„Banken brauchen volle Digitalisierung des Kreditprozesses“
Von Björn Godenrath, Frankfurt
In Deutschland werden erst gut 4% der Ratenkredite vollständig digital vergeben. Angesichts des riesigen Marktes ist demnach viel Luft für Fintechs, die einen solchen Markt adressieren. Neben deutschen Pionieren wie Auxmoney drängen auch ausländische Anbieter auf Europas größten Kreditmarkt. Zu diesen zählt die 2009 in Frankreich gegründete Younited, die über eine Banklizenz verfügt und seit Frühjahr 2020 mit Deutschland-Chef Michael Herschlein an der Spitze Retail-Kredite vermittelt. „Ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklung in Deutschland, denn wir haben das Geschäft mit Konsumentenkrediten (B2C) hier etabliert und sind aktiv unterwegs zum Ausbau des vermittelten Volumens. 2021 sollten wir das vermittelte Volumen verdreifacht haben,“ so Herschlein im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Zu den bereits erschlossenen Märkten gehören neben Deutschland Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. Deutschland mit seiner Regulatorik und der Vielzahl an Kreditplattformen sei ein eigener Markt, der besonders adressiert werden müsse, sagt Herschlein. Außerdem seien die deutschen Banken im technologischen Frontend vergleichsweise weit entwickelt, da man gut in diesen Bereich investiert habe. Das Geschäftsmodell von Younited, die seit Gründung gut 2,6 Mrd. Euro vermittelt hat, konzentriert sich auf Konsumentenkredite, wobei für die Refinanzierung eine Special-Purpose-Vehikel-Struktur verwendet wird. Dabei können institutionelle Investoren über das SPV in gebündelte Kreditportfolien investieren – das machen viele Plattformen so. Einen Teil der Kredite kann das Fintech dank Banklizenz aber auch aufs eigene Buch nehmen.
Gute Referenzkunden
Das neben dem Konsumentenkredit aufgebaute B2B-Geschäft ruht auf zwei Säulen: zum einen „Credit-as-a-Service“, wo Younited Banken die Infrastruktur für digitale Kreditvergabe bereitstellt und somit als Lizenz und Tech-Plattform im Hintergrund fungiert. Das habe man von Frankreich aus schon in andere Länder übertragen, und B2B werde auch bald in Deutschland kommen, wahrscheinlich im ersten Quartal 2022, sagt Herschlein. In Frankreich gebe es mit HSBC, Orange Bank und N26 Frankreich schon drei große Referenzkunden für „Credit-as-a-Service“. Younited könne diese Plattformdienste extrem schnell verfügbar machen, da man auf der IT-Seite zu 100% cloudbasiert und modular unterwegs sei.
Die zweite Säule in B2B ist „Credit-as-a-Payment“, wo Younited zum Beispiel Lösungen in der Absatzfinanzierung bereitstellt. Erster Referenzkunde ist Microsoft. Für die Händlerseite im E-Commerce könnten perspektivisch auch Produkte der Kategorie „Buy Now, Pay Later“ verfügbar gemacht werden, sagt Herschlein.
Im digitalen B2C-Vertrieb fährt Younited einen Mix, wobei in Deutschland viel über die großen Vermittlerplattformen (Smava/Finanzcheck, Check24, Verivox) laufe. Ratenkredite werden von 1000 bis 50000 Euro ausgereicht. Grundsätzlich ist Younited für defizitäres Wachstum gerüstet, wurden doch im Sommer im Rahmen einer Finanzierungsrunde 170 Mill. Dollar u. a. von Goldman Sachs und Bridgepoint eingesammelt.
Differenzierung ist möglich
Mit dem Geld will die Plattform in disruptive Technologie, innovative Produkte und Märkte investieren sowie im B2B Geschäft Fuß fassen, erklärt Herschlein. Der Kredit sei zwar im Grunde ein Me-too-Produkt, aber mit dem digitalen Kredit könne man sich durchaus auf manchen Ebenen differenzieren. Im B2B-Bereich könne man allein durch die disruptive Technologie einen Fuß in die Tür bekommen, denn bei den Banken bestehe jetzt Bedarf, eine vollständige Digitalisierung des Kreditprozesses zu erreichen. Und flott ist Younited: Für das französische KfW-Pendant hat das Fintech innerhalb von zwei Wochen die Systeme für einen digitalen Förderkredit ausgerollt.