Elke König, SRB

„Bei uns bewegt sich bei diesem Thema leider gar nichts“

Im Interview der Börsen-Zeitung spricht Elke König, Chefin der EU-Behörde SRB, darüber, wo es im Bankenabwicklungsregime Europas hakt, und nimmt die Kommission in die Pflicht, was ihre Nachfolge angeht.

„Bei uns bewegt sich bei diesem Thema leider gar nichts“

Bernd Neubacher und Andreas Heitker.

Frau König, in Berlin laufen aktuell die Koalitionsgespräche. Welche Erwartungen haben Sie an die neue Bundesregierung – zum Beispiel beim Thema Bankenunion, die ja auch für den SRB wichtig ist?

Ich hoffe, dass wir die Vollendung der Bankenunion auf der Agenda behalten und weiter vorantreiben, auch wenn zumindest einer der künftigen Koalitionspartner dem Thema bisher ja eher skeptisch gegenübersteht.

Sie meinen die FDP.

Allerdings hängen Fortschritte bei der Bankenunion nicht nur von deutscher Seite ab. In Deutschland ist sicherlich die europäische Einlagensicherung Edis ein heißes Thema – auch wenn es hier eine Menge falscher Befürchtungen gibt.

Was meinen Sie damit?

Bei der Debatte um Edis gehen meines Erachtens ein paar Themen munter durcheinander. Dabei will niemand an das Geld der privaten deutschen Einlagensicherung. Niemand legt die Axt an die Sicherungssysteme der Genossenschaftsbanken oder der Sparkassen.  Es geht hier um die gesetzliche Einlagensicherung, und die müssen die Sparkassen nach dem Kompromiss, den sie mit der EZB gefunden haben, nun auch aufbauen. Die genossenschaftlichen Banken haben sie schon aufgebaut. Ich glaube, die Diskussion bewegt sich hier zwischen realen Themen und Emotionen hin und her. Und natürlich kann man sie auch nicht loslösen von einer Harmonisierung der Insolvenzregeln für Banken.

Warum ist Ihnen das Thema Insolvenzregeln so wichtig?

Ich glaube fest an eine europäische Einlagensicherung – aber bitte mit einheitlichen Spielregeln für alle. Was nicht sein kann, ist ein europäischer Topf, der nach nationalen Regeln in Anspruch genommen wird. Da würde ich sagen: Wer bezahlt, bestimmt auch die Spielregeln. Und hier muss es klare europäische Regeln geben. Trotzdem: Nur zu sagen, die Europäer wollen mit Edis an die deutsche Einlagensicherung, ist etwas zu kurz gedacht.

Aber ist es nicht so, dass es europäische Regeln in der Theorie längst gibt, in der Praxis aber, sobald es auf die Abwicklung einer Bank hinausläuft, dann doch regelmäßig nationale Sonderlocken gedreht werden und eine vorsorgliche Rekapitalisierung ausgerufen wird?

Es ist noch komplizierter. Die Insolvenzregeln in Europa sind nicht harmonisiert. Insolvenzrecht ist rein nationales Recht. Man hat in der EU aber auf das nationale Insolvenzrecht eine Harmonisierung der Einlagensicherungsregeln draufgesetzt. Und der Gesetzgeber hat auf den bunten Teppich von nationalen Systemen ein einheitliches europäisches Abwicklungsrecht gesetzt. Natürlich haben wir im Fall des Banco Popular 2017 schon bewiesen, dass das europäische Abwicklungsregime funktioniert. Auf der anderen Seite aber hat es parallel auch kreative nationale Lösungen gegeben, und dies nicht nur in Italien.

Die Nord/LB ist rekapitalisiert worden, und in Italien könnte nach dem Transfer der venezianischen Volksbanken 2017 zu Banca Intesa als nächstes Monte dei Paschi di Siena für die Steuerzahler teuer werden.

Zur Situation einzelner Banken äußere ich mich nicht.

Dennoch drängt sich die Frage auf: Wo sehen Sie im aktuellen Regelwerk Verbesserungsbedarf?

Wir müssen fairerweise sagen, dass wir das Abwicklungsregime mit seinen Bail-in-Regeln zu einem Zeitpunkt in Kraft gesetzt haben, an dem die Banken das dafür erforderliche Kapital noch gar nicht aufgebaut hatten. Und wir haben es bisher nicht geschafft, das System so zu verankern, dass man eine Insolvenz – sprich einen ganz tiefen Bail-in – mit einer Abwicklung vergleicht. Es geht in der Debatte immer noch um einen Bail-out als gefühlte Alternative. Es gilt auch immer noch die Bankenkommunikation der EU-Kommission aus dem Jahr 2013, die zwar auch einen partiellen Bail-in verlangt, ansonsten aber anderen Spielregeln folgt als unser System.

Das wurde in der Zwischenzeit nicht geändert?

Bis heute nicht. Jetzt will man Änderungen verknüpfen mit der Einführung des neuen Krisenmanagementrahmens, über den im Zuge der Bankenunion gesprochen wird, also das „Crisis Management Deposit Insurance Framework“. Wir müssen das Thema anpacken, weil wir ansonsten immer die Situation haben werden, dass die Anreizsysteme nicht die gleichen sind. Was ist denn weniger schmerzhaft, wenn eine Bank in Schwierigkeiten gerät? Ein Bail-in, der viele Leute verärgert, oder ein Bail-out, den die Steuerzahler vielleicht rasch wieder vergessen? Ich würde immer noch sagen, dass der Bail-out die schlechteste aller Lösungen ist, weil er von der jungen Generation in der Zukunft bezahlt werden muss und das Abwicklungsregime ja gerade geschaffen wurde, eben dies zu verhindern.

Worum geht es denn genau bei dem neuen Krisenmanagement?

Es geht erstens darum, in der Bankenunion eine solide, einheitliche Lösung für alle Einleger zu bekommen. Und es muss zweitens eine Angleichung der Insolvenzregeln in Europa geben. Ich persönlich werde eine große Insolvenzrechtsreform wohl nicht mehr erleben. Aber vielleicht kann man ja spezifische Regeln nur für Finanzinstitute aufstellen. Es ist insgesamt kompliziert, weil beim Krisenrahmen viele Themen miteinander zusammenhängen. Die Reduktion der Risiken aus notleidenden Krediten spielt da ebenso eine Rolle wie der Umgang mit Staatsanleihen, also das Exposure der Banken gegenüber dem jeweiligen Mitgliedstaat oder anderen Staaten. Wir müssen hier aber weiterkommen und die Bankenunion vollenden, letztlich auch, um einen europäischen Bankenmarkt zu bekommen. Wir haben heute leider noch weniger einen europäischen Markt als vor der Finanzkrise, weil sich viele Banken international zurückgezogen haben. Wirklich starke europäische Banken kann man aber nur haben, wenn man auch einen europäischen Markt hat.

Warum sind die wichtig?

Ein paar starke europäische Banken tun einem Industrie-Staatenverbund wie der EU schon gut. Denn ansonsten wäre man für bestimmte Dinge letztlich immer auf amerikanische Banken angewiesen. In welchem EU-Land eine starke Bank dann ihren Sitz hätte, ist mir relativ egal.

Welche Rolle spielt in der Diskussion um ein neues Krisenmanagement und eine möglicherweise engere Verknüpfung von Aufsicht, Abwicklung und Einlagensicherung eigentlich der Single Resolution Board? Hoffen Sie, dass Ihr Haus zusätzliche Kompetenzen erhält?

Sobald wir anfangen würden, darüber zu reden, was der SRB alles machen könnte, wäre jeder Vorschlag tot, weil es dann ja gleich heißen würde, wir wollten nur die eigene Behörde stärken. Der Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hat aber kürzlich gesagt, eine Einlagensicherungsinstitution nach dem Vorbild der US-amerikanischen FDIC täte uns in Europa gut.

Sehen Sie das auch so?

Ja, aber ich sehe auch die Probleme bei diesem Vorschlag. Der Unterschied ist doch: Die USA sind ein Staat mit sehr starken Bundesstaaten. In der europäischen Bankenunion gibt es dagegen heute 21 unabhängige Mitgliedstaaten. Dennoch wäre langfristig der Aufbau einer europäischen FDIC der richtige Weg. Eine solche Behörde wäre dann für alle Banken zuständig. Und nach einer Entscheidung über „failing or likely to fail“ einer strauchelnden Bank gäbe es nur zwei Optionen: Entweder wird diese Bank schlicht abgewickelt – was wir normalerweise als Insolvenz verstehen. Oder es ist eine große Bank, bei der man diesen Schritt nicht so schnell gehen kann. Das führt dann zur Abwicklung mit anschließender Restrukturierung. Beides leistet die FDIC.

Das Problem mit den 21 verschiedenen Insolvenzrechten wäre damit aber nicht gelöst.

Das stimmt. Die Überlegung, eine europäische FDIC einzurichten, befreit uns nicht von der Frage, ob die Insolvenzregeln harmonisiert werden müssen. Außerdem müssten auch mit einer solchen neuen Behörde am Ende die Verluste einer Bank zugeordnet werden können.

Wenn man die Idee einer großen Behörde nach Vorbild der FDIC weiterdenkt, könnte man auch die Fonds für Abwicklung und Einlagensicherung zusammenlegen, oder?

Ein europäischer Fonds, der dann für die Einlagensicherung und gleichzeitig zur Abwicklungsunterstützung genutzt werden könnte, wäre dann sicherlich zu überlegen. Man muss ja auch sehen, dass bei einer Großbank, bei der heute die Einlagensicherung greift, in der Regel mit dem vorhandenen Kapital und dem Geld aus dem Abwicklungsfonds die Einlagensicherung gar nicht mehr zum Zuge kommt. Wir müssen das Institut ja erst einmal stabilisieren und dann weiter abwickeln. Für die Banken könnte ein großer europäischer Fonds eventuell auch etwas preiswerter werden, da es Synergieeffekte gibt. Auf jeden Fall würde ein solcher Fonds auch zusätzliche Flexibilität bieten.

Der Deutsche-Bank-Chef hadert ja ohnehin mit den Kosten für den heutigen Single-Resolution-Fonds und argumentiert unter anderem, dass der SRF mittlerweile viel größer sei als ursprünglich geplant. Können Sie seiner Argumentation etwas abgewinnen?

In einer Krise ist es natürlich besser, das Geld im Topf zu haben und es nicht suchen zu müssen. Aber sein Argument ist insofern richtig, als die 1% an gedeckten Einlagen, die der Fonds einmal haben soll, in einer ersten Hochrechnung im Jahr 2013 ursprünglich mit rund 55 Mrd. Euro prognostiziert waren. Die gedeckten Einlagen haben sich seither weit positiver entwickelt als erwartet und sind durch die Pandemie auch noch einmal deutlich angestiegen. Ich denke daher, wir werden am Ende eher 75 Mrd. als 70 Mrd. Euro im Abwicklungsfonds haben.

Befürworten Sie eine Deckelung der Summe?

Der SRB ist hier nicht der richtige Ansprechpartner, sondern Kommission und Rat der EU. Wir setzen nur den Gesetzestext um. Die Mitgliedstaaten brauchen aber Einstimmigkeit, um hier etwas zu ändern. Und das macht es relativ unwahrscheinlich, dass wir kurzfristig eine Änderung des SRF-Volumens sehen werden. Wir wissen ja auch nicht, ob dieser Anstieg der gedeckten Einlagen noch weitergeht oder sich zumindest deutlich abflacht. In jedem Fall habe ich mich im vergangenen Jahr darüber geärgert, dass der europäische Bankenverband EBF während der Pandemie gegen das Aussetzen der Dividendenzahlung und zugleich für das Aussetzen der Zahlungen zum SRF lobbyierte. Das passte nicht zusammen.

Wegen der Beitragszahlungen laufen diverse Gerichtsverfahren.

Ja, insgesamt sind es rund 80 Verfahren. Bekannt ist zum Beispiel, dass die LBBW geklagt hatte. Die ersten Verfahren hatten wir 2016 aus rein formalen Gründen verloren. Nachdem wir im Juli unsere Beitragsbescheide für 2021 rausgeschickt hatten, hat der EuGH die Gesetzesgrundlage noch einmal bestätigt. Der SRB muss seine Entscheidung aber besser begründen, so dass wir im Moment dabei sind, für die LBBW eine neue Entscheidung zu treffen. Die wird aber die gleichen Zahlen wie vorher beinhalten. Bisher ging es in den Verfahren eher um Formfehler, also gar nicht um die inhaltlichen Berechnungen. Die stehen ab nächstem Jahr auf der Tagesordnung. Ich gehe davon aus, dass diese Verfahren uns noch eine Zeit lang beschäftigen werden.

Könnte der Abwicklungsfonds dadurch noch einmal grundsätzlich in Frage gestellt werden?

Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Erleichtert die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus, die aktuell ja noch ratifiziert wird und ab 2022 auch einen Backstop für den Abwicklungsfonds vorsieht, die Arbeit des SRB?

Ich glaube, diese Letztsicherung wird große Auswirkungen haben. Denn sie räumt die Bedenken aus, das Abwicklungsregime könne sich als unzureichend erweisen, wenn es einmal eine Großbank treffen sollte. Ich hoffe natürlich, dass wir den Backstop niemals benötigen werden. In diesem Zusammenhang ist es gerade mit Blick auf Bedenken in Deutschland wichtig, noch einmal zu betonen, dass der Backstop des ESM eine Kreditlinie ist und der SRB diesen Kredit bei Inanspruchnahme zurückzahlen muss.

Dass der ESM nun auch im Bankensektor ins Risiko geht, hatte ja gerade in Deutschland Diskussionen ausgelöst…

Ja, aber in seiner alten Form hatte der ESM auch die Möglichkeit einer direkten Bankenrekapitalisierung. Diese wird nun im Zuge der Reform gestrichen. Und wenn man die direkte Rekapitalisierung einer Bank mit einem Kredit vergleicht, den wir für eine einzelne Bank verwenden würden, den aber 3000 Banken letztlich in der Rückzahlung garantieren, weil die ja alle in unseren Fonds einzahlen, dann finde ich, ist das Risiko für den ESM künftig deutlich geringer. Außerdem ist die Nutzung des Backstops ohnehin an eine ganze Reihe von strikten Bedingungen geknüpft.

Ein anderes Feld, in dem es nur sehr zäh vorangeht, ist die Frage, wie eine in Abwicklung befindliche Bank mit Liquidität versorgt wird. Sie fordern als Lösung seit Jahren die Bereitstellung von Liquidität durch die EZB, die sich aber nicht in diese Rolle drängen lassen will.

Das Thema ist nicht zäh, sondern überzäh. Allen Seiten ist die Notwendigkeit bewusst, dass das Problem gelöst werden muss. Nur über den Weg herrscht Dissens. Es gibt verschiedene Modelle. Wir würden eine Versorgung mit Liquidität durch die EZB favorisieren, denn sie ist die einzige Instanz, die glaubwürdig unbegrenzt Mittel bereitstellen kann. Die EZB besteht aber gemäß ihren Verträgen auf einer Besicherung dieser Liquidität zu 100%. Dann könnten wir es aber theoretisch gleich selbst übernehmen.

Was wären die Alternativen?

Es gab das berühmte, nach seinen Erfindern Österreich und Finnland benannte Fiat-Modell. Dieses sieht vor, dass der SRF Bonds ausgibt, für welche die Beiträge der Banken als Besicherung dienen, und sich auf diese Weise Liquidität besorgt. Das Problem ist nur, dass diese Beiträge schon dem ESM als Sicherheit für den Backstop dienen, und zwei Mal lassen die sich schlecht verfrühstücken. Und die dritte Variante, die im Moment diskutiert wird, sieht das EU-Budget als mögliche Garantie vor. Ich weiß nicht, wie realistisch das ist. Ich bleibe weiterhin dabei, dass es die sinnvollste Lösung wäre, wenn die Liquidität von der Zentralbank kommt und diese von uns eine First-Loss-Garantie bekommt. Damit würde letztlich das Bankensystem haften.

Wer würde darüber hinausgehende Verluste auffangen?

Das ist offen, weil sich dazu noch niemand bereit erklärt hat. Ich bleibe bei dem Thema trotzdem völlig ruhig. Denn mir fehlt jede Fantasie, mir vorzustellen, wie wir an einem Wochenende zunächst eine große Bankenabwicklung mitsamt Kapital und Struktur wunderbar orchestrieren, am Sonntagnachmittag dann aber die Bank mangels Liquidität trotzdem in die nationale Insolvenz schicken müssen. Dazu würde man es nicht kommen lassen. Mir wäre nur lieber, man machte sich im Vorhinein Gedanken, wie man eine solche Situation bewältigen will. Die Engländer und die Amerikaner haben entsprechende Konzepte. Bei uns bewegt sich bei diesem Thema leider momentan gar nichts.

Klingt das jetzt noch abgeklärt oder schon desillusioniert?

Ich würde es eher frustriert, aber dennoch entschlossen und hartnäckig nennen. Das Thema muss gelöst werden, also bleibt es auf der Tagesordnung. Und wenn jemand eine bessere Idee hat als wir: Sehr gerne – sie muss nur schnell und verlässlich funktionieren.

Ein weiteres ungelöstes Problem ist die Home-Host-Problematik, also Interessenkonflikte zwischen den Behörden jener Staaten, in dem sich der Hauptsitz einer Bank und in denen sich ihre Tochtergesellschaften befinden.

Mit dem Home-Host-Problem sind eine ganze Reihe praktischer Fragen verbunden, denn am Ende betrifft das Insolvenzrecht immer ein Unternehmen oder eine einzelne Bank und nicht eine Banken-Gruppe. Wie aber stellt man sicher, dass das Kapital dorthin kommt, wo es hingehört? Da dominiert noch immer die Sorge über das, was passieren könnte, wenn dies nicht gelingt. Bei der jüngsten Reform der Bankenabwicklungsrichtlinie haben die sogenannten Host-Länder denn auch eine Reihe von Sicherheiten eingebaut, inklusive eines sehr hohen sogenannten internen MREL, also von Kapital, das für den Fall der Fälle in den einzelnen Töchtern an Eigenmitteln und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten vorhanden sein muss. Große Bankengruppen sehen es natürlich sehr kritisch, dass sie in jeder ihrer Einheit Liquidität und Kapital vorhalten müssen.

Wie lässt sich das denn lösen?

Die Vorleistung müsste sein sicherzustellen, dass eine Abwicklung an der Muttergesellschaft ansetzt und die Töchter solvent bleiben. Das ist der Sinn des sogenannten Single-Point-of-Entry-Konzepts, das für die Mehrzahl der Bankengruppe gilt. Auch könnten Banken darüber nachdenken, Tochtergesellschaften in Zweigniederlassungen umzuwandeln, um Liquidität freizusetzen. Dann gelten einige dieser Regeln nicht. Aus meiner Sicht ist das in jedem Fall ein Thema, für das wir eine Lösung finden müssen, wenn wir einen europäischen Bankenmarkt haben wollen.

Wie optimistisch sind Sie, dass dies klappt?

Auch da bin ich ziemlich beharrlich. Wie schnell es geht, weiß ich nicht. Wir sollten jedenfalls nicht so lange warten, bis wir die nächste Krise haben. Aber wir haben ja auch Er­folge…

Welche denn?

Zum Beispiel war jahrelang zu hören, dass es insbesondere für kleine und mittelgroße Banken unmöglich sei, MREL zu bilden. Jetzt, wo es bindende Vorgaben für 2022 gibt, sehen wir, dass die Banken diese Ziele auch erreichen. Der Markt ist weit offen, und auch Banken, die nicht einmal ein Investment-Grade-Rating haben, können Mittel am Markt zu guten Preisen aufnehmen. Nun könnte man sagen, dies spreche dafür, dass der Markt im Moment sehr Risiko-affin sei. Aber trotzdem: Es geht vorwärts.

Wie wird der Abschluss von Basel III die MREL-Anforderungen des SRB verändern? Diese hängen ja nun einmal von den jeweiligen Risikoaktiva einer Bank ab, die sich mit Basel III erhöhen werden.

Wenn der Kapitalbedarf steigt, dann nimmt logischerweise auch der Bedarf an MREL zu.

Wie stark?

Das ist im Moment nicht realistisch zu beziffern. Zunächst warten wir jetzt einmal ab, was aus dem Vorschlag der EU-Kommission im politischen Prozess wird. Und ob dann der Anstieg der Kapitalanforderungen voll auf MREL durchschlägt, muss man ebenfalls noch abwarten. Schon jetzt haben wir ja die Möglichkeit, einer Bank nicht das volle MREL abzuverlangen.

Frau König, Ende nächsten Jahres, also kurz vor Weihnachten 2022, wird Ihr Mandat als SRB-Chair auslaufen. Angesichts der vielen noch ungelösten Probleme, über die wir gerade gesprochen haben – könnten Sie sich vorstellen, für eine gewisse Zeit noch einmal zu verlängern?

Das geht nicht. Und darum ist es jetzt an der EU-Kommission, ein Auswahlverfahren anzustoßen und einen Nachfolger zu suchen. Ich hoffe, sie tut das beizeiten. Solch ein Auswahlverfahren dauert ja seine Zeit. Und ich hoffe sehr, dass dies anders als bei der jüngsten Neubesetzung des ESMA-Chair zügig und ohne allzu viel Hickhack vonstatten geht. Die Stelle von unserem Board-Mitglied Boštjan Jazbec wird übrigens drei Monate später ebenfalls vakant, so dass ich vermute, dass die Kommission beide Verfahren bündeln wird. Ich würde mir wünschen, dass die Nachfolge im Herbst kommenden Jahres geregelt ist.

Was wollen Sie bis Ende Ihrer Amtszeit noch erreichen?

Ich möchte, dass die Banken Ende 2023 tatsächlich wie geplant abwicklungsfähig sein werden. Ich werde 2023 nicht mehr im Amt sein, aber ich werde bis Ende meiner Amtszeit daran arbeiten. Ich möchte mir nicht später einmal sagen lassen müssen, dass irgendetwas nicht mehr möglich sei, weil man das eine oder andere schon 2021 oder 2022 hätte machen müssen. Ein zweites Thema ist natürlich der Aufbau des Abwicklungsfonds. Und drittens würde mich natürlich freuen, wenn wir in der aktuellen politischen Debatte über die Bankenunion bis zu meinem Ausscheiden vielleicht nicht eine Roadmap haben, aber doch zumindest wissen, was wir in welcher Reihenfolge erreichen wollen. Und danach würde ich genau das tun, was ich nach meiner Zeit als Präsidentin der BaFin auch gemacht habe: Ich werde keine bösen Briefe schreiben und meinem Nachfolger nicht ungefragt mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Das Interview führten

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