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Britische Banken als Brexit-Frühwarnsystem

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 31.7.2019 Wenn das wirtschaftliche Gesamtbild erste Risse bekommt, spüren das die Banken für gewöhnlich als Erste. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit für die Zahlen der schottischen Großbank Lloyds...

Britische Banken als Brexit-Frühwarnsystem

Von Andreas Hippin, LondonWenn das wirtschaftliche Gesamtbild erste Risse bekommt, spüren das die Banken für gewöhnlich als Erste. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit für die Zahlen der schottischen Großbank Lloyds Banking Group, die heute zur Veröffentlichung anstehen. Sie lassen sich als Frühwarnsystem für die möglichen Folgen des EU-Austritts interpretieren. Die Zahlen für das Auftaktquartal waren schon nicht gerade glänzend. Der kleinere Rivale CYBG berichtete bereits von einem schwachen Mittelstandsgeschäft.Die Bank of England hatte in ihrer Umfrage zu den Kreditbedingungen im abgelaufenen Quartal eine unerwartet starke Nachfrage nach besicherten Krediten und eine Ausweitung der Margen ausgemacht. Der Treiber dafür waren Käufe von Wohnimmobilien. Der Rest des Geschäfts entwickelte sich weitgehend so wie von den Kreditinstituten im Auftaktquartal erwartet, abgesehen von einem deutlichen Anstieg der Zahlungsausfälle. Die Nachfrage nach unbesicherten Krediten ging zurück. Firmen fragten weniger Kredite nach, insbesondere kleine Unternehmen hielten sich zurück. Hier scheint sich der Wettbewerb zu intensivieren, während der heranrückende EU-Austrittstermin die Nachfrage belastet.Das Niedrigzinsumfeld der vergangenen Jahre sorgte dafür, dass Kredit günstig zu haben waren. Höhere Wertberichtigungen und eine Eintrübung im Geschäft mit Autofinanzierungen und Kreditkarten wären für die ganze Branche schlechte Nachrichten. Der Wohnimmobilienmarkt ist, anderslautenden Meldungen zum Trotz, weiterhin robust. Intensiver Wettbewerb Der intensive Wettbewerb im Hypothekengeschäft und die Kosten für die Kompensation von Kunden, denen nutzlose Restschuldversicherungen (PPI, Payment Protection Insurance) verkauft wurden, drückten das Ergebnis von Lloyds im ersten Quartal. “Wir erwarten, dass sich beide Trends fortsetzen werden, insbesondere weil sich das Ende der Frist für PPI-Entschädigungsforderungen schnell nähert”, sagt Laith Khalaf, Senior Analyst bei Hargreaves Lansdown. “Aber Lloyds` Fokus auf Kostensenkungen sollte den Gegenwind ausgleichen.” Bislang haben britische Banken 42 Mrd. Pfund für den PPI-Skandal zurückgestellt. Lloyds (LBG) führt mit nahezu 20 Mrd. Pfund die Liste an. Die Aufarbeitung kostet das Institut monatlich mehr als andere Banken (siehe Grafik). Das Management will die operativen Kosten 2019 auf weniger als 8 Mrd. Pfund drücken. Im Auftaktquartal hatten sie bei knapp 2 Mrd. Pfund gelegen. Analysten rechnen im Schnitt für das abgelaufene Quartal mit einem bereinigten Vorsteuerergebnis von 2,05 (i.V. 2,23) Mrd. Pfund. Auf Lloyds folgen am Donnerstag Barclays und Standard Chartered. Am Freitag legt die Royal Bank of Scotland (RBS) Geschäftszahlen vor.Bankanalysten trauen Barclays im Schnitt ein bereinigtes operatives Ergebnis von 1,58 (1,98) Mrd. Pfund zu. Die Abwertung des Pfund gegen den Dollar dürfte sich zwar positiv bemerkbar machen, aber die Einnahmen der US-Banken im Investment Banking sind im abgelaufenen Quartal nach Rechnung der UBS um 9 % zurückgegangen.Der Börsengang der elektronischen Handelsplattform Tradeweb am Nasdaq Global Select Market dürfte der Transatlantikbank einen Veräußerungsgewinn von rund 200 Mill. Dollar beschert haben. Die verhaltene Geschäftsentwicklung könnte es Barclays erschweren, die operativen Kosten in der für das Gesamtjahr angestrebten Spanne von 13,6 Mrd. bis 13,9 Mrd. Pfund zu halten. Der Bankexperte Joseph Dickerson von Jefferies geht etwa davon aus, dass die Kosten auf dem britischen Heimatmarkt nicht stagnierten, sondern stiegen. Allerdings geht er für das zweite Halbjahr von einer besseren Performance aus. Er rechnet deshalb damit, dass das Management eine neue Spanne mit einer Untergrenze von 13,3 Mrd. Pfund nennen wird, seiner Schätzung für die Kosten (inklusive Bankenabgabe) im Gesamtjahr nach.Der Schnitt der Analystenschätzungen für das bereinigte Vorsteuerergebnis von Standard Chartered liegt bei 1,12 (1,02) Mrd. Dollar. Wenn das Institut, das den Großteil seines Geschäfts in Asien macht, seine Zahlen vorlegt, wird der Ausblick auf die Nettozinsmarge im Vordergrund stehen. Standard Chartered macht nämlich auch einen wesentlichen Teil ihres Geschäfts in Dollar und in Währungen, die am Dollar hängen. Kommt es also zu einer Leitzinssenkung der US-Notenbank Fed, wirkt sich das direkt auf die Erträge aus. Die Bank of Korea senkte jüngst ihren Leitzins um 25 Basispunkte. Bei Bekanntgabe der Zahlen des Auftaktquartals hatte CEO William Winters den ersten Aktienrückkauf seit 2002 angekündigt. Hoher VeräußerungsgewinnDie stark auf den Heimatmarkt fokussierte Royal Bank of Scotland dürfte nach Schätzung der UBS ein bereinigtes Vorsteuerergebnis von 1,27 Mrd. Pfund zeigen. Wie die Geschäftszahlen von Lloyds sind auch ihre Daten Indikatoren dafür, welche Auswirkungen der herannahende Brexit bereits hat. Man darf zudem gespannt sein, ob ein Nachfolger für CEO Ross McEwan, der die Führung der National Australia Bank übernehmen will, genannt wird. Interessant wird darüber hinaus, in welchem Maße sich das Image der Bank in der öffentlichen Wahrnehmung erholt. Die schottische Großbank hat im abgelaufenen Quartal von der Fusion der saudischen Alawwal Bank mit der Saudi British Bank profitiert. Aus der Transaktion ergibt sich ein den Aktionären zuzurechnender Gewinn von 0,7 Mrd. Pfund.