Bausparen ist in doppelter Hinsicht Produkt der Stunde
Es ist schon doppelt paradox: Obwohl die Preise kräftig gestiegen sind, sind Wohnimmobilien – dank rekordniedriger Hypothekenzinsen – für viele erschwinglich. Dennoch kommen junge Haushalte und Familien immer seltener ins Wohneigentum, weil auf der anderen Seite die Einstiegshürde in Form des benötigten Eigenkapitals immer höher wird. Für die große Mehrheit der Mieterhaushalte, die nicht über ausreichend Eigenmittel verfügen, gilt daher: Bausparen ist das Produkt der Stunde. Durch Vorsparen können sie den nötigen Kapitalstock aufbauen, sichern sich die niedrigen Zinsen und kaufen so morgen zweifach günstig. Denn mittelfristig werden die Immobilienpreise wieder fallen – und die Hypothekenzinsen wieder steigen. Immobilien sind erschwinglichSeit nunmehr zehn Jahren kennen die Preise für selbstgenutztes Wohneigentum nur eine Richtung, nämlich nach oben – und dieser Trend hat sich in den letzten Jahren zunehmend verschärft. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) wies für das erste Quartal 2018 gegenüber dem Vorjahresquartal eine Preissteigerungsrate von über 7 % und gegenüber dem Jahr 2010 um 37 % aus. In Anbetracht solcher Zahlen ist in den letzten Monaten in der Presse immer wieder zu lesen, Familien könnten sich Wohneigentum, insbesondere in Ballungszentren, kaum mehr leisten. Richtig ist, dass die Preise etwa in den größten sieben Städten Deutschlands (“Big Seven”) nochmals deutlich stärker gestiegen sind als im Durchschnitt: nämlich im ersten Quartal 2018 um über 10 % und seit 2010 um über zwei Drittel.Dennoch ist die einfache Schlussfolgerung falsch, Wohneigentum würde immer weniger bezahlbar, wie manche behaupten. Denn tatsächlich hat sich im bundesweiten Durchschnitt die Erschwinglichkeit, definiert als Haus- und Wohnungspreise inklusive Fremdfinanzierungskosten im Verhältnis zum verfügbaren Haushaltseinkommen, in den Jahren 2008 bis 2015 deutlich verbessert. Sie bewegt sich seither auf einem, im langfristigen Vergleich betrachtet, sehr günstigen Niveau.Dieses Ergebnis wird nochmals gestützt, vergleicht man die langfristigen Mieterkosten mit den Kosten der Wohneigentümer. Diesen Vergleich hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) im letzten Jahr angestellt und ermittelt, dass Wohneigentümer, die ihre Immobilie selbst bewohnen, im bundesweiten Durchschnitt um ein Drittel günstiger wohnen als Mieter. In Baden-Württemberg reicht das Spektrum von 19% Ersparnis im Main-Tauber-Kreis bis zu 44 % im Landkreis Lörrach.Dieser Umstand erklärt sich durch den Hypothekenzins, der sich in den letzten Jahren auf einem historisch niedrigen Niveau bewegt. Gleichzeitig nutzt auf der anderen Seite ein Großteil der Vermieter die “Gunst” der neuen Wohnungsknappheit, die inzwischen bereits bis in das weitere Umland der Großstädte ausstrahlt, um insbesondere bei der Neuvermietung kräftig an der Mietpreisschraube zu drehen. Und fragt man die Menschen in Deutschland nach ihren Wohnwünschen, bleibt es bei einem altbekannten Bild. Die jährliche Umfrage der Interhyp hat im Frühjahr 2018 einmal mehr ergeben, dass sich drei Viertel der Deutschen Wohneigentum wünschen. Ein trauriger WertDas Zwischenfazit lautet zum Ersten: Wohneigentum ist heute so erschwinglich wie lange nicht. Zweitens ist der Wunsch nach Wohneigentum ungebrochen. Somit müssten in den vergangenen Jahren insbesondere Jüngere und Familien die Gunst der Stunde genutzt haben und die Wohneigentumsquote damit kräftig gestiegen sein: Doch dies ist nicht der Fall. Die Quote verharrt laut einer aktuellen Auswertung sozialwissenschaftlicher Daten durch das IW Köln seit 2011 bei 45 %.Einen Anstieg der Wohneigentumsquote konnten von 2011 bis 2016 bezeichnenderweise nur Haushalte mit Haushaltsvorstand jenseits von 55 Jahren verbuchen. Teils sind dies lediglich die älter gewordenen Erwerber von früher. Bei den Jüngeren hingegen sank die Quote sogar, insbesondere bei den 35- bis 44-Jährigen, den klassischen Wohneigentumsbildnern, von 40 auf 37 %. In absoluten Zahlen schafften in den Jahren 2015 und 2016 bundesweit gerade einmal jeweils gut 200 000 Haushalte mit Kindern den Schritt ins Wohneigentum. Ein trauriger Wert.Worin liegen die Ursachen? Neben der begrenzten Verfügbarkeit von Häusern und Wohnungen in den besonders nachgefragten Regionen besteht das größte Hemmnis im fehlenden Eigenkapital der jüngeren Haushalte: Im Sinne einer soliden Finanzierung sollte ein Eigenkapitalanteil von 20 % angestrebt werden. Setzt man weiterhin für die in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark gestiegenen Erwerbsnebenkosten realistische 10 % an – also für die Grunderwerbsteuer, den Notar, die Grundbucheintragung und gegebenenfalls die Makler-Courtage -, so werden beispielsweise für eine Doppelhaushälfte in Baden-Württemberg insgesamt 120 000 Euro an Eigenmitteln gebraucht. Zugrundegelegt ist hierbei ein Durchschnittspreis von 400 000 Euro, ermittelt auf Basis von Marktdaten des Immobilienverbands Deutschland, Region Süd. Jedoch verfügen überhaupt nur 3 % der Haushalte im Alter von 25 bis 40 Jahren nach einer Auswertung des IW Köln über Ersparnisse im sechsstelligen Bereich. Geringe Sparquote rächt sichIm Gegensatz zur Fremdmittelbeschaffung schlagen beim Eigenmittelbedarf die hohen Immobilienpreise voll durch, da sie mit den hohen Erwerbsnebenkosten, die auf den Kaufpreis berechnet werden, eine unheilige Allianz bilden. Allen voran sind hier die in den meisten Bundesländern kräftig heraufgesetzten Grunderwerbsteuersätze zu nennen; Baden-Württemberg liegt mit 5 % im Mittelfeld, jedoch vor Bayern und Sachsen, die es bei den früher bundesweit geltenden 3,5 % belassen haben. Zugleich rächt sich die geringe Sparquote der Privathaushalte in den zurückliegenden Jahren.Das Gesamtfazit lautet: So kritisch die seit der Finanzkrise 2008/2009 anhaltende Niedrigzinsphase in vielerlei Beziehung zu sehen ist – für den Wohneigentumserwerber bedeutet sie aktuell (noch) eine “Insel der Glückseligkeit”. Denn sie beschert ihm langfristige Darlehenszinsen im Bereich der Inflationsrate. Mit anderen Worten: Baugeld real zum Nulltarif. Zugleich ist jedoch das Ticket, um auf diese Insel der Seligen zu gelangen, nämlich die benötigten hohen Eigenmittel, für die allermeisten jungen Haushalte unerschwinglich. Wider den “Schweinezyklus”Bausparen ist hier in zweifacher Hinsicht das Produkt der Stunde: Zum einen ist es das staatlich geförderte Zwecksparinstrument zum sicheren Aufbau von Eigenkapital. Zum anderen ist es das Instrument, um sich die niedrigen Zinsen von heute für den Immobilienkauf von morgen zu sichern. Denn zwei Dinge sind sicher. Erstens: Jeder Immobilienpreiszyklus hat ein Ende, auch der derzeitige. Zweitens: Die Zinsen werden längerfristig auch wieder steigen. Der kluge Bausparer kauft also nicht dann, wenn alle kaufen (wollen), sondern wenn die Immobilienpreise wieder günstiger sind, um dann sein Bauspardarlehen einzusetzen, mit dem er sich die früheren Niedrigzinsen gesichert hat: Bausparen wider den “Schweinezyklus” – den steten Wechsel zwischen Überangebot und Mangel und daraus resultierende Preisentwicklungen.Bausparen wird nicht zuletzt deshalb spezialgesetzlich geschützt und staatlich gefördert, weil es eine anti-zyklische, die Wohnungsbaukonjunktur und insbesondere auch den Finanzmarkt stabilisierende Funktion hat. Zugleich gibt es für die breite Bevölkerung nachweislich kein wirkungsvolleres Instrument für Vermögensaufbau und Altersvorsorge als das selbstgenutzte Wohneigentum. Um Bürger hierbei noch besser zu unterstützen, gibt es aus Sicht der Bausparkassen für den Staat derzeit drei vorrangige Ansatzpunkte: Eine Baulandpolitik, die dem Bedarf in den nachgefragten Regionen besser gerecht wird, die Grunderwerbsteuersätze in den Bundesländern zurückdrehen, in denen sie aus dem Ruder gelaufen sind und last but not least die zügige Umsetzung der im Koalitionsvertrag erklärten überfälligen Anpassung der Wohnungsbauprämie. Damit steigen die Chancen, künftig wieder mehr Menschen in eigenen vier Wänden zu sehen.—-Bernd Hertweck, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Baden-Württembergischer Bausparkassen (ARGE) und Vorstandsvorsitzender der Wüstenrot Bausparkasse AG