Gerhard Hofmann, BVR

„Bankenunion muss eine Stabilitätsunion sein“

Die Genossenschaftsbanken sehen die neue Stoßrichtung, mit der in der EU mittlerweile über eine Einlagensicherung diskutiert wird, sehr kritisch. Insbesondere befürchten sie, dass der Sparerschutz zu stark mit der Bankenabwicklung verknüpft wird, wie BVR-Vorstandsmitglied Gerhard Hofmann im Gespräch erläutert.

„Bankenunion muss eine Stabilitätsunion sein“

Von Andreas Heitker, Brüssel

Angesichts der neu aufgeflammten Debatten in Brüssel über eine europäische Einlagensicherung hat der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) vor einer zu starken Verknüpfung des Themas mit der Bankenabwicklung gewarnt. BVR-Vorstand Gerhard Hofmann verweist im Gespräch mit der Börsen-Zeitung darauf, dass Edis mittlerweile immer auch zusammen mit dem Krisenmanagement und dem Insolvenzrecht diskutiert werde. Um eine europäische Einlagensicherung endlich durchzusetzen, nutze die EU-Kommission insbesondere die Abwicklung von Banken als großen politischen Hebel und wolle das Abwicklungsregime grundsätzlich neu erfinden, so Hofmann. „ Dafür sehen wir aber überhaupt keinen Anlass. Dies sehen wir kritisch.“

Hintergrund der Aussagen sind die jüngsten Edis-Debatten innerhalb des Rates sowie einer noch laufenden Konsultation der EU-Kommission. In der Eurogruppe werden heute Zwischenergebnisse der für die Bankenunion zuständigen hochrangigen Arbeitsgruppe vorgestellt. Die Finanzminister wollen sich bis Juni auf eine neue Roadmap einigen.

Hofmann rechnet damit, dass die EU-Kommission im vierten Quartal einen neuen Legislativvorschlag vorlegen wird. Der Behörde schwebe offenbar eine Art europäische FDIC vor, also eine mächtige Behörde in Brüssel für die Themen Aufsicht, Abwicklung und Einlagensicherung, sagte der BVR-Vorstand. Ein solches Konzept von den USA auf Europa zu übertragen, sei aber Wunschdenken. „Es würde nicht passen, allein schon, weil wir nicht die Vereinigten Staaten von Europa haben.“

Kritisch sehen die Volks- und Raiffeisenbanken in diesem Zusammenhang vor allem Überlegungen über eine mögliche Ausweitung der Befugnisse des Single Resolution Boards (SRB), der dann auch für alle Less Significant Institutions (LSIs) zuständig sein könnte. „Das hieße, dass die Entscheidung über eine Abwicklung auch einer kleinen und mittleren Bank dann künftig in Brüssel vom SRB getroffen würde und die Kosten der Abwicklung von der nationalen Einlagensicherung – teilweise oder ganz – mitgetragen werden müssten. Dies wäre in vielerlei Hinsicht problematisch.“

Hofmann befürchtet, dass bei einer Schieflage einer Bank der SRB sich dann in aller Regel für eine Abwicklung entscheide und es damit auch kaum Raum für Sanierungen oder andere präventive Lösungen gebe. „Die Einlagensicherung würde in die zweite Reihe gedrängt. Hinzu käme der quasi hoheitliche Zugriff auf nationale Einlagensicherungsmittel“, warnt Hofmann.

Mehr Kompetenzen für SRB?

Er verweist darauf, dass die EU-Kommission­ private Maßnahmen und insbesondere ein präventives Eingreifen einer Einlagensicherung stets als schlechtere Lösung gegenüber staatlichen Eingriffen einschätze. „Diese Auffassung ist empirisch nicht haltbar. Präventive Maßnahmen von Einlagensicherungssystemen, unter anderem des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), aber vor allem der Institutssicherungssysteme, haben sich über viele Jahrzehnte bewährt und machen das System sicherer.“

Für BVR-Vorstand Hofmann ist daher klar: „Die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung oder die grundsätzliche Neuerfindung des Krisenmanagements mit Verlagerung von Kompetenzen von der BaFin auf den SRB sind nicht das, was wir brauchen.“ Für ihn wäre es zudem klar, sollte der SRB die Zuständigkeit für alle Banken erhalten, dass es ein logischer nächster Schritt wäre, dass die Abwicklungsbehörde wenig später auch die Zuständigkeit für die Aufsicht erhält.

Dass die Euro-Finanzminister sich bis Jahresmitte auf einen neuen Fahrplan zur Vollendung der Bankenunion und der Einführung von Edis einigen wollen, stößt bei den Genossenschaftsbanken auch auf wenig Begeisterung. Die von den Finanzministern vor einigen Jahren selbst gesetzten Bedingungen seien aktuell noch nicht erfüllt. „Nun eine neue Roadmap für die Vollendung der Bankenunion ohne solche Voraussetzungen und Qualitätsbedingungen zu vereinbaren, wäre fragwürdig“, argumentiert Hofmann. Der BVR unterstütze die europäische Einigung. Aber: „Eine Bankenunion muss eine Stabilitätsunion sein – mit starken, nicht mit schwachen Banken.“

Hofmann fordert das Bundesfinanzministerium auf, in den nun anstehenden weiteren Gesprächen auf EU-Ebene über die Bankenunion an den Konvergenzbedingungen festzuhalten und weiter eine Risikoreduzierung in allen Bereichen zu fordern. „Zudem muss die besondere Rolle der Institutssicherungssysteme auch zukünftig anerkannt bleiben“, betonte er. Auch Finanzminister Olaf Scholz habe in der Vergangenheit ja nie eine bedingungslose Bankenunion gefordert, sondern immer klare Qualitätskriterien angemahnt.

Für den BVR gehören zu den Voraussetzungen für weitere Vertiefungsschritte der Risikoabbau im Bereich der Non-Performing Loans (NPLs), die deutliche Reduzierung risikoreicher Bestände von Staatsanleihen des eigenen Landes in manchen Bankbilanzen, die Harmonisierung des Insolvenzrechts einschließlich des Rechts der Sicherheitenverwertung und letztlich auch des Verbraucherschutzrechtes.

Die Covid-19-Pandemie hat nach Einschätzung von Hofmann noch zu einer Risikoerhöhung geführt – etwa im Bereich des Kreditrisikos – sowie zu einer noch stärkeren Risikodivergenz zwischen den verschiedenen Bankenmärkten. „Das Narrativ der Befürworter von Edis war bereits bisher nicht überzeugend, sonst hätte es eine politische Einigung in Europa längst gegeben, heute ist der Antritt noch weniger glaubwürdig.“ Auch die Argumentation, wonach die Covid-Krise gezeigt habe, wie wichtig die Vertiefung der Bankenunion ist, hält Hofmann für nicht überzeugend. Denn die nach der Finanzkrise 2009 geschaffenen Mechanismen hätten sich in der aktuellen Covid-Krise recht gut bewährt.