FINANZEN UND TECHNIK - GASTBEITRAG

Bitcoin: Eintagsfliege oder Zukunft des Bezahlens?

Börsen-Zeitung, 3.12.2014 Bitcoin gilt als die erste dezentrale digitale Währung. Die Idee, die dahintersteckt: schnelle, günstige und anonyme bargeldlose Zahlungen direkt von Nutzer zu Nutzer. Der Gesamtwert der aktuell über 13 Millionen weltweit...

Bitcoin: Eintagsfliege oder Zukunft des Bezahlens?

Bitcoin gilt als die erste dezentrale digitale Währung. Die Idee, die dahintersteckt: schnelle, günstige und anonyme bargeldlose Zahlungen direkt von Nutzer zu Nutzer. Der Gesamtwert der aktuell über 13 Millionen weltweit im Umlauf befindlichen Bitcoins beträgt knapp 5 Mrd. Euro. Ursprünglich als neues Zahlungsmittel im Onlinehandel gedacht, hat sich Bitcoin mittlerweile auch zu einem Spekulationsobjekt für Hochrisikoanleger entwickelt. Bei der Beschäftigung mit Bitcoin drängt sich eine Frage auf: Sind Kryptowährungen das Bezahlsystem der Zukunft oder nur eine Spinnerei von technikverliebten Nerds? System ohne AufsichtBitcoins können als Investment gehalten oder zur Bezahlung für Waren und Dienstleistungen verwendet werden. Sie unterscheiden sich von klassischem Geld: Es gibt weder eine Zentralbank, die die Geldmenge reguliert, noch eine Finanzaufsicht, die die Geschehnisse rund um den Bitcoin-Markt überwacht.Neben dem möglichen Tausch von Euro oder Dollar in Bitcoin findet auch eine eigene Geldschöpfung statt: Die Nutzer – die sich über ein Programm in das Peer-to-Peer-Netzwerk einwählen – können Bitcoins selbst produzieren, indem sie durch kryptografische Berechnungen an der Geldschöpfung teilnehmen. Weil diese mit jedem produzierten Bitcoin komplizierter werden, sind mittlerweile Rechenleistungen nötig, die fast nur noch mit professioneller Ausstattung zu erreichen sind. Grund hierfür ist das Ziel eines möglichst konstanten Geldmengenwachstums, da sich die Rechenleistung der Chips alle 12 bis 24 Monate verdoppelt. Diese Operationen sind mittlerweile so umfangreich, dass sich die Bitcoin-Miner in sogenannten Mining-Pools – großen Rechnernetzen – zusammenschließen.In der Diskussion um die zukünftigen Herausforderungen der Digitalisierung geht es auch um die Frage, wie mit neuen, digitalen Zahlungsmitteln umgegangen werden soll. Bitcoins haben unbestritten Vorteile: Das dezentrale Netzwerk garantiert direkte Zahlungen von Kunde zu Kunde wie bei einem Bargeldgeschäft, ohne dass wie bei Kredit- oder EC-Kartentransaktionen wesentliche Nutzungsgebühren anfallen. Konnte man als Bitcoin-Nutzer anfangs noch den anarchischen Goldgräbercharme dieser neuen Art von Währung spüren, hat die Privatwirtschaft Bitcoin heute schon längst für sich entdeckt. Es hat sich bereits ein vielfältiger Markt rund um Bitcoin herausgebildet.Die Zukunft digitaler Währungen hängt auch davon ab, ob sich bekannte digitale Big Player oder einzelne Staaten die Technologie zu eigen machen und Krypto-Bezahlsysteme etablieren. Die hinter dem Bitcoin-System stehende Kryptotechnologie – die manche gar mit umwälzenden Erfindungen wie Buchdruck oder Dampfmaschine vergleichen – hat langfristig das Potenzial, mehr als nur das mobile Bezahlen zu verändern. Für viele Gebiete auf der Welt, die mittlerweile zwar flächendeckend mit mobilem Internet, aber nicht mit Bankfilialen ausgestattet sind, könnte das die Zukunft sein. Extreme KursschwankungenUm zum Abwicklungsstandard zu werden, haben digitale Währungen aber noch einige Hürden zu nehmen: Bitcoins haben nur und erst dann eine echte Chance, wenn die momentan extrem starken Kursschwankungen vermieden werden können. Der Wertverlust von über einem Drittel im zurückliegenden Quartal war nur eine weitere Etappe in der Achterbahnfahrt des Kurses.Auch die offenen Fragen, etwa zu Datenschutzproblemen, zur Geldwäsche und zur steuerlichen Behandlung, müssen offen angesprochen und diskutiert werden. Die Einlage der Nutzer muss sicher sein: sicher vor Diebstählen, sicher vor Veruntreuung und sicher vor generellem Verschwinden. Ein bestimmtes Maß an Regulierung ist nötig, damit Bitcoins vom Otto Normalverbraucher akzeptiert werden. Sollen Bitcoins zur wirklichen Alternative auf dem Zahlungsdienstemarkt werden, brauchen Händler und Nutzer Sicherheit. Exportschlager RegulierungDie größte Herausforderung ist es, sich auf gemeinsame Schritte bei der Regulierung zu einigen. Momentan gehen die Nationalstaaten noch eigene Wege. Das Thema muss deshalb auf die Tagesordnung der europäischen Politik. Vielleicht kann Deutschland aus einer guten und konsequenten Regulierung gar einen Exportschlager machen.Kann man Verbrauchern und Unternehmen heute schon guten Gewissens die Nutzung von Bitcoin empfehlen? Nein, aber das Thema und die Technologie dahinter sollte bei jedem, der mit Währungen, Zahlungssystemen und Handel zu tun hat, auf der Agenda stehen.—-Dr. Jens Zimmermann, SPD, Mitglied des Bundestags, Mitglied im Finanzausschuss und Stellvertretendes Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda