IM GESPRÄCH: ERIC PAN, CFTC

"Bedenken sind nicht vom Tisch"

Die USA verlangen mehr Gehör bei der Reform der Europäischen Derivateverordnung Emir

"Bedenken sind nicht vom Tisch"

Die Frage, ob die europäische Marktaufsicht ESMA künftig US-Clearinghäuser als systemrelevant einstuft und dann auch noch entsprechend direkt beaufsichtigt, treibt nicht nur die US-Derivateaufsicht CFTC um, sondern auch die US-Regierung. Dies sagt Eric Pan, Director of International Affairs der CFTC. Er hält es nicht für nachvollziehbar und für inakzeptabel, wenn große US-Clearinghäuser einer direkten Aufsicht durch die ESMA unterstellt werden.Von Dietegen Müller, FrankfurtDie Frage, wer in Zukunft für die Aufsicht systemrelevanter US-Clearinghäuser zuständig ist, bewegt nicht nur die US-Derivataufsicht Commodity Futures Trading Commission (CFTC), sondern auch die amerikanische Politik. Die Reform der europäischen Derivateverordnung Emir 2.2 sei ein “hochsensibles” Thema für Mitglieder des US-Kongresses und für das Weiße Haus, sagte Eric Pan, Direktor für internationale Angelegenheiten bei der CFTC, der Börsen-Zeitung. Pan hofft auf eine einvernehmliche Lösung: “Wir wollen nicht, dass dieses Thema zu einer Quelle für Konflikte zwischen den USA und der EU wird.”Mitte März hat die EU-Kommission zusammen mit der CFTC eine gemeinsame Erklärung zu Emir 2.2 veröffentlicht, laut der eine Lösung angestrebt wird, bei der die jeweiligen lokalen Aufsichtsbehörden mehr Achtung (“Deference”) genießen. “Der Dialog zwischen der CFTC und der Kommission wird fortgesetzt, nachdem die EU-Behörden einen Kompromiss über den Regulierungstext von Emir 2.2 erzielt haben”, sagt Pan. Jetzt beginne die heiße Phase. “Die Details müssen nun ausgearbeitet werden, und es gibt noch viele Fragen zu beantworten.” Brexit erschwert Umsetzung Die CFTC habe von europäischen Entscheidungsträgern gehört, dass sie die Position der USA “vollständig verstehen”, sagt Pan, aber wegen des Brexit sei es sehr schwierig gewesen, diese Bedenken auf der gesetzlichen Ebene der reformierten Derivateverordnung (also auf der Level-1-Regulierung) zu berücksichtigen. “Wir denken, dass es einige hilfreiche Änderungen gegeben hat, insbesondere vom EU-Parlament, aber es bleibt noch viel zu tun, und unsere Bedenken sind noch nicht vom Tisch”, ergänzt Pan.Emir 2.2 verleiht der europäischen Marktaufsichtsbehörde ESMA erweiterte Befugnisse zur Überwachung von CCPs von Drittländern, die als systemrelevant eingestuft sind. CCPs sind zentrale Gegenparteien, die als Garant in einer Transaktion zwischen zwei Gegenparteien fungieren. Die CFTC hatte Bedenken geäußert, sollte die ESMA die volle Aufsicht über die US-CCPs erhalten. Pan hatte der Börsen-Zeitung bereits im vergangenen Juni gesagt, dass dies inakzeptabel sei (vgl. BZ vom 26.6.2018).Basierend auf Gesprächen zwischen der CFTC und der Europäischen Kommission in diesem Jahr erklärt Pan, er erwarte, dass die Anliegen der amerikanischen Seite bei der Entwicklung der nächsten Phase der Emir 2.2-Gesetzgebung – also auf Stufe 2 als delegierter Rechtsakt – Gehör finden und berücksichtigt werden. Emir 2.2 braucht seiner Ansicht nach Zeit, um umgesetzt zu werden, so dass die US-CCPs erst im Jahr 2021 oder später unter Emir 2.2 fallen. “Wir glauben, dass Emir 2.2, wenn es nicht ordnungsgemäß angewendet wird, das grenzüberschreitende Clearing zwischen der EU und den USA erheblich stören und sich negativ auf die US-Unternehmen auswirken kann”, so Pan. Es halte es daher für eine gute Idee, die verfügbare Zeit im kommenden Jahr zu nutzen, “damit sowohl die Behörden der EU als auch der USA Lösungen finden können”.Pan geht davon aus, dass es eine “echte Konsultation” geben wird, bei der die Stellungnahme der CFTC berücksichtigt wird, wie in der gemeinsamen Erklärung angekündigt. “Die gemeinsame Erklärung ist keine Verpflichtung zu einem bestimmten Ergebnis, sondern eine Verpflichtung der Europäischen Kommission, eine offene Haltung einzunehmen und die von der CFTC geäußerten Bedenken ernsthaft zu berücksichtigen”, präzisiert Pan und betont: “Die CFTC-Position zu Emir 2.2 ist keine politische Position. Vielmehr basiert sie auf über fünfzehn Jahren Erfahrung in der Überwachung grenzüberschreitender CCPs und dem Studium von Daten.”Vor einigen Monaten hat CFTC-Chairman J. Christopher Giancarlo mit Zugangsbeschränkungen für europäische Marktteilnehmer gedroht, wenn die EU-Gesetzgebung nicht in die gewünschte Richtung geht. Pan bestätigt dies im Prinzip: “Hochrangige Mitglieder des Kongresses haben die CFTC ermutigt, diese Position einzunehmen.” Auch der Nachfolger von Giancarlo, Heath Tarbert, der sein Amt im April übernehmen wird, hat diese Ansicht vertreten. In einer Anhörung hat Tarbert erklärt, es sei nicht tolerierbar, dass US-CCPs direkt von europäischen Aufsichtsbehörden beaufsichtigt würden. Pan sagt: “Ich kann das nicht genug betonen: Das ist keine Bewertung durch die CFTC, das ist eine Bewertung durch die US-Regierung. Unsere CCPs werden nach US-Recht überwacht, und die Vorstellung, dass eine europäische Aufsichtsbehörde die US-Aufsicht ignorieren und zusätzliche Anforderungen stellen und eine direkte Aufsicht ausüben könnte, ist für uns nicht akzeptabel.”Nach Ansicht des Regulierungsexperten gibt es jedoch auch gar keinen Grund, warum es überhaupt dazu kommen sollte. “Selbst unsere größten CCPs haben einen relativ geringen Anteil am europäischen Geschäft. Wir verstehen nicht, warum US-CCPs als systemisch wichtig für Europa behandelt werden sollten, so dass es eine direkte EU-Aufsicht über diese CCPs geben muss.” Nun müsse geklärt werden, welche Kompetenz die ESMA erhalten habe. “Mit großer Macht kommt große Verantwortung”, zitiert Pan die Comic-Figur Spiderman. Neue regulatorische Hürden und ungerechtfertigte aufsichtsrechtliche Belastungen würden den Interessen der globalen Finanzmärkte zuwiderlaufen. “Darüber hinaus wäre dies auch gegen die Interessen der EU, da sie für internationale Akteure attraktiv sein und als ein führender Finanzmarkt angesehen werden will.”Dennoch bleibt die Klassifizierung von US-CCPs durch europäische Aufsichtsbehörden für die CFTC ein Knackpunkt. “Einige EU-Beamte haben uns gesagt, dass sie erwarten, dass die großen US-CCPs als systemrelevant eingestuft werden, obwohl die überwiegende Mehrheit der Geschäfte für diese CCPs von US-Banken und anderen US-Marktteilnehmern stammt und relativ gesehen nur ein kleiner Prozentsatz des Geschäfts von EU-Banken und EU-Marktteilnehmern”, sagt Pan. Die CFTC versuche immer noch zu verstehen, was die Kriterien für die Klassifizierung von systemisch wichtigen CCPs sind: “Wir sind uns nicht sicher, warum EU-Beamte offenbar bereits entschieden haben, was das Ergebnis der Klassifizierung sein wird, wenn wir noch nicht einmal die Kriterien für eine solche Klassifizierung kennen.”Es gehe nun darum, diese Kriterien auf “transparente Weise” zu definieren, um sicherzustellen, dass sie objektiv und evidenzbasiert sind, sagt Pan. Die ESMA habe wahrscheinlich viel Spielraum für die Entscheidung über die Kriterien: “Wir können uns vorstellen, dass die ESMA systemrelevante britische CCPs anders behandelt als US-CCPs, da die britische CCPs für die EU von relativer Bedeutung sind.” Systemrisiko soll entscheidenPan weist auch darauf hin, dass die CFTC selbst durch die Lizenzierung ausländischer zentraler Kontrahenten, die bedeutende Geschäfte mit US-Kunden tätigen, über potenzielle Aufsichtskapazitäten verfügt. So könne die Aufsichtsbehörde beispielsweise Inspektionen dieser ausländischen CCPs vornehmen. Mit Ausnahme bestimmter britischer CCPs habe die CFTC nie eine Inspektion eines ausländischen zentralen Kontrahenten durchgeführt, weil diese CCPs kein wesentliches Risiko für das amerikanische Finanzsystem darstellten. “Wir haben uns traditionell an die lokalen Aufsichtsbehörden gewandt”, sagt Pan und ergänzt: “Wir erwarten, dass die ESMA dasselbe mit den US-CCPs tut.” Frage nach der FinanzierungDen Regulierungsverantwortlichen treibt aber nicht nur die Frage nach den Aufsichtskriterien der ESMA für US-Clearinghäuser um, sondern auch, wie die ESMA dann ihre Aufsicht über Drittstaaten-Clearinghäuser finanzieren will. “Die Tatsache, dass die Zuständigkeiten für Drittland-CCPs bei der ESMA liegen, ist in den neuen Rechtsvorschriften klar geregelt. Aber die ESMA wird dafür mehr Personal einstellen müssen, und dies wird durch Gebühren finanziert, die von den von der ESMA beaufsichtigten CCPs erhalten werden”, sagt Pan. “Wir haben die seltsame Situation, dass die ESMA nur CCPs von Drittländern beaufsichtigt, so dass der gesamte Aufsichtsbereich der ESMA in erster Linie durch Gebühren von US-amerikanischen und britischen CCPs finanziert wird.Die Idee, dass eine ausländische Regulierungsbehörde nun von US-Unternehmen verlange, den größten Teil ihrer Aufsichtsaktivitäten zu finanzieren, sei etwas, “das die Menschen nicht glücklich macht”, erklärt Pan. Wenn der Brexit sich weiter verzögere, könne es passieren, dass nur US-CCPs die meisten Gebühren zahlen würden, weil britische CCPs noch in der EU sind. “Das wäre ein sehr seltsames Ergebnis, das für die USA unerträglich wäre. Je nach Anzahl der neuen ESMA-Mitarbeiter würden die Kosten um mehrere Millionen Euro steigen. Das ist nicht unbedeutend”, sagt der CFTC-Direktor. Kein globaler Krypto-StandardAngesprochen auf die fehlende internationale Regulierung sogenannter Krypto-Assets, also digitalisierter Assets auf verschlüsselter Basis, sagt Pan: “Wir müssen verstehen, wie diese verschiedenen Assets funktionieren. Wir sind in diesem Bereich sehr aktiv und wollen der Marktentwicklung nicht im Wege stehen.” Der Regulierungsexperte hält es für gut, dass die verschiedenen Regulierungsbehörden derzeit in diesem Bereich unterschiedliche Ansätze ausprobierten.”In unserer Arbeit in den internationalen Standardisierungsgremien halten wir die Zeit nicht für reif, über einheitliche internationale Standards für Krypto-Assets zu sprechen”, betont Pan. “Nationale Standardsetzer sollten die Möglichkeit haben, ihre eigenen Ansätze auszuprobieren. Wir müssen Erfahrung sammeln und sehen, was funktioniert und was nicht.”