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Beredtes Schweigen im Betrugsprozess

Von Michael Flämig, München Börsen-Zeitung, 8.7.2015 Hanns Feigen ist ein wortgewaltiger Mann. Dies bekam einst der ehemalige FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß zu spüren, trotz immenser Steuerdelikte mit bemerkenswert wenig Einsichtsfähigkeit...

Beredtes Schweigen im Betrugsprozess

Von Michael Flämig, MünchenHanns Feigen ist ein wortgewaltiger Mann. Dies bekam einst der ehemalige FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß zu spüren, trotz immenser Steuerdelikte mit bemerkenswert wenig Einsichtsfähigkeit gesegnet. Nach seinem abgelesenen Reuebekenntnis vor Gericht wollte Hoeneß vor einem Jahr bei der Befragung durch das Gericht schnell wieder sein Mantra “Ich-bin-mein-eigener-Herr” reiten, da fuhr Feigen ihn im Gerichtssaal coram publico an: “Erzählen Sie doch keinen vom Gaul.” Fraglos glücklichDieser Tage ist Feigen wieder einmal mit Big-Boss-Mandaten betraut, unter anderem in München. Er vertritt den Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, gegen einen Betrugsvorwurf vor der Wirtschaftsstrafkammer. Ein anderes Kaliber als Hoeneß, kein Zweifel. Darüber hinaus sind vier weitere Ex-Manager des Kreditinstituts angeklagt. Wie verteidigt der Staranwalt nun den Bankchef?Er schweigt.Meistens jedenfalls, vom gewichtigen Eingangsstatement einmal abgesehen. Auch am achten Verhandlungstag ist kaum ein öffentliches Wort von Feigen zu hören. Dies mag bei der Vernehmung von Zeugen teils aus der zweiten Reihe verständlich sein. Ein Jurist aus der Rechtsabteilung der Deutschen Bank, Manfred Obermüller, referiert am Dienstag über die Details der Bearbeitung der Schadenersatzansprüche des ehemaligen Medienunternehmers Leo Kirch. Außerdem wird die Staatsanwältin Christiane Serini als Zeugin befragt dazu, was sie bei der Befragung des nicht aussagebereiten früheren Vorstands der Deutschen Bank, Michael Cohrs, erfahren hat. Schwarzbrot halt.Ähnliche Zurückhaltung allerdings hat Feigen auch sechs Tage zuvor an den Tag gelegt. Ein Showdown wäre möglich gewesen, ein Wortgefecht römischen Ausmaßes, schließlich trat mit Guido Kotschy jener Richter in den Zeugenstand, der die Deutsche Bank vor Jahren zu einem Vergleich im Wert von mehr als 900 Mill. Euro gezwungen hatte. Kotschy zeichnet sich seinerseits ebenfalls durch Temperament sowie Wortgewalt aus. Doch als der Vorsitzende Richter Peter Noll den Verteidigern die Möglichkeit gibt, das Fragefeuer zu eröffnen, folgt zwar durchaus ein Nachhaken verschiedener Juristen, doch die trockene Entgegnung von Feigen lautet: keine Frage.Kürzer kann ein Zwischenfazit kaum ausfallen: Dass nicht einmal die Reizfigur Kotschy ein Reingrätschen erzwingt, demonstriert öffentlich, wie gut es aus Sicht Feigens läuft. Diese Einschätzung dürfte der Kreis der Verteidiger teilen, der ein gutes Dutzend Rechtsanwälte umfasst. Ihre Mandanten vertreten teils divergierende Interessen, eine Einheit gibt es nicht einmal in der Gestaltung der Mittagspause. So sind einige Verteidiger auch im Saal durchaus aktiv: Immer mal wieder wird ein Beweisantrag gestellt oder eine Zeugenaussage in eine Erklärung umgemünzt, um eine vorteilhafte Aussage festzuschreiben. Auch die Zeugen werden zu allerlei Details befragt. Schließlich will nicht nur der Stundensatz verdient sein, sondern auch das Terrain arrondiert werden.Zudem ist nicht jeder Klient ganz einfach zu betreuen. Jener ehemalige Inhaber diverser Top-Positionen bei der Deutschen Bank, der einst vor seiner Zeugenaussage beim Oberlandesgericht (OLG) seinem Begleiter in etwa zugezischt hatte, dieser solle doch den damals noch nicht erschienen Richtern ausrichten, er sei ein Warten nicht gewohnt, pariert in diesem Wochen beim Betreten des Strafjustizzentrums die Bitte des Sicherheitspersonals, den Gürtel routinemäßig für die Röntgenuntersuchung abzulegen, mit der Frage, ob der Polizeibeamte da wirklich sicher sei. Einfühlungsvermögen in sozial adäquates Verhalten hört sich anders an. ScharfzüngigAnwälte werden auch dafür, aber hauptsächlich für ihren Sachverstand bezahlt. Als Speerspitze der Verteidiger hat sich nach acht Verhandlungstagen Norbert Scharf etabliert. Die Prozessregie hat den Partner der Münchner Rechtsanwaltskanzlei Grub Brugger in die erste Reihe gesetzt, er beginnt regelmäßig die Zeugenbefragung. Zudem vertritt Scharf mit Rolf Breuer, der schon den OLG-Prozess als Angeklagter erlebte, nicht nur eine Schlüsselfigur des Verfahrens, sondern den Manager mit dem ausgeprägtesten Risiko-Chancen-Profil in Sachen Kirch.Scharfzüngig, allzeit präsent, extrem gut vorbereitet: So bereitet Scharf, der nach der Promotion und einem Zwischenspiel in Brüssel 1998 als Regierungsrat im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung seine Karriere gestartet hatte, den Erkenntnissen ihren Boden. Immer wieder nimmt Noll den Ball auf, bedenkt Scharf mit kurzen wohlwollenden Kommentierungen. Als dem Breuer-Anwalt das Namensschild herunterfällt, lässt Noll fallen, dies sei wohl dem Temperament von Scharf geschuldet.Der Prozess ist aktuell bis Ende September terminiert. Viel Zeit sowohl für Reden als auch beredtes Schweigen.