Blockchain revolutioniert die Investmentwelt

Wie Vertrieb, Investments und Operations einer Kapitalverwaltungsgesellschaft die Technologie nutzen

Blockchain revolutioniert die Investmentwelt

Die Investmentwelt diskutiert derzeit intensiv über die Blockchain und ihr Potenzial. Auch Politik und Regulierer – in Deutschland wie international – zeigen sich sehr interessiert und sind erfreulicherweise offen für neue Konzepte und Ideen. Gerade erst Ende Juli hatte das Bundesfinanzministerium im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie die Begriffe Kryptowerte und Kryptoverwahrung explizit in den Entwurf mit aufgenommen. Das Gesetz wird Anfang 2020 in Kraft treten.Diese gesetzlichen Anpassungen sowie die Ankündigung von Facebook, Libra an den Start zu bringen, haben den Hype um Blockchain weiter gesteigert. Mark Zuckerbergs Vorstellung einer Internetwährung, eine private Komplementärwährung, soll bereits 2020 marktreif sein. Sie ruft derzeit weltweit viele Fürsprecher, aber auch massive Gegenspieler auf den Plan.Aber warum erhält die Blockchain derzeit so viel Aufmerksamkeit? Wir gehen davon aus, dass sie die Investmentindustrie nicht nur verändern, sondern revolutionieren wird – und dass dies eigentlich bereits heute schon passiert. Denn das Potenzial, die gesamte Finanzwelt fundamental umzuwälzen, hat die Blockchain auf jeden Fall. Der wesentliche Unterschied zu anderen Entwicklungen der vergangenen Jahre ist, dass die Technologie nicht nur an den Symptomen von Ineffizienzen in der Finanzindustrie ansetzt, sondern vielmehr versucht, deren Ursachen durch Intermediation und ein dezentrales, aber verknüpftes System zu eliminieren.Betrachten wir die Entwicklung dieser Technologie anhand von konkreten Anwendungspotenzialen in der Praxis einer Kapitalverwaltungsgesellschaft, einer KVG. Bei Universal-Investment beispielsweise untersuchen wir derzeit das Potenzial der Blockchain entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette, da wir glauben, dass die Technologie für verschiedene Funktionen signifikanten Mehrwert schaffen kann.Dazu haben wir eine vereinfachte Darstellung unserer Wertschöpfungskette konzipiert, die im wesentlichen aus dem Distributionsprozess, dem Investmentprozess und der operativen Administration besteht. Diese Entscheidung erleichtert es auch, den klaren Kundenbezug beizubehalten. Denn die Akzeptanz und Sinnhaftigkeit für Kunden muss bei allen Veränderungen und Innovationen oberste Priorität behalten. DistributionsprozessBeim Vertrieb geht es um die Vorteile für Kunden, sowohl für institutionelle und Retail-Investoren, die durch die Blockchain geschaffen werden können. Unsere Vision ist es, unseren Kundengruppen zu ermöglichen, Investmentfonds wie Bücher bei Amazon zu erwerben: schneller, einfacher und günstiger als es bisher der Fall ist.An erster Stelle dieser Vision steht ganz klar das zum Teil noch sehr aufwendige und langwierige Kunden-Onboarding, auch “KYC/AML” genannt. Besonders in diesem Bereich stechen die Vorteile der kryptografischen und vollkommen digitalen Eigenschaften der Blockchain hervor. Sie ermöglicht es zum Beispiel, bestimmte notwendige Kundeninformationen in sogenannten Smart Contracts zu hinterlegen, die für zusätzlichen Schutz und Vereinfachungen beim Prozess sorgen. Smart Contracts sind Computerprotokolle, die Verträge abbilden oder überprüfen und die Verhandlung oder Abwicklung eines Vertrags technisch unterstützen. Die Vertragsgestaltung bei der Auflage eines Fonds ist in der heutigen Praxis noch sehr papierlastig und kann mehrere Wochen dauern. Durch die Blockchain kann dieser Prozess unter Berücksichtigung von Datenschutzanforderungen innerhalb von Minuten erfolgen. Die Entwicklung solcher Anwendungen ist bei uns bereits weit fortgeschritten. InvestmentprozessBeim Investmentprozess geht es um das Managen digitaler Wertpapiere und Fonds. Besonders in der Tokenisierung von Wertpapieren hat die Branche bereits sehr viele Fortschritte gemacht. Ein Beispiel sind die ersten, von Regulatoren genehmigten Emissionen von Security Tokens, also digitalen Wertpapieren. Kapitalverwaltungsgesellschaften müssen sich vorbereiten, um mit dieser neuen Art Wertpapier umgehen zu können. Das umfasst die Bewertung und geht über den Handel bis hin zum Risikomanagement der digitalen Wertpapiere.Dies bedingt unter anderem, ein neues Entscheidungs-, Handels- und Bewertungssystem aufzubauen. Genau hier liegt eines der größten Potenziale der Blockchain. Die ersten Security Tokens sind größtenteils sehr einfache Wertpapiergattungen wie Schuldscheindarlehen. Insbesonders bei den Over-the-counter(OTC)-Instrumenten, wie zum Beispiel Real Assets, wird der Einsatz der Blockchain besonders deutlich. Eine Immobilie binnen zehn Minuten kaufen zu können, ist heute eine Utopie und dauert stattdessen mehrere Wochen. Zukünftig wird dies mitsamt erheblichen Kosteneinsparungen möglich sein. Die Blockchain wird die Fungibilität solcher Instrumente erheblich erhöhen. Die ersten Real Estate Security Tokens sind Mitte des Jahres auch schon in Deutschland von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) genehmigt worden. Wir erwarten, dass weitere OTC-Instru-mente folgen werden; aber Anbieter werden auch normale Instrumente wie Aktien bald in digitaler Form emittieren.Der Kauf und Verkauf von digitalen Fonds ist allerdings etwas komplexer. Solche Transaktionen involvieren verschiedene Marktteilnehmer; vom Investor über den Assetmanager und die KVG bis hin zur depotführenden Stelle. Durch den Einsatz der Blockchain und die damit einhergehende Desintermediation werden sich einige Funktionen fundamental verändern oder ganz wegfallen. Die Fortschritte beim regulatorischen Umgang mit sogenannten Kryptowerten und Kryptoverwahrstellen bewirken, dass sich hier in der nächsten Zeit einiges bewegen wird. AdministrationsprozessDer Administrationsprozess und -aufwand wird sich, logischerweise, wenn Vertrieb und Investmentprozess auf der Blockchain basieren, ebenfalls verändern. Durch die verteilte Systemstruktur und die damit einhergehende Disintermediation werden sich das Settlement, die Buchhaltung und Verwahrung stark verändern. Einige der Funktionen in der heutigen Praxis könnten sogar ganz entfallen. Dies wird besonders vor dem Hintergrund klar, dass der Zeit- und Arbeitsaufwand signifikant geringer ist, weil nur noch digitale Werte gehandelt, geführt, verwaltet und verwahrt werden. Ein großer Vorteil ist, dass damit rein technisch Transaktionen nahezu in Echtzeit möglich sein werden. Bei Universal-Investment untersuchen und testen wir die Auswirkungen auf die Administration von digitalen Wertpapieren und Fonds. Die weitaus größeren Umwälzungen werden sich aber bei der Verwahrung dieser digitalen Wertpapiere ergeben.Aber auch im Reporting kann die Blockchain eine Unterstützung sein. Sie hilft, die Effizienz zu steigern, indem das regulatorische Berichtswesen erleichtert wird. Bereits heute befassen sich viele sogenannte Regtech-Start-ups mit Fragen, wie sie mit Einsatz von Technologie die Umsetzung von regulatorischen Pflichten von Marktteilnehmern erleichtern können. Denkbar ist, dass in einem geschützten Ökosystem Dokumente elektronisch mit Zeitstempel und Authentifizierung an Prüfer und Regulatoren über einen direkten Zugang zur Verfügung gestellt werden. Viele Berichte werden heute noch in Papierform und per Post versendet, was zu einem erheblichen zeitlichen wie finanziellen Aufwand für alle Marktteilnehmer inklusive Regulatoren und Prüfer führt.Zudem kann die Blockchain auch helfen, den gesamten Ablauf einer Fondsauflage mit allen einhergehenden Prozessen schneller, einfacher und sicherer zu gestalten. Hierbei steht insbesondere die kryptografische Eigenschaft im Vordergrund. Wir untersuchen und testen aktuell verschiedene Regtech-Lösungen und werten ihre Umsetzbarkeit aus. Ein ganzheitlicher AnsatzWie viele neue Technologien startet auch die Blockchain mit Insellösungen entlang der Wertschöpfungskette. Ihr volles Potenzial wird sie aber erst bei einer ganzheitlichen Betrachtung entfalten, also durch eine Verknüpfung aller auf ihr basierenden Wertschöpfungsteile zu einem gesamten und integrierten Ökosystem. Andernfalls kosten immer wiederkehrende System- und Medienbrüche Zeit und Geld. Als langjähriger Plattformbetreiber für die Fondsindustrie verfolgen wir das Ziel, ein komplettes digitales und integriertes Ökosystem zu schaffen, das vom Vertrieb über den Investmentprozess bis hin zur Administration auf der Blockchain basiert und alle Vorteile vereint. Bis diese Vision Realität ist, wird sich auf allen Seiten jedoch noch viel entwickeln müssen. Daniel Andemeskel, Head of Innovation Management bei Universal-Investment