NÄCHSTE WELLE DER DIGITALISIERUNG ROLLT HERAN

Bitcoin-Technologie für Banken und Börsen

Blockchain-Investments ziehen trotz regulatorischer Hürden an - Ökosystem rund um digitale Währungen

Bitcoin-Technologie für Banken und Börsen

Deutschlands Banken wollen nicht noch einmal einen technologischen Trend verpassen und sind deshalb erpicht, frühzeitig neue Möglichkeiten in ihrer IT auszuprobieren, auch wenn das eine Abkehr von zentralen Datenbanken und Abrechnungsinstanzen bedeutet. Mitten in Frankfurt wird derzeit der Einsatz der Blockchain, Grundlage der virtuellen Währung Bitcoin, als dezentrales Register für Transaktionen in Piloten getestet. Denn dieses System verspricht mit dem Ausschalten von Zwischeninstanzen geringeren Aufwand und damit Kostenersparnis. Und mit Ripple steht bereits eine Weiterentwicklung der Blockchain bereit, die spezielle Dienstleistungen für Banken bereithält.Von Björn Godenrath, FrankfurtDie Nachrichtenlage rund um das Mt.-Gox-Desaster mit verschwunden Bitcoins ließen im vergangenen Jahr Zweifel wachsen an der Verlässlichkeit des digitalen Geldes. Kann ein dermaßen störungsanfälliges System, das von IT-Nerds mit zweifelhaftem Hintergrund gesteuert wird, wirklich Integration in internationale Zahlungssysteme erfahren bzw. ein Eigenleben entfalten als Parallelwährung? Offizieller Kurs fehltIn der Finanzwelt wird diese Frage zunehmend mit Ja beantwortet, sind in den vergangenen Monaten doch eine Reihe von Initiativen gestartet worden, Kryptowährungen wie Bitcoin bzw. ihre Technologie in Zahlungsverkehr und Börsenhandel zu verankern. Nichts dokumentiert diese zweite Chance besser als die Aktivitäten der beiden großen US-Börsen: Während Nasdaq OMX seit März die Bitcoin-Handelsplattform Noble Markets mit Technologie beliefert sowie mit dem Bitcoin-Spezialisten Chain eine eigene Blockchain-Lösung für den Private Market entwickelt, ging die NYSE bereits im Januar ein erstes direktes Investment mit der Beteiligung an der Bitcoin-Börse Coinbase ein. Mitte Mai ging der 223 Jahre alte New Yorker Handelsplatz dann noch einen Schritt weiter und legte einen eigenen Bitcoin-Index auf, um die Basis zu legen für eine offizielle Kursfeststellung der digitalen Währung. Getauft wurde das Baby auf den Namen “NYSE Bitcoin Index”, kurz NYXBT (siehe Chart). Vertrauen schaffenDieser Index stellt den Wert einer Bitcoin-Einheit in US-Dollar dar, gemessen aus laufenden Transaktionen ausgewählter Bitcoin-Börsen. Der Haken daran: In dieser frühen Ausbaustufe wird lediglich auf die Handelsdaten, eines Betreibers zurückgegriffen, und das ist Coinbase. Das macht die Kurse wenig repräsentativ, gibt es doch global noch einige Bitcoin-Handelsplätze, die einbezogen werden müssten, um einen echten Richtwert zu erhalten. Die NYSE bekundet denn auch, dass künftig weitere Indizes zusammengestellt sowie zusätzliche Datenquellen erschlossen werden. Zudem soll quartalsweise die Methodik überprüft werden sowie mehr als einmal am Tag ein Indexkurs gestellt werden, der den Wert der Währung misst.Mit dem NYXBT verbindet sich nun die Hoffnung, dass eine Benchmark entsteht, die das Vertrauen in die schwankungsanfällige Währung Bitcoin stärkt (siehe Chart). In den USA haben sich eine Reihe von renommierten Bankern in die Fintech-Szene gewagt und sammeln Risikokapital für Start-ups im Bereich Bitcoin ein. Dazu zählt auch der CEO von Noble Markets, John Betts. Der hatte bei Goldman Sachs, Morgan Stanley sowie UBS die Entwicklung elektronischer Handelsplattformen vorangetrieben und will nun bei Noble mit Einsatz des Nasdaq-Systems X-Stream dazu beitragen, Zweifel an der Risikotragfähigkeit digitaler Währungen zu zerstreuen. Noble soll dabei zusätzliche Liquidität aus dem Finanzsystem bündeln für Bitcoin-Transaktionen – und Betts als Veteran der klassischen Finanzindustrie ist der Verbindungsmann.Die Investitionen in das Bitcoin-Ökosystem nehmen richtig Fahrt auf. Goldman Sachs nahm kürzlich einen Anteil am Bitcoin-Start-up Circle. Chi-X Gründer Peter Randall hat mit SETL ein Blockchain-Start-up hochgezogen, das mit bilateralen Kontrakten zentrale Abwicklungsstellen in den USA umgehen will – sofern regulatorisch keine Einwände bestehen. Riskant sind solche Investments im Blockchain-Umfeld allemal, haben Regulatoren doch bei Verstößen schon einen Anbieter wie Bitinstant kurzerhand dichtgemacht. Seit 2013 gibt es in den USA aufsichtliche Richtlinien für den Umgang mit digitalen Währungen, deren Einhaltung von der FinCEN (Financial Crimes Enforcement Network) überwacht werden. Auch Ripple wurde für einen Verstoß gegen den “Bank Secrecy Act” schon mit einem Bußgeld von 700 000 Dollar belegt. Bei der FinCEN läuft seit Mai eine größere Untersuchung des Ökosystems digitaler Währungen. Und auch in Europa bauen die Regulatoren Kapazitäten auf, um den Umgang mit digitalen Währungen zu kontrollieren.Technologische Grundlage von Blockchain und Ripple ist die Autorisierung und Speicherung von Transaktionen in einem dezentralen Register (Distributed Ledger). Ein Knackpunkt beim Einsatz dieses Register in der Wertpapierindustrie ist juristischer Natur. Vor Gericht könnte das Eigentum an einem Asset angezweifelt werden, wenn es in einem “erlaubnisfreien und anonymen Register” gespeichert sei, merkt Robert Sams von Clearmatics an. Sein Unternehmen setzt selbst auf die Blockchain für Clearing und Settlement von OTC-Derivaten. Im Gegensatz zur öffentlichen Blockchain kann für solche Dienste ein überschaubarer Kreis von Rechnern der Handelsteilnehmer zusammengeschaltet werden, um das Register darzustellen – dies könnte in den Augen der Aufseher die Rechtssicherheit der Transaktionen erhöhen. Altsysteme ablösenSams schwebt für die Zukunft eine Pluralität von interoperablen dezentralen Clearingnetzwerken (DCN) vor, das die Altsysteme ablöst. Buy-Side-Institutionen und Custodians wären wohl als Pioniere dabei, erst dann kämen die Banken, vermutet Sams. Der ist groß geworden in der Hedgefonds-Industrie und war davon fasziniert, bei der Blockchain mit einem dezentralen offenen Orderbuch zu arbeiten. Kern der von Clearmatics verwendeten DCN-Technologie sind sogenannte Smart Contracts, die nach Ausführung im dezentralen Assetregister gespeichert werden. Gegenparteien können dann einen Smart Contract mittels kryptografischer Signatur ausführen und daraus einen derivativen Kontrakt als handelbares Produkt generieren.Bei allem Hype um Bitcoin gehen die Notenbanken bislang davon aus, dass digitale Währungen nur “in einem begrenzten Umfang parallel zu traditionellen Währungen genutzt werden”. Gleichzeitig sind die Währungshüter aber auch nicht blind dafür, dass Bitcoin und Ripple mit der technologischen Grundlage des dezentralen Registers für geschöpfte Geldeinheiten und daran geknüpfte Transaktionen eine Struktur geschaffen haben, die es möglich machen könnte, dass Zahlungssysteme künftig weniger auf Mittler im Korrespondenzbankensystem angewiesen sind. Theoretisch könnte die Infrastruktur des Finanzsystems durch ein Netzwerk “verteilter Systeme” ersetzt werden, so die Bank of England. Die Federal Reserve hat in einem Papier zu Zukunftstechnologien festgehalten, dass verteilte IT-Systeme gut geeignet seien für Echtzeit-Settlement – also genau das, was Ripple anstrebt. Und Ripple versteht sich nicht als disruptiver Dienst, setzt man doch auf eine Anbindung von Bankprozessen, die in der Schichtung des Zahlungsverkehrs oberhalb der Ripple-Infrastruktur sitzen und somit die Kontrolle über Transaktionen behalten – was beispielsweise zum Tragen kommt, wenn eine Zahlung widerrufen wird. Tuchfühlung aufgenommenDass die rund um digitale Währungen entstandenen Technologien schon in Banken und Börsen eingesetzt werden, das beweist Ripple. Chris Larsen, Chef der über die Währung XRP wachenden Muttergesellschaft Ripple Labs, war kürzlich in Europa unterwegs und hat mit Banken und Regulatoren Tuchfühlung aufgenommen, um Ripple nahezubringen – und ist dabei dem Vernehmen nach auf ein freundliches Echo gestoßen.