Digitale Finanzen

Banken sollten endlich Embedded Finance anpacken

Embedded Finance ist eine zukunftsweisende Entwicklung im Finanzsektor. Traditionelle Banken tun sich mit der Bereitstellung der Schnittstellen – sogenannter APIs – allerdings schwer. Daher ist mehr Entschlossenheit gefragt.

Banken sollten endlich Embedded Finance anpacken

BNPL – Vier Buchstaben stehen exemplarisch für den Siegeszug von Embedded Finance. Abgekürzt wird mit ihnen die Funktion „Buy now, pay later“, die mittlerweile von alle großen Onlinehändlern angeboten wird. Mit dieser erhalten Kunden beim Kauf eines Produkts einen Kredit, ohne dafür mit einer Bank in Kontakt zu treten. Embedded Finance meint die nahtlose Integration von Finanzdienstleistungen in das Angebot von Unternehmen, deren Geschäftsfokus ur­sprünglich nicht im Bereich Finanzen oder Banking liegt.

Der überaus erfolgreiche Ratenkauf beim Shopping ist dabei erst der Anfang: Auch andere Finanzprodukte – von Kreditkarten und Versicherungen bis hin zum Investment – werden immer häufiger von Onlinehändlern oder anderen Plattformen direkt angeboten, oftmals sogar ohne dass eine Bank in Erscheinung tritt. Wie weitreichend dieser Trend ist und in Zukunft noch werden kann, zeigt der Blick nach Asien oder in die USA. So ist in China über die Super-App Wechat bereits die Geldanlage und sogar der Immobilienkauf möglich. In den USA bieten große Marken wie Walmart den Kunden in eigenem Namen Konto und Kreditkarte an. Die Banken agieren jeweils im Hintergrund.

Einschätzungen von Branchenbeobachtern unterstreichen das Potenzial der eingebetteten Finanzdienstleistungen: Die US-amerikanische Private-Equity-Gesellschaft Lightyear Capital schätzt, dass der Markt für Embedded Finance von gegenwärtig rund 22,5 Mrd. Euro bis zum Jahr 2025 auf etwa 230 Mrd. Euro weltweit anwachsen wird. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von fast 60%. Bis 2030 schätzen Branchenexperten den Markt sogar auf bis zu 7 Bill. Dollar.

Wird Embedded Finance an der richtigen Stelle eingesetzt, entsteht eine Win-Win-Win-Situation, bei der alle Beteiligten profitieren: Die Kunden erleben eine User Journey ohne Unterbrechung, wie sie es von Amazon oder Lieferando gewohnt sind. Die Händler steigern ihre Abschlussraten, und für Finanzdienstleister bedeutet Embedded Finance die Erschließung neuer großvolumiger Erlösquellen zu geringen Akquisekosten. Ein weiterer Vorteil für die Banken: Sind ihre Produkte in digitale Plattformen integriert, werden dort ständig Daten generiert, aus denen sich wiederum neue Geschäftsmodelle entwickeln lassen.

Ertragschance verpasst

Dennoch agieren die traditionellen Banken zögerlich und überlassen das lukrative Geschäftsfeld Herausforderern wie der Solarisbank, die als Tech-Unternehmen mit Banklizenz in Deutschland zu den führenden Anbietern im Em­bedded-Finance-Bereich ge­hört. Über die Banking-as-a-Service-Plattform des Unternehmens können Nichtbanken den gewünschten digitalen Bank-Service in den eigenen Auftritt oder das eigene Produkt integrieren. Die Solarisbank agiert unsichtbar im Hintergrund und kümmert sich um die Prozesse, Abwicklung und Regulatorik. In den vergangenen Jahren hat die Solarisbank nach eigenen Angaben ihren Umsatz um jeweils 80 bis 90% gesteigert. Für die Zukunft strebt sie ein Umsatzwachstum von 40 bis 60% an.

Warum traditionelle Banken diese enormen Ertragschancen liegenlassen? Ein Grund dafür ist, dass sie sich vor dem Verlust der Kundenschnittstelle fürchten. Denn bei vielen Embedded-Finance-Modellen tritt die Bank nicht mehr als Marke in Erscheinung und es besteht die Befürchtung, dass in der Folge Kundenbindung und Vertrauen leiden. Dieses Argument zählt jedoch nicht, denn der Kunde wünscht ganz eindeutig diese neue Form von Finanzdienstleistung. Da­her wird sie an Bedeutung gewinnen – ob mit der Beteiligung klassischer Banken oder ohne.

Ein zweites Hindernis liegt in der Kombination der Ebenen Business, Organisation und Technologie. APIs – die für Embedded Banking notwendigen technischen Schnittstellen – müssen stärker als digitales Produkt betrachtet werden. Im Vergleich zu herkömmlichen Services sind jedoch nicht die Endkunden die Nutzer, sondern die Entwickler, die diese API nutzen sollen. Diese Zielgruppe muss von der Nutzung­ der API begeistert werden. Für die Bank-IT-Organisation be­deutet es, dass die API-Entwicklung und die Delivery stärker zusammenwachsen müssen, um schnell auf Kundenwünsche reagieren zu können.

Zudem sollten Banken die neuen API-Produkte nicht in ihre be­stehenden Prozesse integrieren, da diese alten Bankprozesse meistens stark mit dem in die Jahre gekommenen Kernbankensystem vernetzt sind, wodurch das neue Produkt an Schnelligkeit und Flexibilität verliert. Es müssen somit leichte und neue Prozesse aufgesetzt werden.

Zeit zum Umdenken

Um die Chancen zu nutzen, braucht es innerhalb der Banken dringend das entsprechende Know-how und Verantwortliche, die sich auf API-basierte Geschäftsmodelle und Wertströme einlassen – und nicht nur in Kontogebühren, Krediten und Aktienhandel denken. Sie müssen sich fragen, welche Services sie welchen Playern gewinnbringend zur Verfügung stellen wollen. So können sie zum Beispiel Zugang zum Customer Onboarding (inkl. Anti-Money-Laundering- und Know-your-Customer-Prozessen) bieten, Dritten ihre Risikobewertung von Unternehmen zugänglich machen oder Versicherungen an­bieten. Denn auch im B-to-B-Geschäft bietet Embedded Finance enorme Chancen. Im Bereich kleine und mittlere Unternehmen zeigt das unter anderem Shopify, die führende Cloud-basierte Multi-Channel-Commerce-Plattform. Sie vergibt in den USA bereits Kurzkredite an Unternehmen. Das ist für die Unternehmen bequem und aufgrund der umfangreichen Daten, auf die Shopify zugreifen kann, können Kreditentscheidungen einfach getroffen werden. 

Banken, die solche neuen Geschäftsmodelle erschließen wollen, sollten sich Partner suchen und gemeinsam mit ihnen erste Pilotprojekte starten: Wenn zum Beispiel ihre Firmenkunden eine Maschine verkaufen wollen, könnte die Finanzierung direkt über den Hersteller erfolgen, ohne dass sich der Kunde mit der Bank in Verbindung setzen muss. In einem zweiten Schritt kann auf dieser Basis bei der Finanzierung von Maschinen über innovative Pay-per-Use-Modelle nachgedacht werden.

Entscheidend ist es auf jeden Fall, zügig erste Schritte zu gehen, denn welche weiteren Möglichkeiten sich ergeben, zeigt sich oft erst, wenn Partner beginnen, mit APIs zu arbeiten. Zudem sollten traditionelle Banken auch mit Start-ups zusammenarbeiten, Ausgründungen wagen oder sich an neuen Firmen beteiligen. Denn noch können sie durchaus mit ihrem guten Namen und ihrer Marktmacht punkten und sich ihren Platz im wachsenden Embedded-Finance-Markt sichern.

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