GASTBEITRAG

Brexit: Für die Banken wird es konkret

Börsen-Zeitung, 27.7.2017 Die zweite Runde der Brexit-Verhandlungen zu den Austrittsbedingungen des Vereinigten Königreichs hat keine klaren Ergebnisse gebracht. Damit besteht die Unsicherheit über den Ausgang der Verhandlungen fort. Das...

Brexit: Für die Banken wird es konkret

Die zweite Runde der Brexit-Verhandlungen zu den Austrittsbedingungen des Vereinigten Königreichs hat keine klaren Ergebnisse gebracht. Damit besteht die Unsicherheit über den Ausgang der Verhandlungen fort. Das Worst-Case-Szenario eines Brexit ohne Regelungen kann nicht ausgeschlossen werden. Seitens der Bank of England sind die Banken aufgefordert, ihre Planungen für extreme Szenarien zu konkretisieren.Für Institute, die im Rahmen der aktuellen Passporting-Regelungen Kundenbeziehungen in der EU unterhalten, werden Umstellungen unvermeidbar sein. Auch wenn die britische Regierung Übergangsregelungen in Betracht ziehen will, um einen harten Brexit zu vermeiden, ist nicht davon auszugehen, dass die bestehenden grenzüberschreitenden Geschäftsmodelle auf Dauer haltbar sind. HandlungsbedarfGemäß der Unternehmensdatenbank der deutschen Finanzaufsicht BaFin betrifft dies rund 200 aus dem Vereinigten Königreich heraus in Deutschland tätige Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute sowie eine ähnlich große Zahl an Versicherungsunternehmen.Die erforderlichen Umstellungen werden sich an verschiedenen Faktoren orientieren:- Wesentliches Kriterium sind der geplante Umfang und die Breite des Geschäfts mit in der EU domizilierten Kunden. Mit großer Sicherheit werden die Aktivitäten mit direktem Kundenbezug von den Umstellungen betroffen sein. Inwiefern Anpassungen an weiteren Front-Office-Bereichen erforderlich sind, ist je nach Breite des Produktkatalogs, Umfang der Aktivität und Sitzland der Kunden im Einzelfall zu beurteilen.- Hinsichtlich der Back-Office-Aktivitäten ist eine Verlagerung nicht unmittelbar aufsichtsrechtlich geboten. Vor allem der Einsatz der gegebenenfalls gruppenweit genutzten IT-Systeme ermöglicht es so, bereits bestehende Skaleneffekte zumindest zum Teil noch zu erhalten. Eine wesentliche unklare Einflussgröße ist allerdings die Handhabung des Euro-Clearing. Eine Verlagerung auf den Kontinent würde auch im Back Office größere Umstellungen erforderlich machen.- Hinsichtlich der Risikomanagement- und Kontrollprozesse müssen die erforderlichen Anpassungen den neuen Strukturen Rechnung tragen und auch auf lokaler Ebene angemessene Kontrollen erlauben.Als wesentliche Rahmenbedingung haben EZB und BaFin unisono den Anspruch formuliert, dass es keine sogenannten Briefkastenfirmen geben soll. Die lokal zu betreibenden Einheiten sind mit den relevanten Funktionen – insbesondere den kundenbezogenen Bereichen und der Risikosteuerung – und aufsichtsrechtlich gebotenen Verantwortlichkeiten der Geschäftsleitung auszustatten. HandlungsoptionenBei den sich daraus ergebenden Umstellungsmaßnahmen sind zwei Varianten zu unterscheiden:- Bestehen bereits relevante Einheiten auf dem Kontinent, ist eine Verlagerung von Geschäft unter Umständen ohne Notwendigkeit zur Schaffung neuer Strukturen möglich. Gemäß aktueller Presseberichte wird dies derzeit beispielsweise von der Deutschen Bank oder der Société Générale ins Auge gefasst. Analog werden seitens einzelner Assetmanager bereits Fund-Management-Mandate auf in der EU domizilierte Einheiten insbesondere in Dublin und Luxemburg übertragen.- Fehlen geeignete aufnehmende Einheiten, können Neugründungen erforderlich werden. Neben dem Durchlaufen entsprechender Lizenzierungsverfahren wird in diesem Fall auch der Aufbau der erforderlichen Strukturen und Systeme, gegebenenfalls angepasst an die lokalen Besonderheiten, erforderlich. Vor dem Hintergrund des zeitlichen Rahmens und der zusätzlichen Kosten ist das sicherlich eine große Herausforderung für die einzelnen Häuser.Gerade deshalb ist bei einer Neugründung die richtige Balance zwischen dem zusätzlichen Aufwand und der Tragfähigkeit und Reichweite des Geschäftsmodells zu finden. Einige wesentliche Aspekte: GestaltungsmöglichkeitenIn Abhängigkeit vom Produktportfolio und den weiteren Planungen für das europäische Geschäft kann eine Lizenzierung als Wertpapierfirma (Broker-Dealer-Modell) oder eine Vollbank-Lizenzierung gewählt werden. Die Lizenzierung des Broker-Dealers liegt bei den lokalen Aufsichtsbehörden und ist in verschiedenen Aspekten dem geringeren Geschäftsumfang entsprechend einfacher.Durch Einbindung der neuen Einheit in die bestehenden Systeme und Modelle wird die in der Regel gruppenweit erforderliche Konsistenz und Stringenz im Risikomanagement gewahrt. Allerdings unterliegen interne Modelle der Genehmigung durch lokale Aufsichtsbehörden, und das lokale Management muss die Verantwortlichkeit für die lokale Risikosteuerung übernehmen können. Bei der Anerkennung der gruppenweiten internen Modelle zur Risikosteuerung hat die BaFin zeitliches Entgegenkommen signalisiert.Ideal ist hier die weitere Nutzung der gruppenweit verfügbaren Systeme und Prozesse. Die bestehenden Prozesse zur Geschäftsabwicklung können so mit geringen Modifikationen weitergeführt werden. Hier kann in einem ersten Schritt auch ein sogenanntes Back-to-Back-Buchungsmodell erwogen werden, bei dem weiterhin ein zentraler Zugang zu den Märkten und Verwahrstellen beibehalten wird. Diese Geschäftsmodelle werden zumindest für einen Übergangszeitraum von der Aufsicht toleriert, soweit eine Planung für einen weiteren Aufbau absehbar ist. Allerdings sind die Systeme unter Umständen an lokale Anforderungen anzupassen. Kein “Wait and See”Durch Beibehalten der zentralen Systeme und Prozesse zur Geschäftsbearbeitung und Risikosteuerung können Kosten und Geschäftsrisiken angemessen gesteuert werden. Gleichermaßen ist aber auch den lokalen (aufsichts)rechtlichen Gegebenheiten angemessen Rechnung zu tragen. Mit der Gründung einer Tochtergesellschaft sind zusätzliche Themen im Reporting und Meldewesen gemäß deutschen Anforderungen im Vergleich beispielsweise zu einer EU-Zweigniederlassung nach § 53 b des Kreditwesengesetzes (KWG) verbunden. Gerade hier erscheint ein Outsourcing an einen lokalen Anbieter sinnvoll, wenn dieser in der Lage ist, die lokalen Besonderheiten unter Berücksichtigung des gewählten Geschäftsmodells zu passenden Konditionen abzudecken.Aufgrund der eingangs beschriebenen signifikanten Unsicherheiten kann bei einer Umsetzung ein schrittweiser Ansatz sinnvoll sein, bei dem zunächst über die Zusammenarbeit mit lokal vorhandenen Einheiten oder lokalen Anbietern eine erste Lösung bereitgestellt wird. Bei Klarheit über die langfristigen Rahmenbedingungen des Geschäfts kann das Modell dann in Abstimmung mit der Aufsicht ergänzt oder verändert werden. Ein “Wait and See” ist indes nicht möglich – dies könnte im Fall eines harten Brexit zum Verlust des Geschäfts mit europäischen Kunden führen.—-Manfred Beinhauer, FinTeam.eu i.G., Oberursel. Partner von Banken und Finanzdienstleistern beim Aufbau einer EU-Präsenz