Bitcoin-Börse Mt. Gox implodiert

Dokument unterstellt Diebstahl von mehr als 740 000 Bitcoins und drohende Zahlungsunfähigkeit

Bitcoin-Börse Mt. Gox implodiert

hip London – Die japanische Bitcoin-Börse Mt. Gox ist offenbar implodiert. Die Homepage der digitalen Wechselstube, die zeitweise der größte Handelsplatz für die digitale Währung war, zeigt dem Besucher nur noch einen kurzen Hinweis, dass alle Transaktionen ausgesetzt wurden, um die Website und ihre Nutzer zu schützen. Im Internet kursiert ein Dokument unter dem Titel “Entwurf für eine Krisenstrategie”, das dem Unternehmen zugeschrieben wird.Demnach entwendeten Hacker über die Jahre mehr als 740 000 Bitcoins im aktuellen Marktwert von 350 Mill. Dollar, ohne dass der Firma dies aufgefallen wäre. “Mt. Gox kann jeden Moment zahlungsunfähig werden”, heißt es in der Datei, die vom Blogger Ryan Selkis (“The Two-Bit Idiot”) ins Netz gestellt wurde. Wie es in dem Dokument heißt, stehen Assets von 32 Mill. Dollar und 2 000 Bitcoins Verbindlichkeiten von 55 Mill. Dollar und die gestohlenen 744 408 Bitcoins gegenüber. Der Handelsplatz soll für gut einen Monat geschlossen und nach dem 1. April unter dem neuen Namen Gox wiedereröffnet werden. Eigentümer Mark Karpeles soll als CEO zurücktreten, allerdings sei dies in Japan erst möglich, wenn ein Nachfolger benannt wird.Selkis zufolge wurde ihm die Zahlen von Personen aus dem Umfeld der Firma bestätigt. Bei Mt. Gox war niemand für eine Stellungnahme zu erreichen, allerdings wird die Website www.gox.com bereits vom Server des Unternehmens bedient. Auch Tibanne Ltd., die Firma von Karpeles, war unerreichbar. Sie hat vor ein paar Wochen größere Büros im Tokioter Trendviertel Shibuya bezogen. Rivalen distanzieren sichDer Internet-Unternehmer hatte Mt. Gox vor drei Jahren von Jed McCaleb erworben. Der hatte die Firma einst als Online-Börse für Fans des Sammelkartenspiels “Magic: The Gathering” gegründet. Im Netz wurde prompt unterstellt, Insider könnten an dem Diebstahl beteiligt sein. Die Wettbewerber Bitstamp.net, Blockchain.info, BTC China, Circle, Coinbase und Kraken distanzierten sich in einer gemeinsamen Erklärung von Mt. Gox. Die virtuelle Währung, die im Dezember noch für mehr als 1 100 Dollar je Einheit gehandelt wurde, kostete bei Coinbase zuletzt 517,11 Dollar.Anders als das Gold im Online-Spiel “World of Warcraft” oder der Linden-Dollar aus der virtuellen Welt “Second Life” sind Bitcoins “echtes” Geld. Die virtuelle Währung ermöglicht – bislang gebührenfrei – weltweite Transaktionen, die nachzuverfolgen selbst der NSA schwerfallen dürfte. Genutzt wurde das Zahlungsmittel zunächst vor allem von sogenannten Technolibertären, denen die Freiheit im virtuellen Raum über alles geht. Der Name des Währungserfinders, Satoshi Nakamoto, ist ein Pseudonym, hinter dem mehr als einer stecken kann.Wer Bitcoin nutzt, benötigt keinen Finanzintermediär mehr. Banken, Kreditkartengesellschaften und andere Zahlungsabwickler wie die Ebay-Tochter Paypal bleiben außen vor. Bitcoin verwendet die Kryptografie, um zu verhindern, dass Bitcoins wie andere Dateien beliebig vervielfältigt werden. Ein komplexer Algorithmus stellt sicher, dass nicht mehr als 21 Millionen hergestellt werden können. Bevor die Währung im vergangenen Jahr zum Spekulationsobjekt wurde, ging die Nutzung von Bitcoins kaum über das technolibertäre Netzwerk hinaus.