SERIE: WO VERDIENEN BANKEN NOCH GELD ? (1)

Bankenland ist abgebrannt

Wie sich die Ertragsstruktur in Deutschlands Kreditwirtschaft verändert - Neue Serie in der Börsen-Zeitung

Bankenland ist abgebrannt

Seit Jahren schon klagt Deutschlands Kreditwirtschaft über erodierende Erträge. Diesmal könnte sich das Lamento tatsächlich bewahrheiten.Von Bernd Neubacher, FrankfurtNach allem, was man hört und liest, ist der Finanzsektor nicht mehr in der Lage, ausreichend Erträge zu erzielen, ließe sich ein inzwischen berühmter Satz des ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs Rolf Breuer abwandeln. Wer Bankvorstände in diesen Tagen so reden und klagen hört, könnte in der Tat meinen, das Bankgeschäft bestehe nicht mehr so sehr darin, Erträge zu erzielen, als vielmehr darin, Kosten zu reduzieren. Stetes LamentoWahr ist freilich auch: Bankvorstände lamentieren schon seit Jahren, das Klappern der Gebetsmühle ist jedermann schon lange im Ohr. Manch einer stumpft da bereits ab. Dass etwa, was die Anforderungen des Baseler Ausschusses an Kapital und Liquidität angeht, “die Summe der Belastungen erheblich ist und die Banken zu überfordern droht”, beklagte der Bundesverband deutscher Banken schon im September 2010, als viele Institute noch mit aus heutiger Sicht als anämisch zu bezeichnenden Kapitalquoten operierten und die Umsetzung von Liquiditätsquoten noch Jahre in der Zukunft lag.Hat die Kreditwirtschaft Öffentlichkeit und Politik an ständiges Klagen gewöhnt? Es wäre nachvollziehbar, aber dennoch fatal. Denn derzeit sieht es ganz so aus, als stehe es diesmal wirklich richtig ernst um die Branche: Kaum ein Geschäftsgebiet, in dem Nullzinsen, Regulierung oder Digitalisierung den Banken nicht das Leben sauer machen. Mit Zitronen gehandelt haben vor allem solche Banken, die nach Eskalation der Finanzkrise dem Rat von Aufsehern und Regulierern gemäß vermeintlich stabile Geschäftsfelder wie das Retail und Corporate Banking forcierten: Denn im Massengeschäft zerreibt der negative Einlagenzins der Europäischen Zentralbank bekanntlich mit zunehmender Dauer die Erträge, während das Provisionsgeschäft in einem Ozean der Bürokratie versinkt. Rein digitale Wettbewerber drohen unterdessen den Banken Kunden abspenstig zu machen, vor allem im Zahlungsverkehr, der lange Zeit als das über Zyklen hinweg stabilste und verlässlichste Geschäftsfeld der Banken galt.Aufs Corporate Banking wiederum schlagen die Folgen der Geldpolitik noch härter durch, da Banken kurzfristige Depositen von Unternehmenskunden, anders als im Retail Banking, infolge aufsichtsrechtlicher Vorgaben nicht modellieren und in Teilen als langfristige Kredite ausreichen dürfen. Zudem macht sich nun die EZB noch daran, mit ihren Käufen von Unternehmensanleihen den Banken das Corporate Banking madig zu machen, da manche Gesellschaft lieber eine Anleihe emittieren dürfte, die ihr die Notenbank abnimmt, als einen Bankkredit aufzunehmen. Damit gerieten im gesamten Geschäft der Firmen- und Unternehmenskunden die Margen weiter unter Druck, beklagt etwa Herbert Hans Grüntker, Vorstandsvorsitzender der Helaba. Auch im Investment Banking ist die Lage ernst. Striktere Vorgaben für die Eigenkapitalunterlegung haben dort viele Aktivitäten unrentabel werden lassen. Bankenland ist abgebrannt. Auszehrung drohtSteht nun der gesamte Sektor wie seinerzeit das Imperium des Medienunternehmers Leo Kirch, auf das sich Breuers Aussage 2001 bezog, vor dem Aus? Kaum, doch es droht Schritt für Schritt eine Auszehrung der operativen Basis und damit der ökonomischen Relevanz der Institute. Am Kapitalmarkt haben sie sich schon vor längerer Zeit marginalisiert. Die Deutsche Bank zum Beispiel bringt an der Börse nur noch ungefähr ein Viertel ihres Buchwerts auf die Waage.Wie die Unternehmensberatung Bain schon im Oktober 2014 herausfand, verdienten in den Jahren 2010 bis 2013 nicht einmal 6 % der deutschen Banken ihre Eigenkapitalkosten. 2014 klaffte zwischen den durchschnittlichen Eigenkapitalkosten von 7,7 % und der Eigenkapitalrendite von 2,1 % eine stolze Lücke von 5,2 Prozentpunkten (siehe Grafik). Dabei ist, was Kostensenkungen angeht, “die Zitrone schon ziemlich ausgepresst”, wie Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret kürzlich diagnostizierte. Wer will da schon an der Börse in Bankenwerte investieren? Drei Viertel weniger GewinnIm vergangenen Jahr ist der Vorsteuergewinn der zehn großen, international tätigen deutschen Banken, die Konzernabschlüsse auf IFRS-Basis veröffentlichen, um 75 % eingebrochen, wie der Ausschuss für Finanzstabilität Ende Juni berichtet hat. Das liegt vor allem am Ergebnisdesaster der Deutschen Bank, die es schaffte, bei Erträgen von rund 34 Mrd. Euro einen Rekordfehlbetrag von knapp 7 Mrd. Euro einzufahren. Die Gesamtkapitalrendite, also das Jahresergebnis vor Steuern im Verhältnis zur Bilanzsumme, sackte damit bei den zehn Instituten auf insgesamt 0,05 % ab. Noch blieben die Effekte der “niedrigen und voraussichtlich noch länger niedrig bleibenden Zinsen” auf die Ertragslage deutscher Banken begrenzt, hieß es dabei. Die Erwartung eines länger bestehenden Niedrigzinsumfelds berge aber die Gefahr, dass Marktteilnehmer zur Steigerung der erwarteten Rendite verstärkt Risiken eingehen, ohne eine angemessene Risikovorsorge zu betreiben. Der Spielraum ist begrenztIm Jahr davor war die Stimmung tatsächlich noch schlechter als die Lage gewesen, wie der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank im September vergangenen Jahres belegte. Für 2014 bescheinigte die Zentralbank den Instituten darin einen Anstieg ihres Jahresüberschusses um 13 % auf 24,2 Mrd. Euro, nicht zuletzt dank eines positiven realwirtschaftlichen Umfelds. Kurioserweise hatten die Banken dabei ausgerechnet den Zinsüberschuss verbessert, auf den nicht weniger als 74,4 % der operativen Erträge entfielen. Eine verstärkte Fristentransformation, “eine spürbare Volumenausweitung der Kreditvergabe sowie erheblich gesunkene Refinanzierungskosten” stünden dahinter, teilte die Bundesbank mit. Sie schrieb auch: “Der Spielraum für zukünftige Margenstabilisierungen dürfte aber aufgrund des mittlerweile sehr niedrigen Niveaus der Zinsaufwendungen zunehmend begrenzt sein. So bieten die nahe an der Null-Prozent-Grenze liegenden Einlagenzinssätze nicht zuletzt aus geschäfts- und wettbewerbspolitischer Sicht für eine weitere Absenkung nur noch wenig Möglichkeiten.” Schleifspuren zeigen sichIm laufenden Jahr sind die Schleifspuren schon sichtbar geworden. So prognostiziert die genossenschaftliche Finanzgruppe nach einem Gewinnrückgang um 8 % im vergangenen Jahr für 2016 ein abermals sinkendes Ergebnis. Die Mittelstandsbank der Commerzbank meldet für das erste Halbjahr einen Einbruch des operativen Ergebnisses um 39 % auf 412 Mill. Euro (siehe Bericht Seite 3), während die Deutsche Bank für die erste Jahreshälfte in der Sparte Corporate & Investment Banking einen Rückgang um 43 % auf 747 Mill. Euro vor Steuern berichtet.Wo verdienen Banken heute noch Geld? Dieser Frage wird die Börsen-Zeitung in den kommenden Wochen im Zuge einer Serie nachgehen. In deren Verlauf richtet sie den Blick nicht nur darauf, wie sich die Ertragskraft einzelner Sparten deutscher Banken entwickelt. Im Fokus stehen auch konkrete Beispiele von Kreditinstituten sowie die Situation in anderen Ländern, wo die Kreditwirtschaft schon sehr viel länger mit negativen Zinsen lebt. Thema sind aber auch Beispiele von Banken sein, für die es nach wie vor Brei regnet, die Frage, warum dies so ist, sowie neuartige Modelle, die Banken verfolgen, um sich der Ertragserosion entgegenzustemmen. Lesen Sie mehr in den kommenden Ausgaben der Börsen-Zeitung.