GASTBEITRAG

Beim Venture-Capital-Gesetz muss die Große Koalition liefern

Börsen-Zeitung, 18.11.2015 Nach dem Willen der Großen Koalition soll Deutschland "Gründungsrepublik" werden. Hierzu zählt auch ein hinreichendes Angebot an Wagniskapital für innovative Unternehmen. Für diese ist Venture Capital (VC) oftmals die...

Beim Venture-Capital-Gesetz muss die Große Koalition liefern

Nach dem Willen der Großen Koalition soll Deutschland “Gründungsrepublik” werden. Hierzu zählt auch ein hinreichendes Angebot an Wagniskapital für innovative Unternehmen. Für diese ist Venture Capital (VC) oftmals die einzige Finanzierungsquelle. Vor zwei Jahren einigten sich die Koalitionäre darauf, die Rahmenbedingungen mittels eines “Venture-Capital-Gesetzes” zu verbessern. Lange Zeit passierte eher wenig: Der Mitte 2013 eingeführte INVEST-Zuschuss für Wagniskapital wurde rückwirkend von der Steuer befreit, das “Deutsche Börse Venture Network” als neue Exit-Plattform ins Leben gerufen, und die KfW nahm ihr VC-Engagement wieder auf. Diese Neuerungen sind gewiss wichtige Maßnahmen; die ambitionierten Ankündigungen im Koalitionsvertrag sind damit jedoch noch nicht eingelöst. Und auch das kürzlich von der Bundesregierung vorgelegte “Eckpunktepapier Wagniskapital” bleibt im Ergebnis hinter den selbstgesteckten Zielen zurück. Gleichwohl ist es ein Bekenntnis der Regierung zu einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für Venture Capital. Nicht weniger, aber auch leider nicht viel mehr. Lediglich die darin angekündigte Ausweitung des INVEST-Zuschusses auch für Fondsinvestitionen ist die einzige konkrete Maßnahme. Warten auf GodotDanach soll der Zuschuss künftig auch bei entsprechenden Investitionen in Fonds gewährt werden. Diese Weiterentwicklung ist folgerichtig: Denn der VC-Bedarf ist nach den ersten Finanzierungsrunden besonders groß und der Mangel an Wagniskapital in dieser Entwicklungsphase eines Unternehmens in Deutschland evident. Business Angels allein können in dieser Phase meist das erforderliche Kapital nicht mehr gewähren; ein fondsgestützter Wagniskapitalgeber schon. Insgesamt fühlt man sich bei der Beobachtung der Bemühungen um ein VC-Gesetz an das Theaterstück des Dramatikers Samuel Beckett “Warten auf Godot” erinnert. IT-Gipfel könnte Signal gebenVon dem heute beginnenden nationalen IT-Gipfel könnte ein Signal ausgehen, weitere Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Denn gerade im Bereich der Digitalisierung kommt VC eine herausragende Rolle zu. Ein Blick über den Atlantik verdeutlicht dies: Unternehmen wie Facebook, Google oder Microsoft konnten ihren Erfolg nur dank VC erreichen: Vor wenigen Jahren noch nicht existent, sind sie zu milliardenschweren Global Playern gereift. Mehr als 20 % des Bruttoinlandsprodukts der Vereinigten Staaten werden durch Firmen erwirtschaftet, die aktuell oder ehemals mit VC finanziert wurden. Circa 10 % der Beschäftigten in den USA arbeiten in momentan bzw. früher mit VC finanzierten Unternehmen. Hierzulande hingegen herrscht insbesondere bei der sogenannten Anschlussfinanzierung ein Defizit an Wagniskapital. Manche sprechen von dem “Tal des Todes” für junge Unternehmer, denen nach der erfolgreichen Gründung das erforderliche Kapital fehlt. Bleibt das Tal bestehen, nimmt unsere gesamte Volkswirtschaft Schaden. Wenn Innovationen zwar hier entstehen, die Kommerzialisierung allerdings, wie etwa beim MP3-Player, im Ausland erfolgt, kann Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft nicht aufrechterhalten. Insofern ist die Förderung von Wagniskapital nicht nur ein entscheidendes Instrument zur Innovationsstärkung, sondern letztlich zukunfts- und wohlstandssichernd.Wir haben in Deutschland diesbezüglich auch kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Aber im politischen Alltag geht es leider viel zu oft darum, drohende Verschlechterungen der Rahmenbedingungen durch regulatorischen Übereifer oder fiskalisch geprägte Begehrlichkeiten zu verhindern. Auch insofern erinnert die aktuelle Politik gelegentlich an absurdes Theater frei nach Beckett: Erst in letzter Minute ist es bei der Novellierung der Anlageverordnung gelungen, neue Restriktionen für Investitionen von Versicherungen in VC-Fonds zu vermeiden. Und auch die vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagene Besteuerung der Veräußerungsgewinne aus Streubesitz (§ 8b KStG) im Rahmen der Investmentsteuerreform würde dem deutschen Gründungsstandort erheblich schaden. Deswegen ist zu begrüßen, dass sich die Regierungsfraktionen im Bundestag mit ihrem Antrag zur Industrie 4.0 letzte Woche dagegen ausgesprochen haben. Chance auf AnpassungenMit der sogenannten OGAW-V-Umsetzung hat die “GroKo” die Chance, Anpassungen im Kapitalanlagesetzbuch (KAGB) vorzunehmen, um VC hierzulande zu stärken. Hierbei geht es um eine Harmonisierung an die europäische Venture-Capital-Verordnung. Umgekehrt sollte auf neue Restriktionen für die Vergabe von Gesellschafterdarlehen, wie in dem im September verabschiedeten Regierungsentwurf vorgesehen, verzichtet werden. Diese sind weder aufsichtsrechtlich geboten noch europarechtlich erforderlich, sondern schaffen vor allem eins: unnötige Bürokratie. Das eine tun und das andere lassen, sollte daher das Gebot für das im Dezember beginnende parlamentarische Gesetzgebungsverfahren werden. Dann könnte das OGAW-V-Umsetzungsgesetz im übertragenen Sinne zumindest zum kleinen Bruder des herbeigesehnten Godots werden.Es bleibt weiterhin viel zu tun, um Wagniskapital in Deutschland zu fördern: Keine Umsatzbesteuerung auf die sogenannten Management Fees, die Einführung der gesetzlichen Steuertransparenz oder Änderungen bei den geltenden Regelungen zum Verlustvortrag (8c KStG) sind hier einige Stichworte der Diskussion. All diese Vorschläge verbindet dabei eins: Sie sind keine Privilegierung einer einzelnen Anlageklasse, sondern vielmehr eine erforderliche Anpassung an die im europäischen Ausland längst geltenden Regeln. Deswegen sollte das Argument “Europa” auch nicht als Vorwand für den aktuellen Stillstand missbraucht werden. Deutsche Gesetze sind selbstverständlich europarechtskonform auszugestalten und die geltenden Regelungen in anderen Mitgliedstaaten zeigen, dass die genannten Maßnahmen möglich sind. Hoffen aufs GesetzKurz nach dem IT-Gipfel beginnt die Adventszeit, bekanntlich die Zeit der Ankunft. Für die deutsche Gründungslandschaft ist zu hoffen, dass auch die Ankunft eines Venture-Capital-Gesetzes nicht allzu lange auf sich warten lässt und das Drama um ein Venture-Capital-Gesetz einen anderen Verlauf nimmt als Becketts Stück. Keinesfalls sollte das VC-Gesetz als alleiniger Heilsbringer verklärt werden. Aber fest steht, dass es ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur postulierten “Gründungsrepublik” Deutschland wäre. Im April 2016 jährt sich der Geburtstag Becketts zum 110. Mal, bis dahin sollte die Große Koalition liefern. Damit sich das Warten auch gelohnt hat: Für die Gründerinnen und Gründer, Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit und unser aller Zukunft! Auf zu einem neuen Akt!—-Peter Güllmann, Sprecher des Vorstands des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK)