Basel III trägt Bedürfnissen des Mittelstandes Rechnung

Einiges ist allerdings nur auf Probe im Regelwerk oder noch gar nicht enthalten - Europa nicht auf Kosten der Stabilen und Soliden retten

Basel III trägt Bedürfnissen des Mittelstandes Rechnung

Baden-Württemberg gehört zu den wirtschaftsstärksten und wettbewerbsfähigsten Regionen in Europa. 2010 und 2011 wuchs die baden-württembergische Wirtschaft real um 7,0 bzw. 4,8 % und erzielte damit das bundesweit höchste Wachstum. Der Arbeitsmarkt näherte sich in weiten Teilen des Landes der Vollbeschäftigung. Selbst im vergangenen Jahr, in dem das Wirtschaftswachstum in ganz Deutschland deutlich zurückging, lag die Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg bei nur 3,9 % – nach Bayern mit 3,7 % die zweitniedrigste Quote in Deutschland.Das Geheimnis des baden-württembergischen Erfolgs ist die einzigartige Wirtschaftsstruktur des Bundeslandes. Diese katapultiert das Land im Innovationsindex für Länder bzw. Regionen in der Europäischen Union jedes Jahr auf den ersten Platz – und das mit zunehmend großem Abstand. Innovationsfreudige, anpassungsfähige und weltweit erfolgreiche kleine und mittelgroße Unternehmen machen Baden-Württemberg zu einem äußerst dynamischen Wirtschaftsraum. Das “Ländle” profitiert auf mehrere Weise: Der baden-württembergische Mittelstand erwirtschaftet mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes und jeden zweiten Euro im Auslandsgeschäft. Kleine und mittlere Unternehmen stellen zwei Drittel aller Arbeitsplätze. 80 % der Lehrlinge werden von ihnen ausgebildet und sie sind für 80 % des gewerblichen Steueraufkommens verantwortlich. Mit anderen Worten: Floriert der Mittelstand, brummt die Wirtschaft und es geht dem “Ländle” gut. Finanzpartner aus der RegionAber gerade kleine und mittlere Unternehmen sind, um erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu können, auf verlässliche Finanzpartner angewiesen, die ihre Kreditversorgung sicherstellen und auf sie zugeschnittene Finanzdienstleistungen vor Ort anbieten. So benötigen beispielsweise Existenzgründer und kleinere Unternehmen entsprechend kleinere Finanzierungsvolumina, die der Kapitalmarkt nicht zur Verfügung stellt und an deren Ausreichung Großbanken wenig interessiert sind.Die in ihrer Region verwurzelten baden-württembergischen Sparkassen garantieren mit ihrem streng realwirtschaftlich und regional ausgerichteten Geschäftsmodell und 2 500 Geschäftsstellen eine flächendeckende Kreditfinanzierung des Mittelstands sowie ein umfassendes Finanzdienstleistungsangebot von Corporate-Finance-Produkten über den Zahlungsverkehr bis hin zum Auslandsgeschäft. Eine besondere BeziehungDie besondere Nähe zum Kunden macht die Sparkassen zu Experten, was die Bedürfnisse und Besonderheiten der Unternehmen angeht. Über 70 % aller Mittelständler haben eine Geschäftsverbindung zu einem Institut der Sparkassen-Finanzgruppe. Für mehr als vier von zehn Unternehmen ist die Sparkasse Hausbank. Die Sparkassen begleiten zudem jeden zweiten Existenzgründer.Das langfristige Wohlergehen ihrer Kunden und der ganzen Region, in der sie wirtschaften, liegt den Sparkassen am Herzen. Denn wenn es der Wirtschaft vor Ort gut geht, profitiert auch die Sparkasse. Deshalb besteht in der Regel zwischen der jeweiligen Sparkasse und den ansässigen Unternehmen vor Ort eine langfristige, oft generationenübergreifende, vertrauensvolle Geschäftsbeziehung. Kredite auch in der KriseDas Engagement der Sparkassen für die mittelständische Wirtschaft hat sich seit Ausbruch der Finanzkrise als besonders wirksam gegen eine Kreditklemme erwiesen. Während sich Groß- und Auslandsbanken aus der Finanzierung des Mittelstandes zurückzogen, bauten die baden-württembergischen Sparkassen ihr Kreditengagement für den Mittelstand gerade in der Krise weiter aus, von 2009 bis 2012 um etwa 8 % auf knapp 49 Mrd. Euro.Betriebswirtschaftliche Grundlage für das hohe Engagement der Sparkassen in der Kreditfinanzierung der Wirtschaft ist zunächst eine solide Eigenkapitalausstattung. Mit einer Kernkapitalquote von derzeit 12,8 % liegen die baden-württembergischen Sparkassen deutlich über den aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen. Dank der guten Ertragsentwicklung – auch in den Krisenjahren – konnten sie ihr Eigenkapital weiter stärken. Dennoch bleibt die kontinuierliche Eigenkapitaldotierung für die Sparkassen eine der entscheidenden Herausforderungen. Schließlich können die Sparkassen aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Rechtsform ihr Eigenkapital nur über selbst erwirtschaftete Gewinne stärken. Die neuen Eigenkapitalanforderungen nach Basel III schrauben die Anforderungen in diesem Bereich weiter nach oben. Und dies obwohl sich gerade das Mittelstandsgeschäft als stabilisierend erwiesen hat. Gemeinsamer ErfolgDeshalb hat sich der Sparkassenverband Baden-Württemberg zusammen mit dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband, dem Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag und dem Baden-Württembergischen Handwerkstag in einer gemeinsamen Resolution bei Basel III vehement für eine mittelstandsgerechte Ausgestaltung eingesetzt. Das wurde erfreulicherweise auf allen Ebenen der Politik durch baden-württembergische Abgeordnete im Landtag, im Bundestag und im EU-Parlament mitgetragen und unterstützt. Dadurch konnte ein Kompromiss erreicht werden, der erhebliche Verbesserungen für die mittelständische Wirtschaft und ihre Hauptkreditgeber bedeutet. Mit dem kürzlich verabschiedeten Basel-III-Regelwerk werden die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung der Banken erhöht, ohne die Kreditvergabe an den Mittelstand zu gefährden. Zu den positiven Entwicklungen zählt auch, dass verbundinterne Beteiligungen vom Eigenkapitalabzug befreit werden – eine wichtige Forderung von Finanzverbünden wie denen der Volksbanken und Raiffeisenbanken und auch der Sparkassen-Finanzgruppe. Dies hätte zu erheblichen Nachteilen und einer deutlichen Beschränkung ihrer Kreditvergabemöglichkeiten an den Mittelstand geführt. Auch wird in den EU-Regeln zu Basel III jetzt stärker nach der Größe und der Geschäftsausrichtung der Institute differenziert.Einige positive Regelungen sind jedoch nur auf Probe in dem Regelwerk enthalten, zum Beispiel die Kapitalunterlegung von Mittelstandskrediten. Hier soll in drei Jahren überprüft werden, wie sich dieser Bereich entwickelt hat. Andere Fragen, wie zum Beispiel die langfristige Refinanzierungskennziffer oder die Liquidity Coverage Ratio (LCR), sind noch nicht endgültig oder gar nicht geregelt. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik hier auch in Zukunft das Funktionieren der Wirtschaft und die Bedeutung des Mittelstands für Deutschland im Blick behält.Neben einer soliden Eigenkapitalausstattung benötigen die Sparkassen aber auch eine ebenso stabile Refinanzierungsbasis zur Kreditvergabe. Unsere Sparkassen refinanzieren sich in bewährter und sicherer Weise über die umfangreichen Einlagen ihrer Kunden. Sie verfügen derzeit über Kundeneinlagen in Höhe von rund 117 Mrd. Euro bei einem Kreditvolumen von etwa 105 Mrd. Euro. Seit Beginn der Finanzkrise im September 2008 konnten die Sparkassen ein Plus von mehr als 17 Mrd. Euro bei den Einlagen verzeichnen. Das anhaltend hohe Einlagenwachstum zeigt, dass das Sicherheitsbedürfnis der Kunden stark gewachsen ist. Es bestätigt aber auch das große Vertrauen, welches die Menschen den Sparkassen entgegenbringen. Das Sicherungsniveau sichernDieses von den Sparkassen, aber auch den Volks- und Raiffeisenbanken über beinahe zwei Jahrhunderte erarbeitete Vertrauen würde in seinen Grundfesten erschüttert, sollte die Bankenunion und die darin vorgesehene Harmonisierung der Einlagensicherungen im Sinne der EU-Kommission verwirklicht werden. Zunächst würde durch die notorische Ablehnung der Institutssicherung durch die EU-Kommission das umfassende Sicherungsniveau, das Sparkassen und Genossenschaftsbanken ihren Kunden bieten, in Frage gestellt. Mit der geforderten Zugriffsmöglichkeit auf andere nationale Sicherungstöpfe über gegenseitige Notkredite stünden Sparkassen und Genossenschaftsbanken zudem mit einem Bein in der Haftungsunion. Denn sie könnten dadurch gezwungen werden, für andere europäische Banken und deren risikoreiche Geschäftspolitik einzustehen.Wir begrüßen daher das Vorhaben der amtierenden Ratspräsidentschaft, die bereits ausverhandelte Einlagensicherungsrichtlinie möglichst in dieser Ratspräsidentschaft zum Abschluss zu bringen. Sie hält an der nationalen Verantwortung für die Einlagensicherung fest und akzeptiert die Institutssicherung als gleichberechtigte Alternative zur reinen Einlagensicherung.Man muss kein Ökonom sein, um Folgendes einzusehen: Es ist ein Fehler zu glauben, man könne Europa, sei es nun auf Ebene der Staaten oder der Banken, auf Kosten der Stabilen und Soliden retten. Wer Wachstum und Stabilität in Europa fördern will, darf die Soliden nicht schädigen, sondern sollte sich, im Gegenteil, an ihnen orientieren. Die Entwicklung von Baden-Württemberg zeigt beispielsweise, dass ein wettbewerbsfähiger Mittelstand und stabile Sparkassen als verlässliche Kreditgeber unser Land krisenfester gemacht haben.—Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg