Banken, werdet Vorreiter im Zahlungssektor!
Banken machen sich zunehmend Sorgen, die Kontrolle über die Entwicklungen im Zahlungsverkehr zu verlieren. Diese Bedenken sind sicherlich berechtigt, denn jüngste Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Tagesordnung der Banken zunehmend von den Anforderungen anderer gelenkt wird.Banken mussten oftmals die von anderen getriebenen Veränderungen umsetzen – unter großem Zeitdruck und mit hohen Kosten. Beispiele dafür sind die Vorgaben der Regulierungsbehörden (PSD 2, Sepa) und des Handels (paneuropäische Lösungen) sowie die Einführung neuer Technologien und die Herausforderung durch neue Wettbewerber (Fintech, Challenger Banks, Big Tech) im Zahlungssektor. Banken klagen oft über die Mühe, Schritt zu halten. Vielleicht wäre es für Kunden und die Banken selbst daher hilfreich, die Agenda wieder mehr selber zu steuern und vorwärts zu treiben. Damit wären Banken weniger getrieben, und Kundenlösungen würden schneller auf den Markt kommen. Nur beobachten reicht nichtViele Banken beobachten neue Entwicklungen und übernehmen bewusst ausgewählte Veränderungen, die auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren und zu ihrer Strategie passen. Dies ist ein guter erster Schritt, er ist jedoch noch weit davon entfernt, auf diesem Weg “die Kontrolle zurückzugewinnen”, da dies die Branche nicht ausreichend prägt und formt. Dieses Agieren entspricht mehr der Rolle eines Mitläufers, bestenfalls einem freiwilligen Engagement, als der Rolle eines Vorreiters und Gestalters. Die auf diesem Wege identifizierten Themen werden in der Regel eher von einzelnen Banken oder Bankengruppen (zum Beispiel als regionale Lösung) aufgegriffen. Daher gibt es eine Fragmentierung der Branche, und es entwickelt sich keine gemeinsame Initiative.Besser wäre es, die Entwicklungen gemeinsam mit den anderen Akteuren des Zahlungssektors aktiv und zeitnah zu gestalten. Allerdings ist dies für einzelne Banken mit begrenzten Ressourcen nicht immer einfach, und für Bankengruppen kann es aus Wettbewerbsgründen schwierig sein. Für eine ganze Branche ist es bedeutend schwerer, sich gemeinsam zu bewegen, da sich viele Akteure miteinander abstimmen müssen. Um es mit einer Metapher zu sagen: Banken werden nie von der Schildkröte zum Hasen werden – und das sollten sie auch nicht. Denn: Zuverlässigkeit, Stabilität und Compliance sind ein wesentlicher Vorteil der Banken gegenüber den anderen Marktteilnehmern. Aber es wäre zu überlegen, ob man die Initiative durch intelligente Ansätze zurückgewinnen könnte und weniger den Entwicklungen hinterherlaufen müsste.Dies erfordert einen strategischen Ansatz, der es schafft, potenziell größere zukünftige Gewinne und strategische Positionen mit den aktuellen Unsicherheiten und möglicherweise sogar anfänglichen Verlusten in Einklang zu bringen. Es ist wichtig, das Gesamtbild zu betrachten, denn bei einer echten unternehmerischen Führung geht es darum, Entscheidungen zu treffen, ohne alle Fakten – zum Beispiel, ob es einen kurzfristigen Business Case geben und worauf er basieren wird – zu kennen, und ohne die 100-prozentige Garantie, die richtige Wahl zu treffen.Banken haben in der Vergangenheit gezeigt, dass dies möglich ist. Ein Beispiel ist iDeal, vor mehr als zehn Jahren von niederländischen Banken gegründet. iDeal ist eine erstklassige Lösung für Online-Zahlungen, die sich bis heute gegen alle Wettbewerber durchgesetzt hat und erstaunliche Wachstumsraten aufweist. Überdies sahen skandinavische Banken die Notwendigkeit und Möglichkeit, führende Lösungen für bankbasierte Identität (BankID) und mobile Lösungen (Swish) zu entwickeln. Ebenjene Entwicklungen haben unter anderem dafür gesorgt, dass Kundenbeziehungen, Daten und Gewinne auch weiter bei den Banken liegen. Die Kontrolle zurückerobernDie Frage ist, wie ein solcher neuer, proaktiver Ansatz in der Praxis funktionieren könnte. Die folgenden Schritte bilden einen Anfang:1. DiagnoseEin erster Schritt ist eine offene Diskussion innerhalb der wichtigsten Bankengemeinschaften. Dabei sollte diskutiert werden, wie Banken durch eine proaktive Strategie, die neue und zukünftige Entwicklungen beinhaltet, die Kontrolle wiedererlangen können, bevor jemand sie in eine bestimmte Richtung drängt. Außerdem wäre es sinnvoll, eine “Koalition von Willigen” aufzustellen, die alle dazu bereit sind, die weiteren Entwicklungen tatkräftig mitzugestalten.2. StrategieAls nächsten Schritt sollten Banken eine gemeinsame Initiative aller Bankengruppen ins Leben rufen, um die aktuell anstehenden Zukunftsvisionen zu untersuchen und den Sektor gemeinschaftlich voranzubringen. Der neue Ansatz sollte beispielsweise auf aktuellen Entwicklungen wie Open Banking und Instant Payment aufbauen, denn dies sind Themen, bei denen Europa weltweit führend ist. Natürlich wird es zwischen den Gemeinschaften und unter Banken unterschiedliche Auffassungen darüber geben, wie es diesbezüglich weitergeht, aber es ist unbedingt notwendig, lokale und individuelle Interessen zum Wohle des gesamten Sektors und Europas beiseitezulegen.3. UmsetzungWenn der Wille zu mutigem Handeln vorhanden ist, sollten die Ergebnisse dieses gemeinsamen Ansatzes selbstbewusst mit Regulierungsbehörden diskutiert werden. Wenn die Regulierungsbehörden sehen, dass die Banken schneller Veränderungen vornehmen, werden sie weniger Anreiz haben, eine präventive Regulierung zu entwickeln oder gegen das vorzugehen, was sie als (bevorstehendes) Marktversagen ansehen. Regulatoren können den Prozess noch stärker moderieren und einen größeren Anteil an der Problemlösung haben. Es gewinnen alle – insbesondere Kunden und die Banken selbst. Michael Salmony, Executive Adviser to the Board des Zahlungsabwicklers Equensworldline