Berlin lotet Verbot von Negativzinsen aus

Finanzminister Scholz nennt Prüfung kompliziert und langwierig - Breite Kritik an Gesetzesvorstoß

Berlin lotet Verbot von Negativzinsen aus

dpa-afx Frankfurt/Berlin – Die Bundesregierung lotet ein mögliches Verbot von Strafzinsen für Kleinsparer aus. Das Finanzministerium habe eine Prüfung veranlasst, “ob es der Bundesregierung rechtlich überhaupt möglich ist, Kleinsparer vor solchen Negativzinsen zu schützen”, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) der Funke Mediengruppe. “Diese Prüfung ist aber kompliziert und wird etwas dauern.” Zweifel an der Sinnhaftigkeit gibt es bereits.Scholz reagierte auf einen Vorstoß von CSU-Chef Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident hatte eine Bundesratsinitiative angekündigt mit dem Ziel, Beträge bis 100 000 Euro grundsätzlich von solchen Strafzinsen auszunehmen (vgl. BZ vom 22. August). Notwendig sei ein gesetzliches Verbot, die Negativzinsen auf Kleinsparer umzulegen, hatte Söder gefordert. Banken müssten ihre Kosten anders ausgleichen. “Sparen muss belohnt und darf nicht bestraft werden”, sagte Söder.Einzelne Institute geben die Strafzinsen der EZB bereits seit einiger Zeit an Unternehmen oder große Investoren wie Fonds weiter. Und selbst reiche Privatkunden werden in manchem Haus zur Kasse gebeten. Das Gros der Privatkunden jedoch ist bis dato von Strafzinsen verschont geblieben – zu groß ist die Sorge, Kunden zu verprellen.Doch die Andeutung von EZB-Präsident Mario Draghi, dass die Notenbank den negativen Einlagenzins verschärfen könnte – womöglich schon in ihrer nächsten Zinssitzung am 12. September – hat die Branche alarmiert. “Es könnte sein, dass viele Banken auf Dauer nicht mehr umhinkönnen, die zusätzlichen Belastungen auch in der Breite an Privatkunden weiterzugeben”, sagte jüngst der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Andreas Krautscheid.Ähnliche Stimmen kamen aus dem Lager der Genossenschaftsbanken: “Es wird für Banken immer schwerer, bei anhaltenden Negativzinsen eine angemessene Profitabilität im Kundengeschäft sicherzustellen”, sagte die Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Marija Kolak. “Insbesondere, wenn auf die Weitergabe der negativen Zinsen im Mengengeschäft verzichtet wird” (vgl. BZ vom 12. Juli).Die Deutsche Kreditwirtschaft betonte nach dem Söder-Vorstoß, Banken und Sparkassen kalkulierten wie andere Kaufleute auch ihre Preise und Entgelte auf Grundlage des Marktumfeldes in eigener Verantwortung. “Gesetzliche Verbote sind systemfremd, helfen den Kunden nicht weiter und können letztlich zu einer gefährlichen Instabilität der Finanzmärkte führen”, erklärte die Interessenvertretung der Spitzenverbände von Banken und Sparkassen.Der Ökonom Marcel Fratzscher lehnt ein Verbot von Negativzinsen für Kleinsparer ab. Die Forderung sei “populistisch” und gehe “völlig an der Realität vorbei”, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) der “Passauer Neuen Presse”. Auch Fratzscher warnte vor weitreichenden Folgen eines Verbots: “Im Extremfall könnte das zur Destabilisierung des deutschen Bankensystems führen.”Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Klaus Müller, schreibt in der “Augsburger Allgemeinen” einem Gesetz gegen Negativzinsen “vor allem Symbolcharakter” zu. Bundesfinanzminister Scholz nannte Negativzinsen eine echte Belastung für private Sparer: “Ich finde es keine gute Idee, wenn Banken Strafzinsen erheben für Guthaben auf Girokonten oder Tagesgeldkonten. Am besten wäre es, wenn die Banken das einfach lassen.” – Kommentar Seite 1