ENDE DER GEWISSHEITEN

Blockchain ist Brücke für den Handel

Taugliches Instrument für effizientere Abwicklung von Trade Finance

Blockchain ist Brücke für den Handel

Von Björn Godenrath, FrankfurtDie Feinde der offenen Gesellschaft und des friktionsfreien Welthandels haben seit der Amtsübernahme von Donald Trump ganze Arbeit geleistet. Die Aktienmärkte sind in den Bärenmodus abgerutscht, Gewinnwarnungen aus der exportorientierten Industrie sprechen Bände, was auf dem Spiel steht, wenn Protektionismus und Abschottung die Oberhand gewinnen. Auswege und UmwegeFür Industrie und Finanzwirtschaft heißt es da, Auswege und Umwege zu finden, um Handelskanäle offenzuhalten. Ein Instrument dafür kommt von der technologischen Front: Die unter dem Oberbegriff Blockchain bekannte Distributed Ledger Technology (DLT) kann Geschäftspartner auf Vertrauensbasis (kryptografische Verschlüsselung) verbinden, Datenbanken/Kontobücher von beiden Seiten zugänglich machen (“shared ledger”) und so eine Synchronisierung von Daten/Geschäftsprozessen in Echtzeit ermöglichen sowie per eingebetteten Smart Contracts Folgehandlungen automatisieren. Zudem werden Transaktionen dank ihrer Peer-to-Peer-Abwicklung weniger komplex, was Intermediäre rausnimmt und die Kosten drückt: Die Kostenebenen solcher Funktionen können durch blockchainbasierte Kontrakte verringert oder ausgeschaltet werden, so die Fondsgesellschaft Schroders in einer Studie zur DLT-Anwendung.Ineffizienzen im derzeitigen geschäftlichen Umfeld entstünden häufig aus der Duplikation, heißt es weiter. “Bei der Kreditdokumentation oder im Anleihehandel werden die Dokumentation, Eigentumsverhältnisse und der Handel häufig von mehreren Parteien verfolgt und aufgezeichnet. Diese Art der duplizierten Arbeit könnte durch eine Blockchain-Lösung reduziert werden, bei der alle Versionen der Datenbank zwangsläufig synchronisiert werden müssten,” so das Fazit von Schroders. Erste Plattformen stehenDass sich mit Hilfe der Blockchain Effizienzen in der Handelsfinanzierung realisieren lassen, haben die Banken längst realisiert und entsprechende Plattformen aufgesetzt: Eine Reihe von Instituten rund um die global tätige HSBC haben mit Voltron eine Plattform für Trade Finance aufgebaut, das Batavia-Konsortium hat sich der Plattform We Trade angeschlossen und umfasst nun zwölf Mitglieder inklusive Deutsche Bank. We Trade will vor allem den KMU-Sektor adressieren. Erste Transaktionen wurden im Juli durchgeführt, so richtig los geht es aber erst im neuen Jahr.Dem Global Survey der Internationalen Handelskammer von Mitte 2017 zufolge bieten 12 % der befragten rund 250 Banken aus etwa 90 Ländern bereits digitale Lösungen zur Handelsfinanzierung an, knapp die Hälfte arbeitet derzeit an ihrer Implementierung. Flankiert wird das von Initiativen der Industrie, wie der von Mærsk, die mit Hilfe von IBM blockchainbasierte Systeme schafft, die sich dann einbinden lassen in bestehende Plattformen. Der Plan: Die papierne Dokumentation durch einen volldigitalisierten Prozess ersetzen und damit eine beschleunigte Abwicklung, erhöhte Transparenz sowie geringere Kosten schaffen. Exporteur, Importeur, Transporteure, finanzierende Banken, Zoll- und Steuerbehörden plus Kreditversicherer können synchron auf Unterlagen zugreifen und Prozesse in Echtzeit finalisieren.Was diese Prozesseffizienzen für einen Turboeffekt haben können, das illustriert die Schätzung des World Economic Forum. Die Experten erwarten, dass das globale Handelsvolumen mit Einsatz der DLT um zusätzliche 1,1 Bill. Dollar angereichert werden könnte, ein Plus von 30 % gegenüber der herkömmlichen Schätzung ohne Blockchain-Faktor, was sich mit den Prognosen von Gartner und Bain deckt.Bain hatte den Voltron-Start zum Anlass genommen, das Trade-Finance-Geschäft der Großbanken genauer unter die Lupe zu nehmen: Die zehn größten Akteure in Trade Finance fuhren damit 2017 operative Erträge von 5,8 Mrd. Dollar ein und könnten bis 2026 diese Einnahmen aus der dokumentenbasierten Handelsfinanzierung dank DLT-Prozessen um zusätzliche 2 Mrd. Dollar steigern. Friktionen beseitigenWelche Friktionen beseitigt werden können, zeigt die erste volldigitalisierte Transaktion auf Voltron, die innerhalb von 24 Stunden komplett bei allen Parteien verbucht war – das dauerte bislang fünf bis zehn Tage. Das Gute daran: So werden weitere Handelsaktivitäten finanzierbar, da sich unter anderem die Transaktionskosten ans untere Ende des üblichen Korridors von 0,125 % bis 1 % bewegen dürften. Zudem ist das Risikomanagement für die Handelspartner reduziert, was für kleine und mittlere Unternehmen einen Anreiz darstellt, den Zugang in ein solches DLT-System zu wagen. Und obendrauf verspricht das blockchainbasierte Internet der Dinge (IoT), die Fertigungsabläufe in der Industrie selbst dank automatisierten Datenaustauschs zwischen Maschinen effizienter zu gestalten, was eine just-in-time-optimierte Wertschöpfungskette ermöglicht. Insbesondere die Autobranche integriert solche Konzepte bereits.