IM INTERVIEW: STEPHAN LUTZ, PWC

"Brexit droht deutsche Banken zu isolieren"

Unsicherheit treibt Kunden nach London

"Brexit droht deutsche Banken zu isolieren"

Die Hoffnung mancher Kontinentaleuropäer auf ein zweites Referendum, das den britischen EU-Ausstieg doch noch abwendet, hält Stephan Lutz, Partner der Beratungsgesellschaft PwC, für abwegig. Während seitens der EU über die Modalitäten des Ausstiegs verhandelt wird, gehe es den Briten nur noch um die nationalen Machtverhältnisse. Die Hängepartie stellt besonders für die deutschen Institute eine Belastung dar, so der Banken-Experte. Herr Lutz, so wie es aussieht, werden mindestens weitere drei Monate vergehen, bis der Brexit tatsächlich kommt. Was bedeutet das für die hiesige Finanzbranche?Es ist nicht zu beschönigen: Anders als für Teile der Realwirtschaft, die von einer weiteren Verzögerung profitieren, weil sie vielfach noch nicht getroffene Vorbereitungen nachholen können, ist jeder weitere Monat, der vergeht, für die Banken eine Belastung. Warum?Die wenigen verbliebenen Banken in Deutschland, die noch signifikantes internationales Geschäft betreiben, verlieren durch die Unsicherheit Geschäft. In der aktuellen Lage werden keine Transaktionen mehr stattfinden, die nicht unbedingt notwendig sind. Außerdem sind die Kosten der Vorbereitung zunächst nicht ertragsbringend eingesetzt, solange der Brexit nicht vollzogen wurde, und belasten so die Kostenstrukturen aller betroffenen Banken. Der Brexit droht die deutsche Finanzbranche weiter zu isolieren. Das müsste doch aber besonders die britischen Institute betreffen.Versetzen Sie sich in die Lage eines Kunden außerhalb Europas: Während wir uns hierzulande über das Hin und Her der britischen Politik mokieren, wird insbesondere Kunden, die sich außerhalb der EU befinden, in einer so unsicheren Zeit London als die sicherste Adresse erscheinen. Zumal sich für sie vertragsseitig nichts ändert, während für diese Geschäftspartner ein Wechsel in die EU-27 mit operativen Änderungen einherginge. Dazu ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass diese schon seit Jahrzehnten Geschäftsbeziehungen mit den Banken in der City unterhalten. Ich glaube, dass das auch kulturelle Gründe hat, Großbritannien wird als das offenere Land angesehen, vergleichbar vielleicht mit dem, was Singapur für Asien darstellt. Die Erwartung der hiesigen Branche ist doch, vom Brexit zu profitieren.Auf lange Sicht mag das so kommen. Aktuell verliert aber gerade die deutsche Finanzbranche internationales Geschäft. Die hiesigen Marktteilnehmer sind zurzeit insbesondere damit beschäftigt, ihre Kosten zu senken. Bereits vor dem Brexit haben viele Banken ihr Kapitalmarktgeschäft konsequent zurückgefahren, andere prominente Häuser sind gerade dabei. Vor diesem Hintergrund wird die deutsche Bankenbranche kurzfristig nichts hinzugewinnen durch den Brexit. Es mangelt oft an finanziellen Mitteln und auch teils an der unternehmerischen Fantasie, welche Art von Geschäften man gerade in der gegenwärtigen Lage machen kann. Der Brexit wird ähnlich angegangen wie ein regulatorisches Umsetzungsprojekt. Das heißt, es wird oft versucht, so wenig wie möglich zu machen anstatt das taktisch und strategisch Notwendige. Ich glaube, da sind etwa die französischen Banken couragierter und natürlich auch finanziell besser gewappnet. Was würden Sie der Branche raten?Ich glaube es wird Zeit, dass die Institute noch mehr in den Dialog treten und der Frage nachgehen, welche Rolle der deutsche Finanzmarkt künftig in der EU einnehmen soll. Die Bankenlandschaft in Deutschland ist auch aufgrund der Drei-Säulen-Struktur stark fragmentiert, so dass es nur schwer möglich ist, gemeinsame Positionen zu formulieren. Selbst innerhalb der drei Säulen gibt es wieder Unterverbände – nehmen Sie die Sparda-Banken innerhalb des genossenschaftlichen Sektors oder auch die Auslandsbanken, die eine Hybridfunktion innerhalb der privaten Banken einnehmen. Grundsätzlich haben die Verbände in Deutschland doch aber eine starke Position.Für den Kapitalmarkt gilt das weniger. Da hat man sich zu lange auf das Know-how der Briten verlassen, die in diesem Bereich ja die Nase unbestritten vorn haben. Nun, da der Brexit kommt, muss die Branche es schaffen, ein eigenes Pendant zu Institutionen wie UK Finance zu bilden. Das Interview führte Anna Sleegers.