Bankenregulierung – zukunftsfähig für die Transformation?
Wirtschaft und Finanzsystem haben mit der Covid-Pandemie und dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine innerhalb kürzester Zeit zwei exogene Schocks erlebt. Die ökonomischen Folgen des Krieges werden uns gerade schonungslos vor Augen geführt: Dramatisch gestiegene Energiekosten gehen mit immensen Belastungen für Unternehmen und Verbraucher einher.
In beiden Schockphasen kam und kommt es auch auf die Kreditwirtschaft an. Mit ihrer langjährigen Erfahrung haben Banken und Sparkassen während der Pandemie ihren Unternehmens- und Privatkunden zur Seite gestanden und die Kreditvergabe sichergestellt. Auch in der jetzigen Situation sind sie sich ihrer Verantwortung bewusst. Doch es geht nicht nur um akute Krisenbewältigung: Die Kreditwirtschaft hat eine essenzielle Rolle bei der wirtschaftlichen Transformation in Richtung Klimaneutralität und Digitalisierung. Hierfür brauchen wir starke Institute. Um die Leistungsfähigkeit der Kreditwirtschaft langfristig zu sichern, sind die ordnungspolitischen Leitplanken von entscheidender Bedeutung. An diesen ist in den vergangenen knapp 15 Jahren viel gearbeitet worden, um die Finanzstabilität nachhaltig zu stärken. Neue Vorgaben wurden eingeführt, bereits bestehende regulatorische Vorschriften signifikant verschärft.
Rückblickend ist in diesem Zeitraum eine zunehmend detailbesessene Bankenregulierung entstanden, die den Verwaltungsaufwand sowohl für die Institute als auch für die zuständigen Behörden immer höher getrieben hat. Mit der europäischen Implementierung von Basel III soll der Schlusspunkt unter die regulatorische Aufarbeitung der Finanzmarktkrise 2008 gesetzt werden.
Aber wie wird der weitere regulatorische Fahrplan nach Basel III aussehen? Aus unserer Sicht sollten folgende Eckpunkte beachtet werden:
Langfristiges regulatorisches Gesamtbild definieren: Die Deutsche Kreditwirtschaft plädiert nach Basel III mindestens für ein Innehalten und idealerweise für einen Neustart in Sachen Regulierung unter dem Motto „Große Linien statt Klein-Klein“ sowie „stärkere Prinzipienorientierung statt Detailversessenheit“. Um neue Vorhaben passgenau in ein langfristiges regulatorisches Gesamtbild einzubetten, sollte der Austausch zwischen Politik, Aufsicht und der Kreditwirtschaft weiter intensiviert werden. Ein Beispiel sind die vielschichtigen Melde- und Offenlegungspflichten, die gegenüber verschiedenen Behörden erfüllt werden müssen. Aufgrund der exponentiell gestiegenen Anforderungen an Berichtstiefe, -breite und -frequenz sowie unterschiedlichsten Daten-Empfängern wird das regulatorische Gesamtbild zunehmend unklar. Widersprüchliche Regeln entstehen, wenn parallel Regulierungsinitiativen auf europäischer und internationaler Ebene verfolgt werden – wie bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Regulierung wird teilweise schon weiterentwickelt, noch bevor die letzten Regeln in Kraft gesetzt worden sind. Ein regulatorisches Gesamtbild könnte hier für ein stabiles und planbares Umfeld sorgen.
Prinzipienorientierung ermöglichen – Verhältnismäßigkeit gewährleisten: Insbesondere bei übergeordneten Themen wie Nachhaltigkeit oder künstliche Intelligenz (KI) sollte ein stärker prinzipienorientierter Regulierungsansatz verfolgt werden. Instituten muss ausreichend Gestaltungsspielraum für individuelle Lösungen ermöglicht werden; Wachstumspotenzial neuer Technologien darf nicht durch eine detailliert ausbuchstabierte Regulierung ausgebremst werden. Die Praxis zeigt, dass die bisher eingeräumten regulatorischen Erleichterungen für kleinere Institute nicht ausreichen, um diese angemessen zu entlasten. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit sollte konsequenter auf alle Regelungsbereiche ausgedehnt werden.
Krisenerfahrungen nutzen: In den jüngsten Krisen haben Politik, Aufsicht und Institute praktische Erkenntnisse darüber gesammelt, welche regulatorischen Hebel umgelegt werden können, um kurzfristig operative Entlastungen zu erwirken – ohne die Finanzstabilität zu gefährden. Auf diese Erfahrungen sollte aufgebaut werden, zum Beispiel mit Blick auf die verschiedenen Kapitalpuffer oder die institutsseitig zu erstellenden Sanierungspläne.
Europäisches Level Playing Field: Bei der Vereinheitlichung des Regelwerks auf europäischer Ebene konnten bereits erhebliche Fortschritte erzielt werden. Gleichwohl bestehen weiter große Divergenzen durch unterschiedliche nationale Regeln und Aufsichtspraktiken. Weitere Schritte in Richtung eines einheitlichen Rahmenwerks für grenzüberschreitend tätige Institute sind daher notwendig.
Same Services, same risks, same rules: Grundsätzlich sollten Regulierung und Aufsicht aktivitätenbezogen erfolgen, so dass jedes Unternehmen, das Finanzdienstleistungen anbietet, denselben Regeln unterliegt. Bei Kreditinstituten greifen allerdings für bestimmte Dienstleistungen härtere Anforderungen als bei weniger bzw. unregulierten Wettbewerbern. Sachgerecht wäre eine risikoorientierte Regulierung des Bankgeschäfts – unabhängig davon, wo und von wem es betrieben wird.
Der Finanzsektor ist heute stabiler als vor 15 Jahren. Deshalb sollte das Regulierungsleitbild zukunftsorientiert sein und nicht mehr ausschließlich von den Erfahrungen der Finanzkrise beherrscht werden. Die Institute müssen die Möglichkeit haben, auf die sich immer schneller ändernden Rahmenbedingungen schnell genug reagieren zu können, ohne im Klein-Klein der Regulierung hängen zu bleiben. Die Aufsicht würde effizienter werden. Nur so können wir die großen Finanzierungsherausforderungen stemmen.
*) Dieser Beitrag wurde gemeinsam mir vier weiteren Autorinnen und Autoren verfasst: Karolin Schriever, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutscher Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Daniel Quinten, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Iris Bethge-Krauß, Hauptgeschäftsführerin und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (VDP).