LEITARTIKEL

Banken im Überlebenskampf

Mit wie viel Cent, wenn überhaupt, dürfen Banken ihre Kunden für eine Barabhebung am Automaten zur Kasse bitten? Die Frage ist aus der Sicht von Kunden und Verbraucherschützern verständlicherweise ein Aufreger, zumal es hier auch ums Prinzip geht....

Banken im Überlebenskampf

Mit wie viel Cent, wenn überhaupt, dürfen Banken ihre Kunden für eine Barabhebung am Automaten zur Kasse bitten? Die Frage ist aus der Sicht von Kunden und Verbraucherschützern verständlicherweise ein Aufreger, zumal es hier auch ums Prinzip geht. Da mögen einzelne Institute und ihre Verbände zigmal erzählen, die Kunden hätten volles Verständnis dafür, dass im Null- und Negativzinsumfeld ständig an der Preisschraube gedreht wird. Das Thema ist emotional aufgeladen und jeder Obolus letztlich irgendwie lästig. Davon einmal abgesehen, mag die aktuelle Diskussion über Abhebungsgebühren auf den ersten Blick durchaus etwas kleinteilig erscheinen. Doch das ist sie aus der Banken- und Sparkassenperspektive mitnichten. Abstrahiert man von dem konkreten Beispiel, das gerade die Gemüter erhitzt, geht es um nicht weniger als die nackte Existenz. Bildlich gesprochen: Jetzt muss die Branche schon die Cent-Beträge zusammenkratzen, um noch halbwegs über die Runden zu kommen.Überleben oder untergehen: Um festzustellen, dass die Zunft tatsächlich an dieser Wegscheide steht, muss man nicht “Kassandra” heißen. Das Gewerbe als Ganzes und die einzelnen, vielfach ein oder auch mehrere Jahrhunderte alten Geldhäuser haben Kriege, Revolutionen, Währungsreformen, Pest & Cholera überstanden. Die heutige Bedrohung aber ist in ihrer Brisanz und in dem damit verbundenen Zerstörungspotenzial historisch beispiellos. Denn nicht nur die Dosis macht das Gift, sondern schon auch die Mixtur. Und bei dem Cocktail, den so unterschiedliche Akteure wie die Europäische Zentralbank (EZB), Politik, Regulatoren und die finanztechnologische Industrie angerührt haben, hat bereits jede einzelne Zutat das Zeug, diejenigen zu ruinieren, die ihr ausgesetzt sind. Im Zusammenspiel kann die Wirkung erst recht verheerend sein.Das ist die wenig erbauliche Szenerie, wenn sich der private Teil der Branche am heutigen Mittwoch und am Donnerstag in Berlin zum Familientreffen, erweitert um hochprominente Gäste etwa aus Politik und Geldpolitik, Aufsicht und Wissenschaft, versammelt. Der 21. Deutsche Bankentag, fast taggenau zehn Jahre nach Beginn der Finanzkrise, wird vermutlich nicht schon der letzte sein. Auch 2020 dürfte es noch Institutionen geben, die mit ihren Finanzierungen die Volkswirtschaft am Laufen halten, und bei aller Vorsicht, die in unserer an “unvorstellbaren” oder “ausgeschlossenen” Entwicklungen reichen Welt bei Prognosen geboten ist, spricht doch manches dafür, dass EZB und Förderbanken diese Aufgabe zumindest nicht ganz so schnell komplett übernommen haben werden. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Branche in wenigen Jahren nicht mehr wiederzuerkennen sein wird.Eine dreistellige Zahl von Instituten und eine vier- bis fünfstellige Zahl von Zweigstellen wird unter den von der schonungslosen Geldpolitik der EZB provozierten Einsparungszwängen in absehbarer Zeit von der Bildfläche verschwunden, eine weitere sechsstellige Zahl von Arbeitsplätzen auch unabhängig vom zinspolitischen Crashkurs wegdigitalisiert worden sein. Wer wie etliche Banken technologisch hinter dem Mond lebt, der ist eben auch überproportional betroffen, wenn die Disruptionsmaschine erst einmal auf Touren kommt. Diese Entwicklungen spielen sich zu allem Überfluss unter regulatorischem Dauerbeschuss nicht nur aus Brüssel, Berlin und Bonn ab, derweil den Akteuren abverlangt wird, weitreichende strategische Entscheidungen zu treffen, ausgerechnet während sie in der Zeit des Umbruchs in einem seit der US-Präsidentschaftswahl undurchdringlich gewordenen Baseler Nebel stochern. Das reicht gemeinhin, selbst kraftstrotzende Spieler aus der Balance zu werfen. Durch übertriebene Ertragskraft fallen hierzulande aber nun gerade namhafte private Adressen nicht auf. Die traditionelle Hackordnung des Kreditgewerbes ist in den Krisenjahren umgestülpt worden. Die höchsten Gewinne auf Konzernebene erzielten 2016 das genossenschaftliche Spitzeninstitut DZ Bank und die KfW, die Nummern 2 und 3 nach Bilanzsumme hinter der Deutschen und vor der Commerzbank.Aufgehellt wird das für die Privaten traurige Bild wenigstens dadurch, dass – wenn schon nichts gegen die von vielen mittlerweile geradezu verabscheute Geldpolitik auszurichten ist – die technologische Herausforderung erkannt und angenommen wurde. Banken mutieren zu Technologieunternehmen, manche Direktbank ist längst selbst ein wohletabliertes Fintech. Diese Anbieter könnten sich im Existenzkampf als Überlebenskünstler erweisen, die ohne Verzweiflungstaten wie die Einführung von Abhebungsentgelten für die eigenen Kunden am Markt reüssieren.——–Von Bernd WittkowskiDie Branche hat Kriege, Revolutionen, Währungsreformen, Pest & Cholera überstanden. Doch die heutige Bedrohung ist in ihrer Brisanz historisch beispiellos.——-