Blessing heuert als UBS-Vorstandsmitglied an
Von Bernd Neubacher, Frankfurt, und Daniel Zulauf, ZürichMartin Blessing hat Grund zur Freude. Mit der Anstellung bei seinem neuen Arbeitgeber UBS dürfte sich der Ex-Commerzbank-Chef stark verbessern, sowohl was das Salär als auch was das Aktionariat angeht. Erhielt der Manager nach mehreren Bonus-Nullrunden während seiner Amtszeit für die Leitung der zweitgrößten deutschen Bank im vergangenen Jahr 1,9 Mill. Euro, so teilten sich die zehn Mitglieder in der Konzernleitung der UBS, welche die Vergütung im Vorstand unterhalb von CEO Sergio Ermotti nicht weiter aufschlüsselt, 2015 den stolzen Betrag von 93,4 Mill. sfr. Und während sich Blessing als Commerzbank-Chef regelmäßig mit dem Großaktionär Bund und damit der Politik ins Benehmen setzen musste, dürfte ihm als President Personal & Corporate Banking sowie als President UBS Switzerland, als der er nach Angaben der UBS im September Lukas Gähwiler, 51, nachfolgt, weit weniger auf diese Art in seine Tätigkeit hineingeredet werden. Verdruss über BerlinVerdruss über ebendieses Vorsingen in Berlin soll ja mit den Ausschlag dafür gegeben haben, dass Blessing im Herbst auf eine Verlängerung seines Vertrages bei der Commerzbank verzichtete. Solch Verdruss wäre freilich eher nachvollziehbar, würde man ignorieren können, dass der Staat diese Bank einst mit Hilfen über insgesamt 18 Mrd. Euro hatte retten müssen.Mit Übernahme der Leitung des Bereichs Personal & Corporate Banking knüpft der 52-jährige Manager, der in den achtziger Jahren an der Hochschule St. Gallen Betriebswirtschaft studiert hatte, nun an frühere Tätigkeiten als Privatkundenvorstand der einstigen Dresdner Bank und der Commerzbank an. Den von ihm künftig verantworteten Geschäftsbereich betrachtet die UBS als “ein zentrales Element des Universalbankmodells”, das Kunden an andere Unternehmensbereiche weitervermittelt und “das Cross-Selling-Potenzial der Vermögensverwaltungsbereiche und der Investment Bank” nutzt.Als frisch ausgeschiedener Chef der auf Privat- und Unternehmenskunden ausgerichteten Commerzbank dürfte Blessing aber auch wissen, was das Zinstief für die Ergebnisse in diesem Geschäft bedeutet. Wenige Tage nach Ende seiner Amtszeit als Commerzbank-Chef Ende April legte das gelbe Institut schließlich Zahlen für das erste Quartal vor, die zeigen, wie die Folgen der Geldpolitik zusehends auf das Ergebnis durchschlagen. Binnen Jahresfrist hat sich das Konzernergebnis auf 163 Mill. Euro glatt halbiert. Fürs vergangene Jahr hatte die Bank zuvor einen auf 1,06 Mrd. Euro in etwa vervierfachten Konzernüberschuss ausgewiesen und die erste Dividende seit der Finanzkrise gezahlt. Vor diesem Hintergrund hat Blessing, dessen Gattin Dorothee Blessing als Deutschland-Chefin von J.P. Morgan arbeitet, den Zeitpunkt seines Abschieds bei der Commerzbank optimal gewählt. Ob sich von Lukas Gähwiler dasselbe sagen lässt?Ein UBS-Sprecher betont auf Anfrage mit Nachdruck, Gähwiler habe diesen Wechsel selbst gesucht, um mehr Zeit für familiäre und andere persönliche Angelegenheiten zu haben. Konzernchef Sergio Ermotti wird in der Pressemitteilung unter anderem mit der Bemerkung zitiert, er freue sich “persönlich”, dass Gähwiler der UBS in seiner neuen Rolle “eng verbunden” bleibe. Bei Ermotti hoch im KursDas Zitat ist insofern bemerkenswert, da es die enge freundschaftliche Beziehung zwischen Gähwiler und Ermotti andeutet, wie sie in der Bank allgemein bekannt ist. Gähwiler habe bei Ermottis Berufung als CEO der UBS von Anfang an voll an den Tessiner geglaubt und diesem den Rücken gestärkt, als es anfänglich noch Vorbehalte gegen ihn gegeben habe, sagt ein Insider. Umgekehrt habe der Schweiz-Chef auch bei Ermotti stets hoch im Kurs gestanden, weil er diesem loyal zugearbeitet habe, ohne auf den Chefsessel hinzuarbeiten.Vor diesem Hintergrund gibt die Personalie Anlass zu Spekulationen. Kenner der Bank stellen Vermutungen darüber an, ob Gähwilers Rückzug aus dem operativen Geschäft auch andere Gründe haben könnte. Insbesondere wird die Frage aufgeworfen, ob bei dem Wechsel auch Verwaltungsratspräsident Axel Weber seine Hände im Spiel gehabt haben könnte. Nach dieser Lesart baut Weber mit der Berufung Blessings eine Hausmacht auch im Vorstand auf, nachdem in den Verwaltungsrat bereits seine Vertrauten Reto Francioni, Ex-Chef der Deutschen Börse, sowie Beatrice Weder di Mauro, ehemaliges Mitglied des deutschen Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, eingezogen sind.Interessant ist diese Hypothese in jedem Fall mit Blick auf die Zukunft Ermottis. Dieser ist seit November 2011 als CEO der UBS tätig, und mache Beobachter fragen sich, wie lange er diesen Posten noch behalten will. In Lauerstellung ist der 49-jährige Jürg Zeltner. Er ist als Chef der Paradedisziplin Wealth Management gleichsam in der Pole-Position, was die Chancen für eine Berufung auf den CEO-Posten angeht. Nach Gähwilers Rückzug hat er nun einen potenziellen Konkurrenten mit Schweizer Pass weniger.Tatsache ist, dass Gähwilers Division in puncto Ertragskraft und Konstanz ungeachtet der Folgen des Zinstiefs einen zentralen Pfeiler der UBS-Strategie darstellt. 2015 verdiente die Sparte vor Steuern 1,6 Mrd. sfr. Damit liegt sie nur wenig hinter der Investment Bank zurück, die allerdings eine geringe Ertragskonstanz aufweist. Gähwiler hat bei der UBS zweifellos einen Höhepunkt seiner Karriere erreicht und die Bank nach der großen Krise im Schweizer Markt wieder solide als führendes Institut positioniert. Die Sporen hatte er sich in vielen Jahren bei der Credit Suisse verdient, bei der er zuletzt das Schweizer Unternehmenskreditgeschäft und das weltweite Kreditgeschäft im Private Banking verantwortet hatte.