GASTBEITRAG

Banken und Fintechs - Rivalen oder Partner?

Börsen-Zeitung, 5.8.2020 Der Druck auf Banken steigt. Neben dauerhaft niedrigen Zinsen und den aktuellen Herausforderungen, die die Coronakrise mit sich bringt, machen Fintechs bereits seit einiger Zeit den traditionellen Banken Marktanteile...

Banken und Fintechs - Rivalen oder Partner?

Der Druck auf Banken steigt. Neben dauerhaft niedrigen Zinsen und den aktuellen Herausforderungen, die die Coronakrise mit sich bringt, machen Fintechs bereits seit einiger Zeit den traditionellen Banken Marktanteile streitig. Banken müssen ihre Vertriebsmodelle und Produktangebote überdenken, um den Anforderungen der Kunden gerecht zu bleiben, die stetig digitaler und mobiler denken und handeln. Schaffen sie diese Entwicklung nicht, werden sie langfristig Marktanteile und auch Kunden verlieren. Kunden sind wechselfreudigerBanken haben sich in der Vergangenheit gerne darauf verlassen, dass deutsche Bankkunden eine gewisse Bequemlichkeit an den Tag legen und ihrer Hausbank lieber treu bleiben, als einen neuen Anbieter zu suchen – auch wenn sie mit den Dienstleistungen und Angeboten eigentlich eher unzufrieden sind. Doch Millennials oder die Generation Z erweisen sich als deutlich wechselfreudiger als noch die Generation der Babyboomer. Diese Digital Natives stehen den Angeboten ihrer Hausbanken kritischer gegenüber und ärgern sich schneller über unzureichende Dienstleistungen, langsame Abläufe oder hohe Kosten. Deshalb nutzen sie neue Dienstleistungen aus der Fintech-Branche im Eiltempo.Ihre Ansprüche an Bankdienstleistungen sind andere als die ihrer Eltern. Sie sind digital sozialisiert und begeistern sich dementsprechend für Lösungen, die mobil nutzbar sind und ohne viel bürokratischen Aufwand auskommen. Anleger und Bankkunden sind heute mehr denn je auf der Suche nach digitalen Lösungen, die unkompliziert und intuitiv nutzbar sind – entsprechend offen sind sie für alternative Banking-Angebote von Fintechs wie den Neobanken N26 und Revolut oder Transferwise.Diese Einsicht ist inzwischen auch bei den klassischen Banken angekommen. Sie haben erkannt, dass das Festhalten am Status quo langfristig keine Option mehr für sie ist. Es stehen bereits neue Akteure in den Startlöchern, die ihnen die Kunden streitig machen. Sollten traditionelle Bankhäuser nun ihr Produktportfolio radikal umbauen, um damit attraktiver für neue Zielgruppen zu werden? Oder ist der Zug für Banken bereits abgefahren? Können sie den disruptiven Anbietern neuer Technologien im Bankensektor nur noch hinterherschauen?Es gibt einfachere Lösungen: Eine nachhaltige Möglichkeit, den Gefahren der jüngeren, hipperen und digitaleren Konkurrenten zu begegnen, besteht darin, sie zu Verbündeten zu machen. Inzwischen zeigen sich viele Verantwortliche in Banken offen für Kooperationen mit Fintechs. Um einerseits von deren fachlichem Know-how in einzelnen Bereichen der digitalen Transformation zu profitieren, aber sicherlich auch um selbst besseren Zugang zu den neuen Kundengruppen zu bekommen, die sie mit dem eigenen Angebot nicht mehr erreichen würden. So hat etwa die französische Société Générale kürzlich die junge Online-Bank Shine aufgekauft, deren Kunden vor allem Freelancer und Selbständige sind. In Deutschland arbeiten mittlerweile zwar die meisten großen Banken auf die ein oder andere Weise mit Fintechs zusammen. Allen voran die Commerzbank, die sogar einen eigenen Gründer-Hub gestartet hat, um die Entwicklungen der Fintech-Szene nicht nur nutzen, sondern auch mitgestalten zu können. Dennoch scheint der Mut – und auch die Strategie – für den großen Wurf hierzulande noch zu fehlen. Während Finanzinstitute in den USA Milliardenbeträge für erfolgreiche Fintechs ausgeben, muss sich die Commerzbank vorwerfen lassen, in ihrer aktuellen Umbruchphase kein wirkliches Konzept zur nachhaltigen Integration ihres Fintech-Portfolios in das eigene Kerngeschäft zu haben. An Banken anlehnenDie Notwendigkeit von Kooperationen ist aber mitnichten einseitig. Nicht nur etablierte Banken, auch Fintechs profitieren von einer Zusammenarbeit. Denn auch die Banken verfügen nach wie vor über starke Trümpfe, von denen Fintechs in der Regel nur träumen können, wie beispielsweise einen großen Kundenstamm oder einen hohen Bekanntheitsgrad. Auch bei regulatorischen Fragen verfügen klassische Banken über mehr Erfahrung und Fachwissen, das Fintechs ihrerseits nutzen können. Partner für TransformationDie Varianten der Zusammenarbeit können vielfältig sein. Von zeitlich begrenzten Kooperationen, bei denen einzelne Projekte gemeinsam umgesetzt werden, bis zum Aufkauf oder sogar Eigengründung von Fintechs mit Integration in den eigenen Konzern ist prinzipiell alles möglich. Welchen Weg ein Finanzinstitut geht, hängt schließlich auch von dessen Zielen und Ressourcen ab. Die konkrete Form der Kooperation ist am Ende aber nicht der ausschlaggebende Punkt. Wichtig ist, dass die Banken Fintechs nicht als Konkurrenten oder gar “Feind” sehen, sondern als wertvollen Partner, der sie bei der digitalen Transformation und Weiterentwicklung unterstützt.Ein beispielhafter Bereich, in dem Finanzinstitute bereits auf die Expertise und den Ideenreichtum von Fintechs setzen, sind Blockchain-Anwendungen, die für die gesamte Finanzbranche immer mehr an Bedeutung gewinnen. Bei dieser Technologie finden gerade Fintechs immer neue Einsatzbereiche, welche sich schon lange nicht mehr nur auf Kryptowährungen wie Bitcoin beschränken. Vielmehr entwickeln Fintechs ständig neue Anwendungen, etwa Smart Contracts, digitale Zahlungsmöglichkeiten oder KYC-Anwendungen. Alles Entwicklungen und Innovationen, bei denen Banken für die interne Umsetzung häufig gar nicht über die nötige Expertise und Ressourcen verfügen. Aus dem Fintech-BaukastenDie Führungsetagen klassischer Bankhäuser mögen die digitale Transformation der Finanzbranche noch kritisch betrachten. Sie sehen vielleicht Themen wie Blockchain, Robo-Advisor oder künstliche Intelligenz als Bedrohung des vertrauten eigenen Geschäftsmodells an. Die Anforderungen der Kunden wandeln sich oder haben sich schon gewandelt. Viele dieser Lösungen für neue Kundenbedürfnisse sind bei Start-ups bereits vorhanden. Für Banken ist es deshalb umso wichtiger, Fintechs als Chance zu verstehen, den Wandel der eigenen Branche mitgestalten zu können, und sie entsprechend in die Unternehmensstrategie einzubinden – und sich nicht nur aus Imagezwecken mit den Namen digitaler Start-ups zu schmücken. Max J. Heinzle, CEO und Gründer der 21.finance AG/area2invest