GASTBEITRAG

Bröckelnde Altersvorsorge

Börsen-Zeitung, 10.3.2017 Endlich eine gute Nachricht! Das Wirtschaftswachstum in Deutschland zeigt sich zum Jahreswechsel robust, insbesondere die hohen Konsumausgaben sorgen für gute Prognosen. In diesen wirtschaftlichen Wohlfühlmeldungen ging...

Bröckelnde Altersvorsorge

Endlich eine gute Nachricht! Das Wirtschaftswachstum in Deutschland zeigt sich zum Jahreswechsel robust, insbesondere die hohen Konsumausgaben sorgen für gute Prognosen. In diesen wirtschaftlichen Wohlfühlmeldungen ging eine Zahl etwas unter, die es aber in sich hat: Die Inflation stieg laut Statistischem Bundesamt Ende 2016 überraschend stark um 1,7 %. Das mag eine volkswirtschaftlich gewünschte Entwicklung sein, für die deutschen Sparer ist es eine weitere Hiobsbotschaft. Sparguthaben erodierenDenn es wird auf absehbare Zeit unmöglich sein, gegen den Wertverlust anzusparen, den Niedrigzinsen und die ansteigende Inflation verursachen. Niedrigverzinste Sparguthaben erodieren nun spätestens mit ansteigender Inflation. Mehr noch: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Negativzinsen beziehungsweise Verwahrungsgebühren in Deutschland auch für private Sparguthaben der Normalfall werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn die EZB ihren Kurs des billigen Geldes fortsetzt – und genau das ist im Augenblick der Fall.Das Bild wird aber erst komplett, wenn man einen Blick auf die Altersvorsorge durch private Kapital- oder Rentenversicherungen wirft. Sämtliche Versicherungsprodukte werfen nicht mehr die ursprünglich prognostizierten Erträge für die Anleger ab. Die Riester-Rente wird von Versicherern aus dem Programm genommen, weil sie sich nicht mehr rechnet. Die entstehende Lücke in der privaten Altersversorgung ist zu einer realen Bedrohung geworden, die weit über Einzelfälle hinausgeht.Noch gar nicht eingerechnet sind die Bedrohungen für die Beitragsstabilität und -leistungen der Sozialkassen, deren Rücklagen – mithin das Geld der Beitragszahler – gerade von Negativzinsen verbrannt werden. Und am Horizont drohen Abstriche bei der betrieblichen Altersversorgung, weil Unternehmen ihre Rückstellungen gar nicht mehr so schnell erhöhen können, wie der Diskontierungszinssatz gesenkt wird. Wie man es dreht und wendet: Der berühmte kleine Sparer ist der Dumme der Niedrigzinspolitik. Maßnahmenpaket schnürenEs ist höchste Zeit, dass sich die Akteure aus Finanzwirtschaft und Politik zusammentun, um ein Maßnahmenpaket zu schnüren, das konsequent darauf ausgerichtet ist, die private Altersvorsorge zu stabilisieren. Dabei muss die gesamte Bandbreite der Möglichkeiten betrachtet werden, von der Förderung des Aktiensparens bis hin zur Abschaffung der Grunderwerbssteuer, um den Erwerb von Eigenheimen für bestimmte Zielgruppen zu unterstützen. Fiskalische Spielräume dafür gibt es genug, schließlich gibt es ja auch Profiteure der Niedrigzinspolitik, allen voran die öffentlichen Haushalte. BeratungsoffensiveDie private Altersvorsorge vor den nicht beabsichtigten, aber dennoch in Kauf genommenen Folgen der Zinspolitik zu schützen – darin liegt auch eine besondere Verantwortung der Sparkassen. Sie sind die traditionellen Fürsprecher der “kleinen Sparer” und sollten hier klar deren Interessen vertreten. Nicht zuletzt muss eine Beratungsoffensive her, denn Sparer müssen aktiv angesprochen werden, um ihnen zu verdeutlichen, wo ihre Altersvorsorge Lücken hat. Es ist wenigstens zu hoffen, dass der Inflationsschock Anfang Januar dafür sorgt, dass die drohende Erosion der privaten Altersvorsorge in den Fokus der öffentlichen Diskussion gerückt wird.—-Peter Scholten, Vorstandsvorsitzender Sparkasse Rhein-Nahe