Aufsicht

Banken müssen Gasliefer­stopp durch­rechnen

Die EZB fordert von den Großbanken Eurolands Analysen zu den Folgen eines russischen Gaslieferstopps auf ihre Kreditportfolien an.

Banken müssen Gasliefer­stopp durch­rechnen

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) drängt die Großbanken Eurolands angesichts des drohenden Gaslieferstopps durch Russland zu einer Analyse ihrer Kreditportfolios. Dies hat die Börsen-Zeitung erfahren. Die europäische Bankenaufsicht  verwies am Montag auf Anfrage auf eine Rede ihres Chefs Andrea Enria vor wenigen Tagen.

Am Donnerstag vergangener Woche hatte Enria auf einer Veranstaltung des europäischen Bankenverbands EBF erklärt, die Aufsicht fordere unter dem Aspekt der Kapitaladäquanz „einzelne Banken“ auf, ihre Kapitalpläne zu überprüfen und dabei „ausreichend konservative und aktualisierte adverse makroökonomische Szenarien“ zu berücksichtigen, insbesondere Annahmen hinsichtlich einer Rezession, die un­günstigen offiziellen Prognosen entsprächen. Mit Blick auf die Kapitalplanung der Banken stellte Enria dabei implizit auch die Ausschüttungspolitik der Institute in Frage.

Offene Türen

Die Wahrheit ist deutlich konkreter. Nach Informationen der Börsen-Zeitung geht es den Aufsehern unter anderem darum, die Auswirkungen eines Stopps russischer Gaslieferungen je nach Branche in den Portfolios der Banken zu eruieren. Damit wird offensichtlich, dass die Folgen eines möglichen Embargos die Aufseher umtreiben. Alles andere wäre auf Sicht einer Aufsichtsinstanz fahrlässig. In den Instituten dürfte die EZB ohnehin offene Türen einrennen. Die Aussicht auf eine Volkswirtschaft, welcher am gestrigen Montag vom wichtigsten Gaslieferanten auf unbestimmte Zeit der Hahn zugedreht worden ist, darf niemanden im Risikomanagement einer Bank kaltlassen. Aus einer Großbank ist denn auch zu hören, die Portfolioanalyse sei bereits erfolgt, bevor die Aufsicht angeklopft habe.

Kontrastprogramm steht an

Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen dabei die Unternehmenskunden. „Sollte es zu einem Stopp russischer Gasexporte kommen, würde dies nahezu alle Branchen treffen“, hat etwa Karl Manfred Lochner, Firmenkundenvorstand der LBBW, erklärt. Heute sei die Risikosituation noch nicht kritisch, die Geschäfte liefen ausgezeichnet, sagte Lochner der Börsen-Zeitung. Aus Bankenkreisen verlautet unterdessen auch, das dritte Quartal dürfte dazu ein Kontrastprogramm liefern, wie es bisher selten zu sehen gewesen sei.

Die Aufseher wollen es bei einer Portfolioanalyse denn auch kaum bewenden lassen. Die Interaktion mit den Banken zu deren Kapitalplänen werde in den kommenden Monaten entwickelt, ist bei mit der Situation vertrauten Personen zu hören. Mehr über die Auswirkungen werde man gegen Ende dieses Jahres wissen, heißt es. Bereits nach Beginn des Krieges hatte sich die EZB mit einer hauseigenen Analyse mit negativen Szenarien infolge der Invasion Russlands in die Ukraine befasst, ohne Mitwirkung der Institute. Im streng adversen Szenario hatte die Aufsicht dabei für die Jahre 2022 bis 2024 eine Rezession, einen Rückgang der Aktienkurse um 20% sowie einen Anstieg des Ölpreises um 80% und des Gaspreises um 180% unterstellt.

Diese Effekte zogen in der Simulation einen Vertrauensschock sowie in der Folge einen weiteren Dämpfer der wirtschaftlichen Aktivität nach sich. Für Unternehmenskredite in verwundbaren Sektoren errechnete die EZB dabei in der Folge etwa für das Jahr 2023 eine Ausfallwahrscheinlichkeit von knapp 5%. Der Anteil fauler Forderungen am Kreditvolumen kletterte auf gut 6%. Im streng adversen Szenario sank damit die harte Kernkapitalquote der Institute in der Folge um 3,6 Prozentpunkte auf 11,6%.

Operative Kosten drücken

Dabei habe sich das Problem hoher operativer Kosten gezeigt, sei ein stärkerer Kapitalverzehr doch in Banken mit einer schwächeren Eigenkapitalrendite und einer höheren Aufwandsquote zu verzeichnen gewesen, schrieb die Notenbank im Mai in ihrem halbjährlichen Finanzstabilitätsbericht. Gleichwohl seien nur 8% der Bilanzsumme im Bankensektor mit ihrer harten Kernkapitalquote unter die Marke von 7% gefallen. Die Übung bestätigte dabei die Widerstandskraft des Bankensektors in der Eurozone, hieß es.

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