LEITARTIKEL

Blockchain-Hype abkühlen

Man muss es wohl der allgemeinen spätsommerlichen Lethargie zuschreiben, dass der von UBS-Chef Sergio Ermotti Ende Juli getätigte Appell zur Bündelung der Kräfte in der Bankenindustrie nahezu ungehört verhallte. Dabei birgt sein Vorschlag zur...

Blockchain-Hype abkühlen

Man muss es wohl der allgemeinen spätsommerlichen Lethargie zuschreiben, dass der von UBS-Chef Sergio Ermotti Ende Juli getätigte Appell zur Bündelung der Kräfte in der Bankenindustrie nahezu ungehört verhallte. Dabei birgt sein Vorschlag zur Schaffung einer branchenweit einheitlichen Plattform für das Abwicklungsgeschäft reichlich Sprengstoff. Denn was Ermotti da auf den Weg bringen möchte, würde auf ein Zusammenlegen aller Backoffice-Funktionalitäten hinauslaufen, die dann von einer gemeinsamen Dienstleistungsgesellschaft betrieben würden. Banken werden im Hintergrund Partner, bleiben im Frontend beim Kunden aber Konkurrenten.Was sich für den einen oder anderen nach Fiktion anhört, passt aber ganz gut in eine Welt der sich öffnenden Schnittstellen, in der Nicht-Banken erweiterten Zugang zu Kontendaten erhalten und die Institute den Fokus nun darauf legen müssen, mit welchen Services sie sich vom Wettbewerb differenzieren. Das Abwicklungsgeschäft verkommt in diesem Zusammenhang zur Commodity, die möglichst kostenbewusst betrieben werden muss. Vor diesem Hintergrund hat die UBS eine weitere Initiative angeschoben, die dieser Tage weitaus mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Denn gemeinsam mit drei weiteren europäischen Großbanken wollen die Schweizer auf Blockchain-Basis sowie unter Einsatz einer digitalen Platzhalter-Währung (“Coin”) ein sofortiges Clearing und Settlement von Transaktionen ermöglichen. Diese Verwendung von synthetischem Zentralbank-Geld – auf der Blockchain als Asset-Repräsentant abgebildet – würde den Intermediär Clearinghaus teilweise überflüssig machen, was Zeit und Geld spart. Diese Blockchain-Fabrik wäre Anknüpfungspunkt und Instrument für Ermottis supereffiziente Abwicklungsmaschine.Nüchtern betrachtet geht es dem UBS-Konsortium vor allem um einen erweiterten Zugang zu einer von den Zentralbanken bislang nur selektiv vorgehaltenen Infrastruktur. Als Target-2-Komponente steht das Echtzeit-Settlement-System RTGS bislang nur für besonders wertvolle Transaktionen zur Verfügung. Die Banken aber wollen ihre Settlement-Systeme direkt mit dem der Zentralbanken verbinden und dabei mit dem digitalen Cash-Coin als Bonus die Voraussetzung für zusätzliche Dienstleistungen etwa im Payment schaffen. Zentralbanken und Regulatoren aus den OECD-Ländern begleiten das Projekt seit seinen Anfängen vor knapp einem Jahr, noch aber gibt es nicht mal eine Projektgesellschaft, an der man Anteile erwerben könnte.Das UBS-Konsortium hat aber trotzdem einfach mal einen Stein ins Wasser geworfen, wohl wissend, dass derzeit alle Protagonisten am Kapitalmarkt von den Verheißungen der Blockchain elektrisiert sind. Dieses Fieber hat auch die Notenbanken ergriffen – die Bank of England flirtet offen mit der Möglichkeit zur Einführung einer eigenen digitalen Währung, lassen sich in akademischen Schriften doch gewisse Wohlfahrtseffekte erkennen. Und wenn die Banken zu Potte kommen wollen, ist jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt für Lobbying bei den Regelsetzern, um die Finanzmarkt-Architektur in ihrem Sinn anzupassen.Dabei muss es gar nicht disruptiv zugehen. Das von 45 internationalen Großbanken getragene New Yorker Blockchain-Labor R3 will nicht die bestehende Infrastruktur ersetzen, sondern explizit ihren Betreibern wie Swift und CLS (ein internationales Settlement-System für Devisengeschäfte) beim Übergang zu neuen Standards helfen. Das erscheint vernünftig, lassen sich angesichts des gigantischen Datendurchsatzes doch nicht alle vier Reifen am globalen Kapitalmarkt-Vehikel gleichzeitig wechseln. Hinzu kommen Hunderte von Rechtsvorschriften, die mit Kapitalmarktkontrakten verbunden sind. Der Börsenverband WFE weist nicht zu Unrecht darauf hin, dass dann, wenn auf einer Blockchain Elemente von Handel, Clearing und Settlement vereint werden, dies den juristischen Usancen widerspreche – denn im heutigen Rahmen sind diese Aktivitäten rechtlich in Silos voneinander getrennt.Solche schnöden Tatsachen sind geeignet, den bei einigen Marktteilnehmern hochkochenden Blockchain-Hype ein wenig herunterzukühlen. Andererseits ist der industrielle Schub für die Blockchain auch über den Finanzmarkt hinaus so groß, dass sich der geballte Erfindergeist seinen Weg bahnen wird. Die Banken sind gut beraten, ihren Platz in der Wertschöpfungskette angesichts dieser sich anbahnenden Umwälzungen neu zu verorten.——–Von Björn GodenrathDie Blockchain bahnt sich ihren Weg und könnte die Architektur des Kapitalmarktes verändern. Das juristische Regelwerk steht schnellem Wandel aber im Weg.——-