Beteiligungskapital fördert saubere Technologien

Cleantech-Branche profitiert insbesondere von Seed-Fonds, Venture Capital und Private Equity - Es entstehen zukunftsfähige Industrien und Arbeitsplätze

Beteiligungskapital fördert saubere Technologien

Der Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen ist in vollem Gange. Neue Unternehmen entwickeln und vermarkten ressourcenschonende Produkte. Die Cleantech-Branche profitiert insbesondere von Seed-Fonds, Venture Capital und Private Equity. Sie geben das nötige Kapital für Entwicklung und Wachstum.Von Cleantech profitieren alle. Saubere Technologien, das sind neuartige Verfahren, Produkte und Dienstleistungen, die Ressourcen schonend einsetzen und dadurch weniger schädliche Emissionen verursachen, gleichzeitig aber die Effizienz erhöhen sowie Leistung und Produktivität steigern. Der Einsatz von Cleantech mündet damit in Wachstum, das die Umwelt schont und nachhaltig ist. Wachsender MarktAuch in Nordrhein-Westfalen zieht es viele Unternehmen auf den wachsenden Cleantech-Markt. Dieser hat viele Facetten. Die Unternehmen arbeiten an Innovationen, die die Energieeffizienz erhöhen oder Energie einsparen, Strom dezentral erzeugen, Netze intelligent zu Smart Grids verbinden, Abfall vermeiden und mittels Biotechnologie und grüner Chemie industrielle Produktionsprozesse effizienter und umweltschonender gestalten. Häufig fehlt es diesen meist jungen Unternehmen am Kapital, das für ihre Entwicklung und das Wachstum erforderlich ist. Als Förderbank für Nordrhein-Westfalen fördert die NRW.Bank gezielt Wachstumsunternehmen und innovative Technologien mit dem Ziel, dass das Leben und Arbeiten in Nordrhein-Westfalen auch künftig attraktiv bleibt.Manche Branchenkenner schätzen, dass bislang etwa die Hälfte des in Deutschland investierten Venture Capital aus öffentlichen Mitteln kommt. Denn Förderbanken investieren auf unterschiedlichsten Wegen in innovative Start-ups und unterstützen in Wachstumsphasen Übernahmen. Sie sorgen für Kredite, stellen Bürgschaften und investieren auch selbst. Als sogenannter Ankerinvestor ebnet die NRW.Bank auch den Weg für private Investoren, unterstützt Netzwerke und berät. Förderbanken sorgen für Vertrauen in den Markt und in die jeweiligen Unternehmen. Denn das Investitionskriterium ist das gleiche, wie es private VC-Fonds anlegen: Das junge Unternehmen muss eine gute Chance haben, sich langfristig auf dem Markt zu positionieren und erfolgreiche Geschäfte zu machen. Unterschiede zu den USADoch noch immer unterscheidet sich der deutsche Venture-Capital-Markt deutlich vom US-amerikanischen. Der größte Unterschied ist, dass es hierzulande viel weniger Marktteilnehmer gibt und die von ihnen investierten Beträge deutlich geringer sind. Doch die Summen wachsen: Allein im ersten Halbjahr erhielten deutsche Start-ups laut EY-Start-up-Barometer 2015 mit 1,9 Mrd. Euro mehr Venture Capital als im gesamten Jahr 2014, als es 1,6 Mrd. Euro waren.Auch für die Unternehmen ist die Beteiligung der NRW.Bank von Vorteil. Das Förderinstitut ist oft über mehrere Finanzierungsrunden hinweg dabei und somit ein stabiler und verlässlicher Faktor, mit dem sowohl die Unternehmen als auch andere Beteiligungskapitalgeber rechnen können. Insgesamt ist die NRW.Bank mit ihren verschiedenen Fonds mittlerweile an rund 120 Unternehmen beteiligt. Ein signifikanter Teil davon ist im Cleantech-Umfeld anzusiedeln. Die eigenen Venture-Capital-Fonds der NRW.Bank haben bisher 17,2 Mill. Euro von insgesamt 76,7 Mill. Euro in saubere Zukunftstechnologien investiert. 22,4 % des Venture Capital sind demnach in den Bereich Cleantech geflossen.Auf das direkte Beteiligungskapital der Förderbank konnte beispielsweise die Direvo Industrial Biotechnology GmbH zurückgreifen. Das Kölner Unternehmen stellt spezielle Enzyme her, die Biomasse aufschließen, die damit als Grundstoff für Futtermittel dienen kann. Mit diesen Enzymen können die Tiere ihr Futter besser verdauen. Direvo will ihre Produkte vor allem in den USA vermarkten, einem der größten Futtermittelmärkte der Welt. Hinzu kommt, dass die NRW.Bank an zehn regionalen Seed-Fonds jeweils als wesentlicher Fondsinvestor beteiligt ist. Viele dieser Seed-Fonds würde es ohne die Initiative der Förderbank nicht geben. Sie findet sich oft in der Rolle des Katalysators, stellt das Investorenkonsortium zusammen und sorgt dafür, dass sich eine genügend starke Gruppe an Investoren zusammenfindet. Denn gerade die Finanzierung in der Seedphase ist für mehr als 90 % der Start-ups die größte Sorge – nur noch 22 % der Unternehmen fürchten Finanzierungsprobleme in der Expansionsphase.Die regionalen Seed-Fonds in Nordrhein-Westfalen, an denen wir jeweils als wesentlicher Fondsinvestor beteiligt sind, haben insgesamt bisher 13,5 Mill. Euro in den Bereich Cleantech gelenkt. Das sind 24,6 % der von ihnen insgesamt investierten 54,8 Mill. Euro.Eines der größten Cleantech-Wachstumsfelder ist die intelligente Energieerzeugung und -verteilung. Dieser hat sich Green Pocket aus Köln verschrieben und konnte den Seed-Fonds Rheinland Venture Capital und den NRW.Bank.Venture Fonds Zwei von sich überzeugen. Das Unternehmen stellt Enterprise Software her, mit der die Stromerzeuger besser mit den Smart-Metern in den Haushalten kommunizieren können. So sorgt Green Pocket für intelligentere Stromnetze.An der Automatisierung und Steuerung von schlauen Häusern und Energienetzwerken, den sogenannten Smart Homes und Smart Grids, arbeitet auch Permundo aus Düsseldorf. Mit seinen intelligenten Steckdosen konnte das Unternehmen den Emscher-Lippe-Seed Fonds als Investor gewinnen. Antischall schafft RuheEin völlig anderes Umweltproblem sind Lärmemissionen. WaveScape bekämpft diese mit innovativer Akustik-Dämmung. Die Wuppertaler setzen die aus Kopfhörern und Headsets bekannte Antischall-Technologie in Industrieanlagen und im häuslichen Umfeld ein. Statt störendem Lärm durch Staubsauger im Haus, Rasenmäher oder Kettensägen im Garten oder Kompressoren und Transformatoren im industriellen Umfeld soll dort künftig Ruhe herrschen. Das fand der Emscher-Lippe-Seed Fonds so spannend, dass er sich beteiligt hat.Cleantech im eigentlichen Wortsinne entwickelt Multibind Biotech. Weil es in Laboren auf allerhöchste Sauberkeit auch auf molekularer Ebene ankommt, stellt das Biotechnologie-Unternehmen aus Köln molekulare Desinfektionsmittel her. In der Diagnostik ebenso wie in der Forensik und bei Agrar-Biotechnologien kommt es immer wieder vor, dass Testergebnisse verfälscht sind, weil noch Rest-DNA- und RNA-Moleküle aus Mikroorganismen von früheren Untersuchungen auf Geräten, Instrumenten, Labortischen und Oberflächen vorhanden sind und die aktuelle Untersuchung kontaminieren. BioDecont heißt das von Multibind Biotech entwickelte natürliche Desinfektionsmittel, das materialschonend, umweltverträglich und hautfreundlich jegliche Rückstände alter DNA und RNA entfernt. So werden die Ergebnisse genauer und eine effizientere Produktion möglich. Dies überzeugte den Sirius Seed Fonds Düsseldorf. Reiserouten optimierenDer Ressourcenverschwendung beim Reisen hat FromAtoB den Kampf angesagt. Durch eine intelligente Kombination von Verkehrsmitteln optimiert das inzwischen sechs Jahre alte Start-up nicht nur die Reiserouten, sondern senkt auch die Reisekosten. Dazu bezieht die Internetplattform alle Verkehrsmittel in ihre Routen- und Kostenkalkulation ein, Busse und Bahnen ebenso wie Flugzeug, Auto und Mitfahrgelegenheiten. Gegründet haben FromAtoB zwei Absolventen der RWTH Aachen, die damals selbst weite Strecken pendelten. Neben dem Seed-Fonds Aachen hat sich auch ein französischer Risikokapitalfonds beteiligt, der damit den Frankreich-Start der Reiseplattform ebnete und die internationale Expansion vorantrieb. Inzwischen ist FromAtoB in elf Sprachen verfügbar und registriert mehr als 7 500 Anfragen pro Minute.Mit ihrer vielfältigen Unterstützung von Gründern und Buy-out-Akteuren schafft es die NRW.Bank auf den unterschiedlichsten Gebieten im weiten Feld Cleantech saubere Innovationen in Nachhaltigkeit anzustoßen. Damit treibt das Förderinstitut den Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen erfolgreich voran und trägt dazu bei, dass zukunftsfähige Industrien und Arbeitsplätze entstehen.—Michael Stölting, Mitglied des Vorstands der NRW.Bank