Börse Stuttgart plant entgeltfreien Handel
spe Stuttgart
Besser spät als nie, mag man angesichts der Pläne der Stuttgarter Börse sagen, die nun ebenfalls ein entgeltfreies Handelsmodell aus dem Hut zaubert. Mit dem Start des börslich überwachten MTFs „Trade Rebel“ eifert die Schwabenbörse den Vorbildern LSX (Lang & Schwarz Exchange) und Gettex nach, die sich an eine eher kleine Traditionsbörse – Hamburg, München – angedockt haben, um für ihre Kurse den Börsenstempel zu erhalten. Ähnliches gilt für die Tradegate Exchange, die bereits seit 2009 das Börsensiegel trägt und bis vor Kurzem noch mehrheitlich zum Imperium der Deutschen Börse gehörte. Um das Modell zu komplettieren nehme man einen Marketmaker hinzu, der in der Lage ist, erfolgreich auf eigene Meinung zu handeln und Rückvergütungen an Orderflow-Provider (OFP) in Form von Neobrokern zu zahlen. Als Letztere entschieden hatten, jene Kick-Backs in Form eines nahezu kostenlosen Wertpapierhandels an die Endkunden weiterzugeben, ward ein neuer Erfolgsstandard in der deutschen Börsenlandschaft geschaffen.
Kern dieser Modelle ist üblicherweise die Gewährung von „Zuwendungen“ oder Kick-backs, die der jeweilige Marketmaker an den Neobroker, der als Orderflow Provider (OFP) fungiert, für Wertpapieraufträge (Orders) bezahlt. Auf diese Weise können Neobroker ihren Endkunden einen nahezu gebührenfreien Wertpapierhandel bieten. Im Falle von Trade Rebel will Dragan Radanovic, Chief Business Officer der Gruppe Börse Stuttgart und CEO der Börsentochter Euwax AG, nicht von einem Marketmaker sprechen, sondern von der Rolle eines Liquiditätsspenders, die die Euwax übernehmen soll. Dennoch ist es die Aufgabe der Börsentochter, über die Spreads zwischen Kauf- und Verkaufspreisen und durch das Eingehen von Marktpreisrisiken Erträge zu erwirtschaften. Da die Euwax und der Betreiber der Plattform Trade Rebel beide zur Gruppe Börse Stuttgart gehören, erfolgt „eine adäquate interne Verrechnung“, heißt es. Betrieben wird Trade Rebel über Cats, ein eigentlich außerbörsliches, bilaterales Handelssystem, das die Börse 2014 von der Citibank erworben hat und an das 70 Teilnehmer angeschlossen sind.
Allerdings kann Stuttgart noch mit keinem externen OFP aufwarten, denn bisher ist bei Trade Rebel, wie es heißt, nur ein Pilotpartner in seiner Onboarding-Phase angebunden, der „in den nächsten Wochen“ bekannt gegeben werden soll. Wie zu hören ist, wäre es für manchen auch vorstellbar, dass die 2018 ins Leben gerufene Krypto-Trading-App „Bison“ als OFP dienen könnte. Auf die Frage, ob die Börse mit ihrer entgeltfreien Plattform nicht zu spät dran sei, sagte Matthias Voelkel, CEO der Gruppe Börse Stuttgart. Der Markt sei nicht final verteilt, denn seine Marktstruktur werde sich verändern. „Auch von einer Kannibalisierung zwischen Trade Rebel und dem klassischen Entgeltmodell kann keine Rede sein, sondern von einer Ergänzung des Angebots“, so der CEO. Gleichzeitig wolle man mit hoher Verfügbarkeit und hochwertigen Preisen auch in Nebenhandelszeiten und turbulenten Marktphasen mehr Wettbewerb in den Markt tragen.
Ebenso soll es auf der Ebene der Zuwendungen mehr Wettbewerb geben. Weitere Banken, klassische Online- und Neobroker würden sich sukzessive anschließen und ihren Kunden den Zugang zu der Zero-Fee-Plattform eröffnen, stellt Voelkel in Aussicht. Eine Anbindung um jeden Preis werde es allerdings mit Stuttgart nicht geben. Sein Kalkül ist es, dass sich einige der „starren, exklusiven Verbindungen“ von Neobrokern mit nur einer Handelsplattform auflösen werden. Es ist ja nie ganz auszuschließen, dass die angeschlossene Plattform ausfällt und Neobroker dann eine Back-up-Lösung brauchen. Hierfür stünde Trade Rebel als Alternative bereit. „Wir wollen nicht nur einem Partner dienen, sondern mit allen zusammenarbeiten“, so Voelkel. Zudem sieht er die Gefahr von Interessenkonflikten, wenn die Höhe von Zuwendungen und die beste Ausführung für den Kunden gegeneinander abzuwägen sind.
Zum Start von Trade Rebel ist daran gedacht, mit der Euwax AG nur einen Liquiditätsspender zuzulassen. Dieser soll auch den Handel mit Auslandsaktien übernehmen, die an der Börse Stuttgart seit Jahrzehnten von der Baader Bank betreut werden – ein Geschäft, das auch den Umgang mit Währungsrisiken einschließt. Radanovic deutet allerdings an, dass sich hier mittelfristig noch Veränderungen ergeben könnten. In der Praxis wird es schließlich vorkommen, dass die Preise auf Trade Rebel und an der Börse Stuttgart in ein und demselben Wertpapier voneinander abweichen. So können in den Preisen auf Trade Rebel laut Börse auch implizite Kosten enthalten sein. Im Gegensatz zum „starren“ expliziten Transaktionsentgelt seien die impliziten Kosten dynamisch und richteten sich an der Marktlage und vor allem der Liquidität aus.