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Bankenstiftungen im Kreuzfeuer der Kritik

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 9.1.2014 Spätestens seit die Stiftung Monte dei Paschi di Siena (MPS) die für Januar vorgesehene Kapitalerhöhung der Problembank aus Siena abgelehnt hat, stehen Italiens Bankstiftungen im...

Bankenstiftungen im Kreuzfeuer der Kritik

Von Thesy Kness-Bastaroli,MailandSpätestens seit die Stiftung Monte dei Paschi di Siena (MPS) die für Januar vorgesehene Kapitalerhöhung der Problembank aus Siena abgelehnt hat, stehen Italiens Bankstiftungen im Kreuzfeuer der allgemeinen Kritik. Das Schatzamt will ein neues Gesetz erlassen, welches den Einfluss der öffentlichen Stiftungen auf die laufende Geschäftsführung der Banken einschränken und Spekulationen oder Risiko-Investitionen der Stiftungen bremsen soll. Politisches InteresseDer Wirtschaftsprofessor der Mailänder Elite-Universität Bocconi, Tito Boeri, kritisiert das politische Machtstreben einiger Bankstiftungen. “Politisches Interesse hat gegenüber dem wirtschaftlichen Vernunftdenken bei der Stiftung MPS den Vorrang gehabt”, meint Boeri und verweist darauf, dass nicht nur die Stiftung MPS, sondern auch mehrere Bankstiftungen kleinerer Regionalbankendasselbe Ziel verfolgen: die Banken als politische Pfründe für ihre Ambitionen zu nutzen.Italiens Bankstiftungen, “Fondazioni”, wurden Anfang der neunziger Jahre im Zug der Sparkassenprivatisierungen gegründet. Aktionäre der Stiftungen sind die Vertreter der lokalen Körperschaften, Regionen, Provinzen und Kommunen. Sie haben in der Regel die Mehrheit der Sitze im Verwaltungsrat der Stiftungen und bestimmen insofern auch die Strategie. Vorgesehen war, dass Stiftungen vor allem Infrastrukturen und soziale Investitionen in ihren Regionen fördern. Allerdings haben einige der Stiftungen primär in “ihre” Banken investiert und andere Investitionen vernachlässigt. Dies war der Fall bei der Stiftung Monte dei Paschi di Siena, die in drei Jahren das Stiftungskapital auf ein Zehntel verkleinerte und durch Fehlspekulationen, wie etwa Investitionen in eine vor dem Konkurs stehende Immobiliengesellschaft, die seit 2010 rote Zahlen schreibt. Die Stiftung MPS hat inzwischen 350 Mill. Euro Schulden angehäuft und kann daher bei der geplanten Kapitalerhöhung von MPS nicht mitmachen.”Die Stiftung aus Siena mit 35 % Anteilen an der Problembank Monte dei Paschi hat nicht gezögert, ihr Stimmrecht zu nutzen, um die Kapitalerhöhung aufzuschieben. Die Stiftung wusste bestens über die Notwendigkeit der von der zuständigen EU-Kommission geforderten Kapitalaufstockung Bescheid und wusste auch, dass eine Verzögerung der Transaktion Zinszahlungen von mindestens 120 Mill. Euro kosten und ein Aufschub das Gelingen der Kapitalerhöhung von 3 Mrd. Euro gefährden würde”, kritisiert Prof. Boeri das Verhalten der Stiftung. Offensichtlich war der Stiftungspräsidentin Antonella Mansi der Fortbestand ihres politischen Einflusses auf die Bank wichtiger als deren Sanierung. Insofern ist die Zukunft der drittgrößten Bank Italiens derzeit unsicherer denn je. In der kommenden Woche wollen Bankpräsident Alessandro Profumo und CEO Fabrizio Viola entscheiden, ob sie kündigen. Viola hat angeblich ein Angebot für einen Chefposten bei der Banca Popolare di Milano. Angeblich hatte Profumo bereits mittels der Schweizer Bank UBS Finanzinvestoren gefunden, die in MPS investieren wollten. Dies scheint aber den Stiftungsinteressen zu widersprechen. Präsidentin Mansi bestätigte, dass Monte Paschi di Siena auch in Zukunft unter Einfluss der Stiftung und nicht ausländischer Finanzinvestoren stehen soll. Sie plant angeblich, mit Hilfe anderer Bankstiftungen die Kapitaloperation von 3 Mrd. Euro zu stemmen. “Die wahre Absicht der Stiftung ist, eine Marktoperation zu verhindern”, vermutet aber Prof. Boeri. So hat eine der größten Bankstiftungen des Landes, Compagnia Sanpaolo (mit 10 % Großaktionär von Banca Intesa Sanpaolo), bereits ein entsprechendes Vorhaben abgelehnt. Schiefes LichtZweifellos hat der Fall der Stiftung MPS ein schiefes Licht auf die gesamte Branche geworfen. Doch ist Monte dei Paschi kein Einzelfall. In den letzten Monaten sind mehrere kleinere Banken und ihre Stiftungen infolge von Korruptionsaffären, wenig orthodoxer Geschäftsführung oder politischer Machtspiele in Schieflage geraten. Bei der süditalienischen Gruppo Bancaria Tercas, bei Carige aus Genua oder der Banca Marche waren die Stiftungen für die Misswirtschaft mitverantwortlich.Vor diesem Hintergrund dringt Finanzminister Fabrizio Saccomanni auf eine Gesetzesrevision, um den Handlungsspielraum der Stiftungen einzuschränken. Dem Schatzministerium obliegt die Aufsicht über die Bankenstiftungen. Ziel ist es, den Einfluss der Stiftungen auf das Bankgeschäft, ihre Konzentration, Verschuldung und oftmals spekulative Investitionen zu bremsen. Auch der Stiftungsverband Acri fordert in Übereinstimmung mit dem Schatzministerium neue Bestimmungen, welche die “Disziplin der Stiftungen” regulieren sollen. Vorgesehen ist, dass relative oder absolute Mehrheitsbeteiligungen von Stiftungen an Banken abgeschafft werden sollen. So hat die StiftungCarige noch 47 % Anteile an der Banca Carige, die Stiftungen von Biella und Cuneo verfügen ebenfalls über relative Mehrheitsbeteiligungen bei ihren Banken. Künftig sollen nur mehr 30 % des Stiftungskapitals in Banken investiert werden dürfen. Kapitalerhöhungen bei Banken sollen künftig nicht mehr mit Schulden gestemmt werden und Investitionen in Derivate und Hedgefonds sind künftig verboten.Bei der Diskussion um neue Gesetzesbestimmungen ist das eigentliche Argument der Reform in den Hintergrund geraten: Keiner redet mehr davon, dass sich die Stiftungen aus angeblich liberalen Gründen vom Bankensektor zurückziehen sollten. Beitrag zur KonsolidierungZweifellos haben aber einige der großen Bankstiftungen in den letzten Jahren zur Konsolidierung des Banksystems beigetragen. Industrieunternehmen und Wirtschaft sehen in den Bankstiftungen einen Stabilisierungsfaktor, kommentiert Nationalökonom Mario Fortis. Und auch der CEO von Unicredit, Federico Ghizzoni, bestätigt, dass sich die Stiftungen nicht in das Bankgeschäft eingemischt hätten und er gut mit ihnen auskomme. Infolge der Kapitalerhöhungen haben die Stiftungen beiUnicredit inzwischen ihre Kapitalanteile auf 8 % verringert. Bei Intesa Sanpaolo halten fünf Stiftungen einen Anteil von 25 % des Bankenkapitals. Auch hier sieht man keinen direkten Einfluss der Stiftungen auf das Bankgeschäft.Tatsache ist, dass das Kapital zahlreicher Bankstiftungen in den letzten Jahren infolge mangelnder Dividendenausschüttungen und mehrfacher Kapitalerhöhungen der Banken verringert wurde. Insofern haben auch mehrere Bankstiftungen, etwa Cariverona bei Unicredit, darauf verzichtet, bei den jeweiligen Kapitalerhöhungen ihrer Banken mitzumachen. Die Stiftung MPS, die noch mehr als ein Drittel der Anteile bei der Traditionsbank aus Siena hält, ist damit eine Ausnahme.