Börsengang trotz Flaute attraktiv

Unternehmen profitieren von einer flexiblen Eigenkapitalgewinnung

Börsengang trotz Flaute attraktiv

Stark schwankende Börsen, die anhaltende Schuldenkrise in der Eurozone und die drohende Rezession im Euroraum schrecken Unternehmen von einem Gang an die Börse ab. Verzeichneten die deutschen Börsen zu Beginn des neuen Jahrtausends innerhalb eines Jahres noch 142 IPOs im Regulierten Markt, gingen 2011 lediglich 12 Unternehmen an die Börse. Und der Trend setzt sich fort: So betrat in diesem Jahr erst zum Ende des zweiten Quartals mit der KTG Energie ein deutsches Unternehmen den deutschen IPO-Markt. Europaweit zeigt sich ein ähnliches Bild: Zur Jahreshälfte 2012 gab es in Europa erstmals seit mehr als 20 Jahren keinen einzigen Börsengang mit einem Emissionsvolumen von über 100 Mill. Dollar. In diesem Jahr wagten sich fünf Unternehmen im Prime Standard und drei Unternehmen im Entry Standard auf das Parkett, prominentes Beispiel ist der kürzlich erfolgte Börsengang der Talanx AG mit einem Gesamtvolumen von 817 Mill. Euro, einschließlich einer von der japanischen Meiji Yasuda Life Insurance zum IPO-Preis in Aktien gewandelten Nachranganleihe mit einem Volumen von 300 Mill. Euro. Während Unternehmen im Neuer-Markt-Boom übertrieben häufig an die Börse gegangen sind, ist die gegenwärtige Zurückhaltung eine Übertreibung in die andere Richtung. Denn es sprechen nach wie vor gute Gründe für den Weg auf das Parkett. Aktien sind derzeit gefragtViele deutsche Unternehmen scheuen vor einem Börsengang vor allem deshalb zurück, weil sie aufgrund der Marktlage eine geringe Nachfrage und damit eine schlechte Bewertung befürchten. Aktuelle Zahlen zeigen: Aktien sind jedoch der-zeit bei Anlegern gefragt. Laut des Deutschen Aktieninstituts sind rund 10,2 Millionen Anleger direkt oder indirekt in Aktien investiert. Das sind rund 1,5 Millionen Anleger mehr als im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2011. Dabei legte auch der Anteilder Investoren zu, die direkt in Aktien investieren. Rund 4,9 Mil lionen Anleger – also knapp 19 % mehr als im zweiten Halbjahr 2011 – haben ihr Geld direkt in Aktien ange- Fortsetzung Seite B 2legt. Das ist der höchste Wert seit 2003. Aber auch die Entwicklung relevanter Indizes der deutschen Börsenlandschaft deutet auf einen positiven Markttrend hin. So hat der M Dax beispielsweise seinen Höchststand von vor knapp fünf Jahren wieder erreicht. Nicht zuletzt spricht auch das Niedrigzinsumfeld für die Aktienmärkte. Stärkung des EigenkapitalsBestimmt das Marktumfeld den Zeitpunkt des IPO, sind für einen Börsengang einige grundlegende Überlegungen ausschlaggebend. Unternehmen profitieren bei der Ausgabe von Aktien von einer nachhaltig flexiblen Finanzierungsstruktur und einer breiteren Eigenkapitalbasis, die insbesondere bei Kreditverhandlungen mit der Hausbank einen größeren Spielraum ermöglicht. Zudem können mithilfe des zusätzlichen Kapitals Wachstum und Expansionspläne gezielt umgesetzt werden. Wichtig ist auch: Ein Börsengang dient nicht nur einer einmaligen Kapitalspritze, sondern erweitert die Finanzierungsmöglichkeiten nachhaltig, beispielsweise über Kapitalerhöhungen oder über die Ausgabe von Anleihen.So hat die Börse Frankfurt beispielsweise für Unternehmen das Segment Entry Standard für Unternehmensanleihen eröffnet. Bereits an der Börse gelistete Unternehmen, die den geltenden Transparenz- und Veröffentlichungspflichten nachkommen, können ihre bereits vorhandene Investorenbasis nutzen und ohne größeren Aufwand eine Anleihe platzieren. Kürzlich wurde das Anleihesegment noch um den Prime Standard für Unternehmensanleihen ergänzt. Hier können nun auch größere börsennotierte und nicht börsennotierte Unternehmen Fremdkapital mit Hilfe der Börse aufnehmen. Die Internationalität des Börsenplatzes ermöglicht Unternehmen zudem den breiten Zugang zu ausländischen Investoren. Gesteigerte AufmerksamkeitDarüber hinaus profitieren Unternehmen bei einem Börsengang von einer gesteigerten öffentlichen Aufmerksamkeit. Kunden, Kooperationspartner und nicht zuletzt qualifizierte Mitarbeiter lassen sich so ansprechen. Auch gewinnen Unternehmen neue Möglichkeiten, Anreize für die Mitarbeiter zu schaffen. Mit der Ausgabe von Aktien an die Mitarbeiter können diese beispielsweise am Unternehmenserfolg beteiligt werden, wodurch die Identifikation mit dem Arbeitgeber gestärkt wird.Eine Börsennotierung schafft zudem neue strategische Optionen, wie beispielsweise eine bessere Ausgangsbasis für mögliche Übernahmen oder Fusionen. Zudem ermöglicht sie eine einfachere Nachfolgeregelung. So können Unternehmen mittels Veräußerung bislang privat gehaltener Anteile am Firmenvermögen am Kapitalmarkt eine höhere Fungibilität des Kapitals erreichen. Aufwand ist kontrollierbarZwar sprechen die Vorteile eines Börsengangs für sich, doch insbesondere Mittelständler schrecken häufig vor dem Aufwand bzw. den Kosten eines IPO zurück. So lagen laut einer Studie der Deutschen Börse die durchschnittlichen Kosten für einen Börsengang im Jahr 2008 im internationalen Vergleich am Börsenplatz Frankfurt bei 8,4 % des Emissionsvolumens. Die unmittelbar mit dem Börsengang verbundenen Kosten lassen sich zwar nur in einem geringen Maße minimieren. Allerdings können Unternehmen den jeweiligen Aufwand und den Folgeaufwand eines Börsengangs durch die Wahl des passenden Börsensegments kontrollieren.Die Börse Frankfurt unterscheidet dabei drei Segmente, die sich hinsichtlich der Transparenzanforderungen unterscheiden. Im Regulierten Markt gelten strenge Transparenzregelungen, was einen höheren Folgeaufwand für den Emittenten bedeutet. So müssen Emittenten im Prime Standard, der sich insbesondere an internationale Investoren richtet, ihre Jahres-, Halbjahres- und Quartalsberichte auf elektronischem Wege übermitteln, auf ihrer Internetseite einen aktuellen Unternehmenskalender veröffentlichen und mindestens einmal jährlich eine Analystenveranstaltung abhalten. Generell muss die Berichterstattung hier in Englisch und Deutsch erfolgen. Im General Standard müssen Emittenten einen Jahresfinanzbericht bzw. einen Halbjahresfinanzbericht nach IFRS sowie regelmäßige Zwischenmitteilungen über die allgemeine Finanzlage des Unternehmens veröffentlichen. Darüber hinaus muss der Emittent aktienrelevante Ereignisse ad hoc kommunizieren. Das Segment Entry Standard richtet sich an kleine und mittelständische Unternehmen mit etwas geringeren Transparenzanforderungen. Timing muss stimmenFür das Gelingen eines IPO sind das richtige Timing und eine gute Vorbereitung unerlässlich. Nur so können Unternehmen in vollem Maße von den Chancen eines IPO profitieren. Bedingt durch die schwankungsintensiven Märkte sind IPO-Fenster immer kürzer offen. Die Zeitabstände zwischen günstigen Emissionszeitpunkten folgen schneller aufeinander. Unternehmen, die einen Börsengang planen, sollten daher bereits im Vorfeld ihre “Hausaufgaben” machen und sich auf einen späteren Börsengang vorbereiten. Ist der Moment für ein Listing günstig, kann so umgehend der Schritt auf das Parkett gemacht werden.Bei der Deutschen Börse profitieren Unternehmen bei der Zusammenstellung ihres IPO-Teams von einem breiten Netzwerk an unabhängigen Spezialisten, den Deutsche Börse Listing Partners. Den Status eines Deutsche Börse Listing Partners erhalten unabhängige, selbständige Dienstleister, die sich bei der Deutschen Börse durch Nachweis von Expertise und Referenzen qualifiziert haben. Dabei unterstützen diese sowohl in der IPO- und Corporate-Finance-Beratung als auch in der Finanzkommunikation und bei steuerlichen Fragen. Unternehmen können so bequem auf die jeweils passenden Experten zurückgreifen.Marktentwicklung und Nachfrage zeigen, dass sich der Schritt auf das Börsenparkett nach wie vor lohnen kann. Allerdings ist die Planung flexibler als noch zur Jahreswende zu gestalten. Mit einer rechtzeitigen Vorbereitung lässt sich dann ein günstiges Zeitfenster abwarten, um im richtigen Moment an die Börse zu gehen.