Banken setzen auf digitale Währung

Japanische Institute schaffen J-Coin für Zahlungsverkehr - Einige Länder liebäugeln mit Krypto-Konzepten

Banken setzen auf digitale Währung

Erlaubt ist, was die Kompetitivität sichert: Russland, Japan, Großbritannien und China hegen Ambitionen zur Einführung von Kryptowährungen oder entwerfen Coin-Konzepte. In Japan steht die Einführung eines J-Coin im Zahlungsverkehr bevor. Damit wollen sich die Banken des chinesischen Usurpators Alipay erwehren. Es locken gebührenfreie Transaktionen für Händler und Kunden.Von Björn Godenrath, FrankfurtDas neue Jahr ist keine 24 Stunden alt, da flimmert schon die nächste Nachricht zur geplanten Einführung einer digitalen Währung mit staatlicher Unterstützung über den Bildschirm: Russland wolle einen “Kryptorubel” einführen, um sich besser am internationalen Kapitalmarkt zu refinanzieren, schließlich ist das Land mit Sanktionen belegt. Quelle ist Sergei Glasjew, ein Berater von Wladimir Putin in Wirtschaftsfragen. Glasjew ist sich sicher, dass mit Hilfe eines solchen Coin, der als digitale Repräsentanz eines Rubel fungieren würde, die Banken des Landes das Settlement von Transaktionen mit Gegenparteien direkt übernehmen könnten. Das ist ja genau die Konstruktion einer Blockchain: Finanzgeschäfte ohne Mittelsmann direkt abzuschließen.Putins Begeisterung für eine wie auch immer geartete nationale Kryptowährung ist bekannt, seit er sich im Sommer mit Ethereum-Erfinder Vitalik Buterin traf und seinen Stab beauftragte, eine Kryptowährungsstrategie zu entwerfen. Seitdem schießen die Spekulationen ins Kraut. Ob der russische Kryptorubel aber wirklich so schnell ins Rollen kommt? Während Moskau auf die Anonymität von Kryptotransaktionen im Interbankenzahlungsverkehr setzt, werden weltweit die Zügel angezogen bei der Transparenz von Kryptowährungshandelsplätzen, die mit dem Aufbau von KYC-Registern das letzte bisschen Anonymität verlieren. Und da alle westlichen Banken verschärfter KYC-Regulierung unterliegen, bleiben als Geschäftspartner für Russlands Kryptotransaktionen wohl nur Schwellenländerinstitute. Bezeichnenderweise hegt Venezuela ebenfalls die Ambition, einen staatlich gedeckten Coin zu schaffen, um damit neue Quellen zur Finanzierung des maroden Staatshaushalts zu gewinnen.Ebenfalls auf dem Pfad der Erkundung befinden sich die Bank of England und die schwedische Notenbank (Riksbank), die in Forschungsprojekten Konzepte zur Einführung digitaler Währung eruieren. Die Briten prüfen konkret, welche Auswirkungen es auf den Bankensektor hätte, wenn Privatkunden ihr Digitalwährungskonto direkt bei der Notenbank unterhielten – den Geschäftsbanken würde ein Depositenschwund drohen, die Gefahr eines unkontrollierten Bankrun wäre immanent. Notenbankchef Mark Carney wird zitiert, am interessantesten sei die Blockchain-Technologie im Settlement zwischen Notenbanken, denn das würde die Effizienz erhöhen und der Finanzstabilität zugute kommen. Allerdings ist auch klar, dass die Anforderungen an die Infrastruktur enorm sind in Sachen Sicherheit und Skalierbarkeit. Mizuho gibt den Takt vorBei allem, was möglicherweise an Hype hinter den tatsächlichen Einsatzchancen von digitalen Coins in hoch entwickelten Finanzsystemen steckt, so sticht doch ins Auge, dass andernorts bereits Nägel mit Köpfen gemacht werden. So haben in Japan die großen Geschäftsbanken die Sache in die Hand genommen und mit dem Segen von Notenbank und Aufsicht das Konzept für einen J-Coin entwickelt. Ein Konsortium unter Führung von Mizuho-Chef Yasuhiro Sato und der dortigen Postbank hat den J-Coin als digitales Zahlungsmittel entworfen, das im Laden per Smartphone eingesetzt werden kann.Das Gute daran: Der Dienst ist für private Nutzer und Händler kostenlos, es gilt der fixe Wechselkurs, dass ein Coin einen Yen darstellt. Bei Mizuho ist man von der Attraktivität des Systems überzeugt, sind Kartenzahlungen doch in der Regel mit zusätzlichen Gebühren verbunden. Spätestens zur Olympiade 2020 wollen Japans Banken so weit sein, Mizuho plädiert für eine nationale Lösung als offene Innovationsplattform – und will damit offenbar MUFG mit ins Boot holen, die einen eigenen Coin entwickelt hat.Dass nationale Lösungen über die Zusammenarbeit von Banken Marktanteile sichern, hat sich schon im E-Commerce-Zahlungsverkehr bewährt, wo skandinavische Länder und die Niederlande frühzeitig einheitliche Standards schufen und damit Paypal das Wasser abgruben. Strategisch ist auch der J-Coin eine defensive Maßnahme, haben bei den japanischen Banken doch die Alarmglocken geschrillt, seit Chinas Internetkonglomerat Alibaba seinen mobilen Zahlungsdienst Alipay in Japans Metropolen eingeführt hat. Die Institute fürchten, dass Alipay den Markt abräumt – und argumentieren der Regierung gegenüber, dass es um Datenschutz gehe, würden Nutzerdaten von Alipay doch auf chinesischen Servern landen.Mit ähnlichen Argumenten hatte Paydirekt in Deutschland für seinen Dienst geworben – ohne dass es die Nutzer bislang merklich honoriert hätten. Das mag auch daran liegen, dass die US-Betreiber von Cloud- und Datendiensten inzwischen angehalten sind, ihre Datenzentren vor Ort zu platzieren, um damit europäischen Datenschutzpräferenzen Folge zu leisten sowie den Anforderungen der in einem halben Jahr geltenden EU-Datenschutzgrundverordnung Rechnung zu tragen. Inmitten explodierender Big-Data-Strukturen gerät der Umgang mit Nutzerdaten zur Gretchenfrage für Banken im Rahmen ihrer Digitalisierung. Bargeld weniger nützlichJapans Banken sind also auf dem richtigen Weg mit ihrer J-Coin-Initiative. Eine weitere Stoßrichtung von J-Coin ist das Zurückdrängen von Bargeld. Die Bankenlobby hat der Regierung dargelegt, dass eine solche digitale Münze produktiver sei als Bargeld, das in dem Land für 70 % aller Transaktionsvolumina steht. Zum Vergleich: In entwickelten Volkswirtschaften beträgt die Rate im Schnitt 30 %, in Deutschland sind es 53 % des Volumens und 79 % der Anzahl von Transaktionen. In diesem Jahr wird die Bundesbank neue Daten zur Bargeldnutzung erheben.Japans Banken haben den Politikern jedenfalls vorgerechnet, dass es der Wirtschaft des Landes einen positiven Effekt von 10 Mrd. Yen – das sind bescheidene 100 Mill. Dollar – beschert, wenn die Kosten des Bargeldverkehrs entfallen, indem Gebühren im dann digitalen Zahlungsverkehr entfallen. Das ist eine Diskussion, die auch in Deutschland noch geführt werden muss. Die Institute sind ja schon dabei, den Bargeldzugang tendenziell unattraktiver zu gestalten bzw. höher zu bepreisen.Für Banken ergeben sich im elektronischen Zahlungsverkehr Möglichkeiten, Gebühren zu verlangen, ohne dass Nutzer sofort darüber stolpern – deswegen drängen Fintechs ja auch so vehement in diesen Bereich, den sie in der EU dank PSD2 nun auch in einem regulierten Rahmen betreten können. Nur wenn es den Banken gelingt, das Kundenkonto als zentralen Anker für alles an digitalen Transaktionen zu ertüchtigen, haben sie gute Karten, ihre Stellung zu behaupten.Ob technologische Innovationen wie Blockchain zu einer veränderten Infrastruktur führen und damit die Kräfte verschoben werden, ist noch nicht absehbar. Ein Konsortium von sechs internationalen Großbanken hat mit ihrem “Utility Settlement Coin” jedenfalls ein Konzept für den Interbankenzahlungsverkehr aufgesetzt. Die Idee: Liquiditätsbedarf und Gegenparteirisiken werden minimiert, indem der (per Blockchain gespeicherte) Coin direkt mit Zentralbankkonten verrechnet wird – sofern die Notenbanken das zulassen. Ende dieses Jahres soll das System für den Verrechnungscoin einen sanften Marktstart erleben und dann stufenweise ausgeweitet werden.Anfangs wird es um das Settlement von Transaktionen in unterschiedlichen Devisen zwischen zwei Banken gehen, die gegenseitig Forderungen aus einem Kapitalmarktgeschäft haben und diese mittels Coin zum aktuellen Devisenkurs in Echtzeit verrechnen. Bevor ein Settlement von Wertpapiertransaktionen erfolgen könne, müssten diese selbst auf einer Blockchain verfügbar sein, dämpft Coin-Erfinder UBS die Erwartungen. Aber das gehört ja zu den Dingen, an denen die Großbanken werkeln – die Tokenisierung von Assets auf einer Blockchain könnte da Abhilfe schaffen. Die UBS ist jedenfalls davon überzeugt, dass das Coin-Modell schon jetzt so weit entwickelt ist, dass man die regulatorische Vorgabe der Finalität des Settlement erfüllt. Anschluss ans ÖkosystemFür die Banken geht es darum, mit dem Aufbau grundlegender Coin-Ökosysteme bereit zu sein, Zusatzdienste des Zahlungsverkehrs zu entwickeln, die dann neue Ertragsquellen darstellen können. Und sollten tatsächlich eines Tages für jedermann zugängliche Zentralbankkonten für digitale Geldeinheiten bestehen, dann ist es für Banken sogar unerlässlich, über eine barrierefreie Anbindung an solche Coin-Privatkonten zu verfügen – wie sollte sonst der Kreislauf des digitalen Cash funktionsfähig sein?Das sind Dinge, über die die Arbeitsgruppe der Bank of England in einem Jahr Auskunft geben soll. Die Bank of China kommt vielleicht sogar schon früher dazu, ist doch dort seit Mitte 2017 eine “Central Bank Digital Currency Research Institution” tätig. PwC-Partner Chun Yin Cheung zufolge würde die Schaffung einer digitalen Währung zur direkten Verrechnung prima zur ambitionierten Seidenstraßen-Initiative der Regierung passen – mit Verrechnung auf Renminbi würde die Währung liquider und damit auch die Internationalisierung der Währung vorangebracht, was ja erklärtes Ziel der Regierung ist. Cheung vermutet, dass (analog zum Settlement Coin der Großbanken) ein digitaler Yuan zunächst im Interbankenbereich eingesetzt würde.