Berlin attackiert hohe Dispozinsen

Ministerin Aigner lädt im Herbst zu Spitzengespräch - Kreditwirtschaft weist Vorwürfe zurück

Berlin attackiert hohe Dispozinsen

Verbraucher zahlen hierzulande häufig zu hohe Zinsen bei Überziehungskrediten. Dies ergibt eine von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner in Auftrag gegebene Studie. Die Kreditwirtschaft begründet die hohen Zinsen mit einem hohen Aufwand.ge Berlin – Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner kritisiert die aus ihrer Sicht oftmals zu hohen Zinsen für Dispositionskredite. Es sei nicht vermittelbar, dass Banken und Sparkassen sich zu historisch niedrigen Zinsen Geld besorgen könnten, sie aber andererseits von ihren Kunden zum Teil überhöhte Dispozinsen verlangten, “die nicht zu rechtfertigen sind”, mahnte sie bei der Vorstellung einer Studie zu Dispozinsen.Darin zeigen das vom Ministerium beauftragte Institut für Finanzdienstleistungen und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, dass viele Banken faire Konditionen anböten, andere jedoch die Zinsen in die Höhe trieben. “Wollen die Banken den Kredit bei ihren Kunden nicht verspielen, müssen sie runter von überhöhten Dispozinsen”, fordert Aigner, die für den Herbst zu einem Spitzengespräch mit Branchenvertretern, Verbraucherschützern sowie Schuldnerberatung einlädt.Beispiele aus der Praxis zeigten den Autoren der Studie, dass sowohl Filial- als auch Direktbanken mit Zinssätzen von derzeit um die 10 % pro Jahr für die eingeräumte und geduldete Überziehung “profitabel arbeiten können”. Weniger als 10 % Jahreszins für den Dispo verlangen nach einer Untersuchung von Finanztest (veröffentlicht im Oktober-Heft 2011) aber nur 4,5 % aller befragten Kreditinstitute – wobei die Spanne von 6 % bei der Deutschen Skatbank und 6,95 % bei der DAB Bank bis zu satten 18,25 % bei der Volksbank Randerath-Immendorf reicht. Entsprechend kritisch sehen die Autoren das aktuelle Disponiveau bei vielen Banken und Sparkassen – zumal sie auch die Begründungen der Institute für die hohen Zinsen in Zweifel ziehen: Demnach habe sich weder der Verwaltungs- und Bearbeitungsaufwand in den letzten Jahren erhöht, noch seien die Ausfallquoten mit im Schnitt knapp 0,3 % auffallend hoch. Ganz im Gegenteil, betrage die Ausfallquote bei Konsumentenkrediten doch 2,5 %. Zugleich wird in der Studie darauf hingewiesen, dass sich die Refinanzierungskosten der Banken am Geldmarkt in den vergangenen Jahren erheblich reduziert hätten, die Dispozinsen aber nicht im gleichen Maße gefallen seien. “Es liegt also nahe, dass die Erträge aus dem Dispokreditgeschäft die Kosten, die dem Kreditinstitut für dieses einzelne Produkt entstehen, deutlich übersteigen, so dass sie zur Quersubventionierung anderer Leistungen oder zur Gewinnsteigerung verwendet werden”, heißt es in der Studie.Die in der Deutschen Kreditwirtschaft zusammengeschlossenen Spitzenverbände erklären die höheren Zinsen im Vergleich zum Ratenkredit mit dem höheren laufenden Aufwand. Die geringeren Ausfallquoten für Dispokredite erklärt sich die Branche mit einem Umbuchen vieler Dispo- in Ratenkredite. Um den Wettbewerb der einzelnen Häuser zu fördern, sprechen sich die Banken – wie auch die Autoren der Studie – gegen die Einführung einer gesetzlich festgelegten Zinsobergrenze aus – anders als SPD, Grüne und Verbraucherschützer.Eine gleichzeitig vorgelegte Verbraucherbefragung des Forsa-Instituts zeigt, dass fast jeder vierte Kontoinhaber im ersten Halbjahr mindestens einmal sein Girokonto überzogen hat. Überdurchschnittlich (mit 32 %) sind dies 30- bis 44-Jährige und Befragte mit einem Haushaltsnettoeinkommen von 3 000 Euro im Monat und mehr (31 %) – während nur 22 % der Geringverdiener zwischenzeitlich in der Kreide standen.