Börsenfusionsgegner rufen nach Staat
Von Andreas Hippin, LondonDer konservative Abgeordnete und EU-Gegner Bill Cash hat Theresa May dazu aufgefordert, die Übernahme der London Stock Exchange Group durch die Deutsche Börse zu unterbinden. Er sieht dahinter einen Versuch deutscher Interessen, einen größeren Teil des europäischen Finanzsektors unter ihre Kontrolle zu bringen. “Die neue Premierministerin wird hoffentlich ihre Machtbefugnisse ausüben, um diesen Deal zu blockieren.” Der Oberhausabgeordnete Norman Tebbit sagte, Margaret Thatcher hätte niemals ihre Zustimmung zu einem Verkauf des Londoner Börsenbetreibers gegeben. Für den ehemaligen Chairman der Konservativen richtet sich die Transaktion “gegen unsere nationalen Interessen”. Thatcher schreckte auch vor einer Privatisierung der Royal Mail zurück. Den liberaldemokratischen Wirtschaftsminister Vince Cable hielt das nicht davon ab, die Brief- und Paketlogistik der britischen Post an die Börse zu bringen.”Ich habe keinerlei Andeutungen gehört, dass die britische Regierung wahrscheinlich einschreitet”, sagt Paul Gilbert, London Counsel der Kanzlei Cleary Gottlieb, zur geplanten Börsenfusion. “Großbritannien hat unter dem Wettbewerbsrecht eigentlich keine Möglichkeit zu intervenieren, weil es ein europäischer Fall ist.” May hatte sich vor ihrem Amtsantritt für eine industriepolitische Strategie ausgesprochen, um feindliche Übernahmen abwehren zu können – wie AstraZeneca die Annäherungsversuche des Viagra-Herstellers Pfizer. Die Aktionäre der betroffenen Firmen seien bei einer Fusion nicht die Einzigen, deren Interessen es zu berücksichtigen gelte, sagte sie auf einer Veranstaltung in Birmingham, noch bevor klar war, dass sie das Amt David Camerons erben würde. Die Tories seien zwar die Partei des Unternehmergeists, das bedeute aber nicht, dass sie eine Politik des “Erlaubt ist, was gefällt” verfolgen wollten.Das Wettbewerbsrecht müsse reformiert und angewandt werden. Wenn es Hinweise darauf gebe, dass Versorger und Retailbanken ihre Position in diesen konzentrierten Märkten missbrauchen, müsse man einschreiten. “Schwer vorstellbar, dass irgendetwas schnell geschehen könnte”, sagte nun Gilbert. “Solange wir in der EU sind, sind uns die Hände gebunden.” Die große Frage sei: Wird EU-Übernahmerecht nach dem Brexit immer noch gültig sein, wie etwa im Europäischen Wirtschaftsraum? Kriterium FinanzstabilitätWenn der britischen Regierung eine Entscheidung der heimischen Kartellwächter nicht gefällt, kann sie einschreiten, aber nur wenn die Pressevielfalt, die nationale Sicherheit oder die Finanzstabilität des Landes durch eine Fusion gefährdet wären – und auch das nur, wenn der Fall nicht ohnehin in Brüssel entschieden wird. Ironischerweise wurde das Kriterium der Finanzstabilität von Peter Mandelson (Labour) eingeführt, als es darum ging, die marode Halifax Bank of Scotland (HBOS) gegen den Willen der Wettbewerbsaufsicht mit Lloyds TSB zu verheiraten. Die daraus hervorgegangene Lloyds Banking Group konnte schließlich nur durch Teilverstaatlichung über Wasser gehalten werden.Ein Zusammenschluss von Marktinfrastrukturbetreibern dürfte die Finanzstabilität indes kaum beeinträchtigen. Cable wollte das öffentliche bzw. nationale Interesse als weiteren Grund dafür einführen, eine Übernahme zu blockieren, fand dafür jedoch nicht die erforderliche Unterstützung. Den Hintergrund bildete der Abwehrkampf von AstraZeneca, der Nummer 2 der britischen Pharmabranche. “Es gibt so viele Unternehmen, die als nationale Champions bezeichnet werden”, sagt Gilbert. “Es ist nicht klar, worin der Nutzen eines Schutzes dieser nationalen Champions liegen würde.”Wollte die britische Regierung der Deutschen Börse den Kauf untersagen, wäre das Wettbewerbsrecht nicht das geeignete Mittel. Allerdings ließe sich der Deal vielleicht durch die Finanzaufsicht zu Fall bringen, etwa wenn es um die Konzentration im Clearing geht. Die City-Größe Paul Myners warnte bereits vor den Risiken, die mit dem Zusammenbruch eines Clearinghauses verbunden wären.—– Im Blickfeld Seite 6