IM BLICKFELD

Banken liefern Vorgeschmack auf ihr Post-Corona-Geschäft

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 29.7.2020 Die britische Finanzbranche ist in Bewegung geraten. António Horta-Osório kündigte diesen Monat an, die Führung der Lloyds Banking Group im kommenden Sommer niederzulegen. Beim Versicherer Aviva...

Banken liefern Vorgeschmack auf ihr Post-Corona-Geschäft

Von Andreas Hippin, LondonDie britische Finanzbranche ist in Bewegung geraten. António Horta-Osório kündigte diesen Monat an, die Führung der Lloyds Banking Group im kommenden Sommer niederzulegen. Beim Versicherer Aviva übernahm überraschend Amanda Blanc das Ruder. Barclays klopft angeblich bereits Kandidaten für die Nachfolge von Jes Staley ab. Auf dem Kontinent machte die Commerzbank Schlagzeilen. Kommt es zum Wechsel an der Spitze, wird meist auch die bisher verfolgte Strategie auf den Prüfstand gestellt. Zudem zeichnen sich Veränderungen im Kundenverhalten ab: Nachdem der Kredithunger der Konsumenten lange Zeit zweistellig wuchs, ging er Daten der Bank of England zufolge zuletzt zurück. Die gestern vorgelegten Zahlen von Virgin Money bestätigen diesen Trend. Einer Umfrage der Building Society Nationwide zufolge haben 37 % der Briten während des Lockdowns mehr Geld auf die hohe Kante gelegt als sonst. Für die 18- bis 34-Jährigen lag dieser Wert bei 45 %. Mehr als ein Drittel (36 %) aller Teilnehmer bereuten, vor Ausbruch der Pandemie nicht mehr gespart zu haben. Ein ebenso großer Anteil gab an, dass sich sein Sparverhalten nach dem Lockdown ändern werde. Bei den 18- bis 34-Jährigen waren es mehr als die Hälfte (52 %).Die geldpolitische Lockerung, mit der Notenbanken weltweit auf die Coronavirus-Pandemie reagiert haben, dürfte die ohnehin schon mageren Nettozinsmargen weiter unter Druck setzen – ein weiterer Anreiz zu Veränderungen. Bei Virgin Money ging die Nettozinsmarge binnen drei Monaten von 163 auf 147 Basispunkte zurück. Unter den Banken, die in erster Linie auf dem Heimatmarkt tätig sind, gilt Natwest als besonders zinssensitiv. Das bislang als Royal Bank of Scotland bekannte Institut legt erstmals unter neuem Namen Zahlen vor. Bei den globalen Banken wird der HSBC eine größere Anfälligkeit für Zinsschwankungen nachgesagt. Die nun einsetzende Quartalsberichterstattung liefert einen Vorgeschmack auf ihr Post-Corona-Geschäft. Eigenkapitalrendite bricht einSchon 2019 haben britische Banken im Schnitt ihre Eigenkapitalkosten nicht verdient. Die Eigenkapitalrendite (RoTE) wird nach Rechnung der Analysten der Deutschen Bank wegen der pandemiebedingten Rezession im laufenden Jahr im Schnitt von 9,0 % auf 1,8 % einbrechen. Bis 2022 erwarten sie eine Erholung auf 7,4 % – unter dem im Jahr zuvor erreichten Durchschnittswert. Die Eigenkapitalkosten setzen sie in ihrem Modell wegen der erhöhten Ungewissheit mit 13 % an.In den vergangenen fünf Jahren habe sich die Cost-Income-Ratio der Institute von im Schnitt 66 % im Jahr 2016 auf 58 % im vergangenen Jahr verbessert. Nun werde sie wieder steigen, bis sie 2022 ungefähr wieder auf das Niveau von 2019 zurückkomme. Dafür müssten die Institute ihre Kosten aber erheblich senken, um die schwache Ertragssituation auszugleichen. Dazu gehört eine weitere Verkleinerung der Filialnetze verbunden mit einer Umwidmung von Niederlassungen. Seit 2012 wurden branchenweit mehr als ein Fünftel (22 %) geschlossen. HSBC befindet sich bereits mitten in einer schmerzhaften Restrukturierungsphase.Was das Investment Banking angeht, so rechnet Goldman Sachs mit einem “guten, aber nicht großartigen” Quartal der europäischen Wettbewerber. Barclays ist die größte Investmentbank aus Großbritannien. Die Erträge der US-Branche stiegen Goldman Sachs zufolge im zweiten Quartal im Schnitt um 67 %. Besonders gut entwickelte sich das sogenannte FICC-Geschäft, der kapitalintensive Handel mit Anleihen, Währungen und Rohstoffen. Hier habe das Wachstum bei 108 % gelegen. Allerdings seien aus den Rekorderträgen wegen höherer Kreditausfälle keine Rekordergebnisse geworden. Das Wachstum der Investment-Banking-Erträge der in diesem Geschäft nennenswert vertretenen europäischen Institute dürfte im Schnitt bei 20 % gelegen haben, im FICC-Geschäft bei 47 %. Das Aktiengeschäft habe sich dagegen schwach (- 8 %) entwickelt. Barclays und die Rivalin Deutsche Bank dürften das Feld anführen. Staley hatte das in Ungnade gefallene Investment Banking aufgewertet und das Institut als Transatlantikbank neu aufgestellt. Gute Ergebnisse dürften seine Position stärken. Barclays hatte für das abgelaufene Quartal bereits einen überraschend starken Anstieg der Kernkapitalquote von 13,1 % auf rund 14 % vermeldet. Analysten hatten zuvor einen Rückgang auf 12,7 % erwartet.Barclays legt heute die Geschäftszahlen für das abgelaufene Quartal vor, gefolgt von Lloyds Banking Group und Standard Chartered am Donnerstag. Am Freitag ist Natwest an der Reihe. “Wir erwarten einen wesentlichen Anstieg der Kreditvergabe an Firmenkunden, der von den Initiativen der Regierung zur Unterstützung des Mittelstands getrieben wird”, schrieb Nicholas Hyett, Analyst bei Hargreaves Lansdown. Die Verbraucherkreditvergabe werde dagegen zurückgehen. Was diese Veränderung der Zusammensetzung des Kreditbuchs in Verbindung mit schrumpfenden Sparzinsen für die Nettozinsmarge bedeute, werde sich zeigen. Natwest finanziert sich deutlich stärker durch Einlagen als andere Großbanken. Am Montag (3. August) stehen die Quartalszahlen von HSBC auf dem Kalender. Dabei dürften Fragen zur Zukunft des Nordamerikageschäfts und zur Situation in Hongkong im Vordergrund stehen.