Finanzmarktintegritätsgesetz

Bilanzkontrolle bleibt umstritten

Wie nach dem Wirecard-Skandal die Bilanzkontrolle mehr Biss bekommen soll, ist unter Experten umstritten. Die Regierungskoalition steuert auf alleinige Zuständigkeit der Finanzaufsicht BaFin zu.

Bilanzkontrolle bleibt umstritten

wf Berlin

Immerhin die Finanzaufsichtsbehörde BaFin hat eine klare Haltung zur idealen Form der Bilanzkontrolle: Die Behörde baut auf mehr Konsequenz nach dem Wirecard-Skandal und wünscht sich den Wechsel auf ein einstufiges Kontrollverfahren, in dem sie allein zuständig ist. Dies machte Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch in der Anhörung im Finanzausschuss des Bundestags zum Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) deutlich. Mit einem einstufigen Verfahren, das Standard in vielen Ländern sei, seien Kompetenzfragen gelöst.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung aus den SPD-geführten Ministerien von Olaf Scholz (Finanzen) und Christine Lambrecht (Justiz) bleibt beim zweistufigen Verfahren, will das Enforcement aber verschärfen. Der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag dringt indessen auf alleinige Zuständigkeit der BaFin.

Bislang prüft die privatrechtlich geführte Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) die Einhaltung von Rechnungslegungsstandards. Die BaFin kommt erst bei Problemfällen ins Spiel, wenn Zweifel an der Richtigkeit von Bilanz oder Lagebericht bestehen oder wenn die Unternehmen nicht mitwirken. Künftig soll die BaFin Verfahren an sich ziehen können und auch für forensische Prüfungen personell ausgestattet werden.

Unterstützung für eine bei der BaFin konzentrierte Prüfung kam von Jan Pieter Krahnen, Direktor des Leibniz Institute für Finanzmarktforschung Safe an der Goethe-Universität Frankfurt. Das zweistufige System verhindere, dass die BaFin eigene Prüferfahrung aufbaue, sagte er. Auch nach Ansicht von Hansrudi Lenz, Universität Würzburg, verbessert die Beteiligung der DPR in dem zweistufigen Verfahren nichts. Dies belegten Studien. Klaus Hopt vom Max-Planck-Institut Hamburg hält die Trennung, die es auch in Schweden oder Österreich gebe, indes für „sehr sinnvoll“. Auch das Deutsche Aktieninstitut DAI will das zweistufigen Verfahren bewahren, damit die in vielen Jahren aufgebaute Expertise der DPR zur korrekten Anwendung der komplexen nationalen und internationalen Rechnungslegungsstandards erhalten bleibe.

Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), die nicht zur Anhörung eingeladen war, sich aber schriftlich äußerte, plädiert ebenfalls für das zweistufige Verfahren. In der SPD-Fraktion zeigten ihr finanzpolitischer Sprecher Lothar Binding und die Berichterstatterin Cansel Kiziltepe Sympathie für den CDU/CSU-Vorschlag: „Mit einer Übernahme durch die BaFin und der Umstellung auf ein einstufiges Verfahren könnte die Bilanzkontrolle mit mehr Biss ausgestattet werden.“

Ringen um die Haftung

Zur Abschaffung der Haftungshöchstgrenzen für Abschlussprüfer bei grober Fahrlässigkeit sind die SPD-Politiker entschlossen: „Eine Verwässerung dieser Ausweitung der Abschlussprüferhaftung wäre fatal.“ In der Anhörung wurde dazu kontrovers diskutiert. Wissenschaftler wie Joachim Hennrichs von der Universität zu Köln oder Annette Köhler, Universität Duisburg-Essen, sehen die Gefahr einer weiteren Konzentration im Abschlussprüfermarkt, weil mittelständische Prüfer keine unbegrenzte Haftung riskieren können. Kritisch sah Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas die Möglichkeit, Abschlussprüfer schon bei Bagatellverstößen gerichtlich abzuberufen. Auf dem engen Markt gebe es keinen kurzfristigen Ersatz.