TABULA RASA BEI DER DEUTSCHEN BANK

Boni-Empfänger müssen kürzertreten

Deutsche Bank kündigt Kehrtwende in der Vergütungspolitik an - Cryan: Die Mitarbeiter sollen einen Teil der Belastung tragen

Boni-Empfänger müssen kürzertreten

Von Bernd Neubacher, FrankfurtAm Donnerstag hat sich Deutschlands größte Bank von einem jahrzehntelang liebevoll gepflegten Dogma verabschiedet: dass die Bank am besten verdient, welche die höchsten Boni zahlt, und dass daher die Bonusempfänger bei Laune zu halten sind, koste es, was es wolle. Die Abschreibungen und der Vorschlag, die Dividende für 2015 zu reduzieren oder ausfallen zu lassen, “werden sich zu einem gewissen Teil auch in den bevorstehenden Entscheidungen über die Höhe der variablen Vergütung für 2015 widerspiegeln”, kündigte Deutsche-Bank-Co-Chef John Cryan in einer Mitteilung an die Mitarbeiter an. Zwar stützten sich Überlegungen zur Vergütung nicht allein auf die Finanzergebnisse. Die Aktionäre aber erwarteten zu Recht, “dass die Mitarbeiter einen Teil der Belastung tragen”. Ganz neue TöneDas sind in der Tat ganz neue Töne bei der Deutschen Bank. Bisher hatte das Institut ungeachtet seit Jahren in die Tiefe rauschender Ergebnisse gebetsmühlenartig wiederholt, die Wettbewerbssituation zwinge sie, marktgerechte Vergütungen zu zahlen. Andernfalls drohten gerade die erfolgreichsten Mitarbeiter zur Konkurrenz zu wechseln. Vor diesem Hintergrund dürften die kommenden Monate nun spannend sein, wird sich doch spätestens nach der Bonusrunde für 2015 zeigen, ob diese Warnungen vor einem Exodus der Besten berechtigt oder gegenstandslos gewesen sind. Viele Wettbewerber der Deutschen Bank haben zuletzt das Investment Banking gestutzt, Hedgefonds gelten aber als beliebte Anlaufstelle etwa von Händlern, deren Mobilität vorausgesetzt. Jahrelange ImbalanceFür die betriebswirtschaftliche Balance war die Freigebigkeit der Bank in Sachen variabler Vergütung schon seit längerem Gift. Während das Ergebnis in den Jahren von 2009 bis 2014 regelrecht abstürzte, leistete sich das Institut, das angeblich so leistungsorientiert vergütete, einen Personalaufwand, der diese Entwicklung nicht im mindesten widerspiegelte (siehe Grafik). Anstatt bei der variablen Vergütung anzusetzen, verwässerte das Institut die Aktionäre durch drei milliardenschwere Kapitalerhöhungen. Noch im vergangenen Jahr, als die Eigenkapitalrendite bei 2,7 % dümpelte, stockte sie die Fixvergütung von 1 000 Mitarbeitern um insgesamt 300 Mill. Euro auf und schuf damit mehr Spielraum für Bonuszahlungen. Denn deren Volumen darf wegen des von der EU verordneten Bonusdeckels neuerdings nur mehr maximal das Doppelte der Fixvergütung betragen, und dies auch nur, nachdem die Hauptversammlung dies genehmigt hat. Was aber in die Vergütung fließt, fehlt an Eigenkapital oder für Dividendenzahlungen.”Die Frage ist doch, ob die Verteilung des Ergebnisses einer Bank zwischen Thesaurierung, Boni und Ausschüttung an die Aktionäre im richtigen Verhältnis steht”, stellte Michael Kramarsch, Gründer und Managing Partner des Vergütungsberatungshauses HKP, schon im August mit Blick auf den Bankensektor generell fest: “Und da haben wir eben weiterhin noch relativ hohe Vergütungen bei einem deutlich anderen Ertragsniveau. Bis jetzt wurde der Schmerz an die Kapitalgeber weitergegeben, aber nicht an die Boni-Empfänger.”In seinem Schreiben an die Mitarbeiter betonte Cryan, er werde sich persönlich für “einen fairen Ausgleich zwischen Mitarbeiter- und Aktionärsinteressen” einsetzen. In den Ohren mancher Deutsch-Banker dürfte dies wie eine Drohung klingen.