Brokerpanne setzt Börse Schanghai mächtig unter Zugzwang

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 28.8.2013 Die Schanghaier Börse scheint auf immer heftigere Kritik an Sicherheitsmängeln ihres Handelssystems reagieren zu müssen. Nach einigem Zögern sieht man bei der Shanghai Stock Exchange die von...

Brokerpanne setzt Börse Schanghai mächtig unter Zugzwang

Von Norbert Hellmann, SchanghaiDie Schanghaier Börse scheint auf immer heftigere Kritik an Sicherheitsmängeln ihres Handelssystems reagieren zu müssen. Nach einigem Zögern sieht man bei der Shanghai Stock Exchange die von einem Systemfehler beim Brokerhaus Everbright Securities losgetretene Handelsverzerrung nun doch als Anlass, die hauseigenen Sicherheitsmechanismen zu überarbeiten. Circuit Breaker gesuchtEin Sprecher der Börse ließ über soziale Medien verbreiten, dass man an dem staatlich geführten Handelsplatz nun über die Einführung von sogenannten Circuit Breakern nachdenkt, wie sie an westlichen Aktienbörsen greifen. Dort sind die Systeme darauf getrimmt, bei auffälligen Orderbewegungen oder nicht erklärbaren Indexsprüngen eine rasche Unterbrechung des Handels zu veranlassen. Zuvor hatte der Börsenbetreiber wesentlich defensivere Töne angeschlagen. Noch am Wochenende wurde in einer Online-Medienkonferenz erklärt, man habe alles richtig gemacht, als man nach milliardenschweren Fehlorders des Brokers und damit verbundenen Kursschwüngen in keinster Weise eingriff und im Nachhinein sämtliche Handelstransaktionen des Tages für gültig erklärte. Es habe keine Grundlage für ein Einschreiten gegeben, weil jede einzelne Order des Brokers für sich genommen im Rahmen der Risikolimite gelegen habe.Eine Systempanne der Eigenhandelsplattform von Everbright hatte am 17. August einen Schwall von unbeabsichtigten Kaufaufträgen im Umfang von umgerechnet fast 3 Mrd. Euro losgetreten. Der marktbreite Hauptindex Shanghai Composite schoss daraufhin binnen Minuten um knapp 6 % in die Höhe.Die in China tonangebenden Kleinanleger sprangen auf die Rally auf, die sich erst Stunden später, als Everbright eine Erklärung abgegeben hatte, wieder in nichts auflöste. Daran knüpfen sich nun viele Fragen, ob Anleger aufgrund mangelhafter Handelsinfrastruktur und Regulierungsrahmens zu Schaden gekommen sind. Ein rascher Verkauf von Titeln am selben Handelstag war den Marktteilnehmern nicht möglich, weil für die Gültigkeit von Transaktionen ein T+1-Rahmen gilt, so dass die Geschäfte erst am Folgetag wirksam werden. Bezeichnenderweise hatte Everbright nach Erkennen der Panne und angesichts der nicht gegebenen Möglichkeit, aus den georderten Aktien sofort wieder auszusteigen, Gegengeschäfte zur Schadensbegrenzung via Short-Positionen auf Aktienindex-Futures veranlasst.Erst nach diesem Manöver bequemte sich der Broker, die Panne öffentlich zu machen. Marktexperten zufolge sind die Futures-Geschäfte als eine Art Insidertransaktion zu werten, aus der Schadenersatzansprüche von Anlegern entstehen könnten. Damit wird sich die Wertpapieraufsichtsbehörde China Securities Regulatory Commission (CSRC) noch befassen müssen.Die CSRC hat bereits eine umfassende Eiluntersuchung aller Handelssysteme der über 100 heimischen Brokerhäuser angeordnet. Aber nun mehren sich die Forderungen, dass auch die Börse ihre Handelsinfrastruktur besser auf die Reihe bekommen muss. Die der Schanghaier Lokalregierung unterstehende Börse sieht sich seit Tagen ungewohnt bissiger Kritik in chinesischen Staatsmedien ausgesetzt, die politischen Reformdruck vermuten lässt. Peking will die führende Börse des Landes auf der Höhe der Zeit sehen.Die Defekte in der Systemarchitektur sind offensichtlich. So ist zwar richtig, dass die Einzelorders der Everbright für sich genommen kein bedenkliches Volumen aufwiesen, die Ordersumme der über 26 000 Transaktionen aber überstieg die Nettoaktiva des Brokers und damit natürlich auch alle Kreditlimite. Flotter abwicklenSo gesehen wird die Börse nicht daran vorbeikommen, Alarmmechanismen einzuführen, die bei auffälligen Handelsbewegungen eine Unterbrechung erlauben. Und gleichzeitig hat sich die Börse nun auch eine Diskussion eingefangen, im Spothandel eine beschleunigte Abwicklung zu ermöglichen und den T+0-Mechanismus einzuführen, der großen und kleinen Investoren den Kauf und Verkauf von Aktien am selben Handelstag ermöglicht.——–Die Brokerpanne zeigt, dass auch das Handelssystem in Schanghai nicht auf der Höhe der Zeit ist.——-