Britische Mietwohnungen ziehen internationales Kapital an
Serie: Kein Stein bleibt auf dem anderen (5)
Britische Mietwohnungen ziehen Kapital an
Institutionelle Investoren aus aller Welt kehren an den britischen Markt zurück – Knappes Angebot sorgt für steigende Mieten
Von Andreas Hippin, London
Der britische Mietwohnungsmarkt ist zwar noch klein. Doch das Interesse institutioneller Investoren aus aller Welt wächst. Sie können regulatorische Veränderungen leichter verkraften als die zahllosen privaten Vermieter. Dafür dürfen sie auf stetig steigende Mieten hoffen.
My home is my castle. So kennt man die Briten. Doch in Großbritannien ist ein Eigenheim für viele Menschen zum schwer erreichbaren Ziel geworden. Der wachsende Mietwohnungsmarkt bietet ihnen eine Alternative. Rund sechs Millionen Haushalte mieten. Im vergangenen Jahrzehnt kamen jährlich 100.000 dazu.
Waren Mietwohnungen früher oft in einem schlechten Zustand, so hat sich das Angebot in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Es ist aber weiterhin klein. Denn der Fokus der Politik auf Wohneigentum und regulatorische Veränderungen der 1970er und 1980er Jahre führten dazu, dass sich institutionelle Eigentümer wie Pensionsfonds zurückzogen. Der Staat hörte ebenfalls auf, in nennenswertem Umfang Wohnungen zu bauen. Erst in den vergangenen zehn bis zwölf Jahren kehrten die institutionellen Anleger zurück.
Es ist ein lebendiger, wachsender Markt, der sich in den kommenden fünf Jahren weiter entwickeln und institutioneller werden wird. Aber es geht langsam voran, denn man muss die Mietwohnungen bauen.
John German
„Es ist ein lebendiger, wachsender Markt, der sich in den kommenden fünf Jahren weiter entwickeln und institutioneller werden wird“, sagt John German, Managing Director Residential Investments bei Invesco. Real Estate (IRE) „Aber es geht langsam voran, denn man muss die Mietwohnungen bauen.“ In fünf Jahren werde der Markt vielleicht doppelt oder 2,5-mal so groß wie heute sein.
„Jährlich werden zwischen 3 Mrd. und 5 Mrd. Pfund in den britischen ‚Build-to-Rent‘-Sektor investiert, wie man das hier nennt“, sagt German. „Insgesamt waren es seit etwa 2012 wohl 70 Mrd. bis 80 Mrd. Pfund. Wir selbst haben etwa 1,5 Mrd. Pfund investiert.“ Zuletzt schloss IRE einen Forward-Funding-Deal über ein Bauprojekt mit 99 Wohneinheiten in Chelmsford (Essex) ab.
„Langfristiges konsistentes Einkommenswachstum“
„Mietwohnungen bieten ziemlich niedrige Renditen, derzeit 4,0% bis 4,5%“, sagt Dan Batterton, Head of Residential bei L&G Asset Management. „Aber dafür bekommt man langfristig konsistentes Lohnwachstum und damit langfristig konsistentes Einkommenswachstum.“ Es gebe bereits eine ordentliche Prämie auf die Rendite inflationsgeschützter Anleihen von um die 300 Basispunkte.
„In einigen unserer Londoner Objekte hatten wir ein jährliches Mietwachstum von mehr als 10% im Jahr 2024“, sagt German. „Wir rechnen aber nicht mit einer Fortsetzung solcher Wachstumsraten.“
„Sehr sichere Anlagen“
„Die Frage ist, ob Großbritannien im internationalen Vergleich attraktiv ist“, sagt Batterton. Wenn man erst einmal vor Ort sei, stelle man fest, dass es sich um sehr sichere Anlagen handelt.
„Unser Planungssystem macht es einem schwer, mehr Wohnungen zu bauen.“ L&G hat seit 2016 mehr als 3 Mrd. Pfund in den „Build-to-Rent“-Sektor investiert. Im Dezember schloss L&G ein Projekt mit mehr als 1.000 Wohneinheiten in der Nähe des Bahnhofs Wandsworth Town ab.
„Wir haben Appetit aus Asien beobachtet, aus Kontinentaleuropa und aus Australien“, sagt Alex Greaves, Head of UK Residential Property bei M&G. „Kapital aus Australien strömt schon herein. Aber ich denke, dass es für externe Anleger bis vor kurzem schwierig gewesen ist, britische Engagements vor ihren Investmentkomitees zu rechtfertigen. Deshalb spreche ich gern von einem Auftauen des Markts.“
Weniger private Vermieter
Es gibt einen deutlichen Rückgang bei der Zahl der privaten Vermieter. Mehr als die Hälfte denken mittlerweile über einen Verkauf ihrer Objekte nach. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Wenn man eine Zweitimmobilie kauft, um sie zu vermieten, wird mehr Stempelsteuer fällig.
Derzeit befindet sich zudem eine Reform des Mietrechts (Renters Reform Bill) in der parlamentarischen Debatte. Dadurch werden Räumungsklagen gegen Mieter schwieriger.
„Der große Unterschied zur aktuellen Situation ist, dass Mietverträge sich künftig automatisch verlängern“, sagt Batterton. „Im Moment haben die meisten eine Laufzeit von zwölf Monaten. In Zukunft laufen sie weiter, und wenn der Mieter ausziehen will, hat er dafür eine Kündigungsfrist von zwei Monaten.“
Energieausweise kommen
Für institutionelle Anleger stelle nichts von dem, was in dem Gesetz enthalten ist, ein Problem dar. „Aber wenn es sich um Ihr Apartment handelt, das Sie vermieten, wollen Sie vielleicht nicht, dass der Mieter ein Haustier hält“, sagt Batterton. „Es könnte ja die Wohnung beschädigen.“
Es gibt noch eine weitere Veränderung. Dabei geht es um Energieausweise (Energy Performance Certificates). Ab 2030 muss die Energieeffizienzklasse für Wohnungen C oder besser sein, um sie vermieten zu können. Das gilt nicht nur für Neubauten, sondern für alle Mietwohnungen. „Was wir gebaut haben, ist energieeffizient und erfüllt diese Anforderungen locker“, sagt Batterton. „Aber mehr als die Hälfte des britischen Mietwohnungsbestands wird dem nicht gerecht.“ Zahlreiche Hauseigentümer haben in den vergangenen 10 bis 20 Jahren eine Menge Wertzuwachs verzeichnet. Sie verkaufen. Das führt zu einem Rückgang des Mietwohnungsangebots.
„Wenn ich mir das als Investor ansehe, gibt es in dem Sektor einen Angebotsrückgang“, sagt Batterton. „Er hat nichts mit den Faktoren zu tun, die der Rendite zu Grunde liegen, sondern geht auf die sich verändernde Regulierung zurück. Unser Geschäftsmodell bleibt davon völlig unberührt.“
Investieren ohne Entwicklungsrisiko
„Der Vorteil heute ist, dass der Sektor herangereift ist“, sagt Batterton. „Heute kann man investieren, ohne dabei ein Entwicklungsrisiko einzugehen. Man kann sich in fertiggestellte Portfolios einkaufen, die bereits in vollem Umfang Einkommen liefern.“ Sie kämen nicht von den traditionellen Hausbaugesellschaften, sondern von Immobilienentwicklern, die Projekte finanzieren wollten.
Man könne zu einem dieser Entwickler gehen, der über ein Grundstück verfüge, den Baugenehmigungsprozess bereits hinter sich habe und mit dem Bau beginnen wolle. Dann kaufe man das Projekt sozusagen im Voraus, ohne das Baurisiko in Kauf nehmen zu müssen. Für diese Vorgehensweise gebe es eine Menge von Möglichkeiten im ganzen Land.
Koreanischer Pensionsfonds steigt ein
„Der koreanische Pensionsfonds NPS hat 300 Mill. Pfund Eigenkapital in einen Fonds gesteckt, um Einfamilienhäuser in Großbritannien zu entwickeln“, sagt German. „Das Timing ist ziemlich gut. Dabei geht es um Reihenhäuser.“ Die beste Quelle für Einfamilienhäuser seien Hausbaugesellschaften.
Wenn die Kosten für Hypotheken hoch seien, nähmen Einzelpersonen weniger hohe Kredite auf. Wenn ein Anleger mit 300 Mill. Pfund vorbeikomme, könne er daraus durch moderaten Einsatz von Leverage etwa eine halbe Mrd. Pfund an Investitionsmitteln machen. „Das ist zwar eine ganze Menge, wird das Wohnungsproblem in Großbritannien aber nicht lösen“, sagt German.
Ich denke, dass eine Menge passieren wird. Egal, ob Einfamilienhäuser oder Mehrfamilienhäuser: Die Zahlen werden steigen. Es gibt eine große Zahl von Immobilien, die sich in der Pipeline befinden. Sie warten darauf, gebaut zu werden, oder befinden sich bereits im Bau. Es sind Zehntausende.
Alex Greaves
Hausbaugesellschaften passen Geschäftsmodell an
„Wenn eine Hausbaugesellschaft eine Marge von 20% durch den Verkauf an einen Endeigentümer verdienen kann, wird sie das tun“, sagt Greaves. „Für institutionelle Anleger wie uns war es in den vergangenen zehn Jahren schwerer, diese Unternehmen zu überzeugen. Sie hatten eine andere Exit-Möglichkeit.“ Der Verkauf an Einzelpersonen sei zwar kleinteiliger, dauere länger und berge ein größeres Risiko. Aber er liefere eine höhere Rendite. „Mit der wirtschaftlichen Verlangsamung haben die Hausbaugesellschaften ihr Modell angepasst“, sagt Greaves. „Jetzt schließt es Abnehmer wie uns mit ein. Auf dieser Grundlage rechne ich mit mehr Wachstum.“ Egal, ob Einfamilienhäuser oder Mehrfamilienhäuser: Die Zahlen dürften steigen. „Es gibt eine große Zahl von Immobilien, die sich in der Pipeline befinden. Sie warten darauf, gebaut werden. Es sind Zehntausende.“
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