ihrer dynamische Entwicklung. Es sei aber noch zu früh, den Erfolg von SEE Link zu beurteilen. “Viele Partner unter den Börsenmaklern und Finanzinstituten haben noch Schwierigkeiten, ihr Handelssystem mit dem SEE-Link-System zu verknüpfen”, sagt er. Auch bleibe das Handeln im Ausland eine bürokratisch komplexe Herausforderung, die viel Schriftverkehr erfordere, da sich die Voraussetzungen in den einzelnen Balkanländern noch unterschieden. “Zwar ist die Registrierung eine einmalige Angelegenheit, ohne sie kann über SEE Link aber nicht gehandelt werden”, sagt Takev. Börsenkapitalisierung geringObwohl der Handel an der bulgarischen Börse in den vergangenen Wochen eine spürbare Belebung erfahren hat, beträgt deren Marktkapitalisierung noch immer bescheidene 12 % des Bruttoinlandsprodukts. Bei entwickelten europäischen Börsen hingegen liegt dieser Parameter zwischen 60 % und 100 % der Wirtschaftsleistung. “Die südosteuropäischen Kapitalmärkte sind wesentlich kleiner als die westeuropäischen, und SEE Link wird das nicht ändern”, sagt Takev.Gerade weil die südosteuropäischen Kapitalmärkte einschließlich Griechenlands und Rumäniens im Vergleich zu den übrigen europäischen klein seien, also nur über eine niedrige Marktkapitalisierung und geringe Handelsvolumina verfügten, sei das SEE-Link-Projekt wertvoll, glaubt Dimitar Georgiev, Geschäftsführer von Elana Trading in Sofia. “Es kombiniert die Handelsplätze und schafft internationalen Investoren einen einzigen Zugang zu ihnen”, sagt er. Elana Trading war Georgiev zufolge die erste bulgarische Investmentgesellschaft, die mit Partnern in Mazedonien und Kroatien Vertragsvereinbarungen eingegangen ist und über SEE Link Geschäfte abgeschlossen hat.SEE Link entwickle sich langsam, aber in die richtige Richtung, sagt Georgiev. “Die Geschäftsabschlüsse und das Handelsvolumen dürften beträchtlich steigen.” Bereits in naher Zukunft sieht der Manager einen spürbaren Anstieg der Handelsaktivität, da immer mehr Börsenmakler das SEE-Link-Ordersystem in ihr betriebliches Handelssystem integrierten. Hoffen auf GriechenlandBesonders problematisch sei aber noch die Geschäftsabwicklung, habe sich die SEE Link doch auf den Handel fokussiert und die Hilfestellung für dessen Abwicklung vernachlässigt. “Dinge wie die Eröffnung von Handelskonten und Bankkonten und so weiter müssen die Makler selbst erledigen.” Eine weitere Schwierigkeit sei, dass die Märkte der neuen Gemeinschaftsbörse den Investoren aus den jeweils anderen Ländern noch nicht vertraut genug seien. Hier bedürfe es weiterer Information und Schulung aller Beteiligten. Georgiev setzt auf die Beteiligung weiterer Länder. “Der Beitritt Griechenlands und vielleicht sogar Rumäniens würde SEE Link attraktiver machen, da diese Märkte größer und den Investoren bekannter sind.”