Brüssel verschiebt Entscheidung zu Gas und Atomkraft
ahe Brüssel
Nach den jüngsten Kontroversen über die Ausgestaltung der Taxonomie-Regulierung will die EU-Kommission vorerst doch noch keine Entscheidung treffen, ob die Kernenergie oder der Bau von Gas-Infrastruktur künftig als nachhaltig gelten können. In einem Papier, das die Brüsseler Behörde in der kommenden Woche veröffentlichen will und das der Börsen-Zeitung vorab vorliegt, wird zu den strittigen Energiefragen ein separater delegierter Rechtsakt angekündigt – der allerdings erst im vierten Quartal kommen soll. Der ursprünglich geplante Anwendungstermin der Taxonomie zum 1. Januar 2022 dürfte damit für den wichtigen Energiesektor nicht mehr zu halten sein.
Die EU-Kommission will die für die Finanzwirtschaft und Investoren entscheidende Frage, welche Wirtschaftszweige im Rahmen der Taxonomie als grün eingestuft werden, in mehreren Rechtsakten klären. Ein erster soll in der kommenden Woche mit Blick auf die Klimafragen veröffentlicht werden. Nachdem Entwürfe hierzu bekannt geworden waren, hatten Kritiker der Behörde vorgeworfen, insbesondere bei den Themen Gas, Bioenergie und Forstwirtschaft zu nachsichtig zu sein.
Die Kommission räumte jetzt in ihrem Papier ein, dass es unterschiedliche Meinungen sowohl von EU-Abgeordneten als auch von den EU-Mitgliedstaaten und von Interessengruppen gebe. Diese bezögen sich auf die Verwendung von Erdgas als Übergangstechnologie bei der Umstellung von Kohle und Öl auf erneuerbare Energien sowie auf die Einbeziehung der Nukleartechnologie in die Taxonomie. Daher solle es hierzu nun einen gesonderten Legislativvorschlag im vierten Quartal geben, hieß es. Allerdings hätten auch die Staats- und Regierungschefs der EU auf ihrem Gipfel im Dezember 2020 zuletzt noch einmal die Rolle von Übergangstechnologien wie Erdgas anerkannt.
Die EU-Kommission verwies zugleich darauf, dass mit diesem Vorgehen auch Kritik an dem aktuellen Klassifizierungssystem für nachhaltige Finanzierungen ausgeräumt werden könne, wonach diese keine Leitlinien für Aktivitäten enthalte, die ihre Kriterien nicht erfüllten. „Es ist wichtig, die Solidität und Glaubwürdigkeit der Taxonomiekriterien für langfristige nachhaltige Aktivitäten aufrechtzuerhalten“, hieß es in der geplanten Kommunikation.
Der EU-Abgeordnete Markus Ferber kritisierte, die Kommission habe sich „verzockt“: Die Brüsseler Behörde „wollte den delegierten Rechtsakt im Schweinsgalopp durch die Institutionen peitschen“, monierte der CSU-Finanzexperte. Nun sei aber offenkundig geworden, dass ein so kontroverses Dossier wie die Taxonomie schlichtweg mehr Vorbereitungszeit und einen echten Diskurs benötige.
„Ein wenig mehr Zeit wird der Debatte guttun“, so Ferber. Beim Thema nachhaltige Finanzierung solle besser nicht mit heißer Nadel gestrickt werden. Klar sei, dass die Taxonomie unfertig sei, solange der Energiesektor weitgehend ausgeklammert werde, warnte der Abgeordnete.
Wertberichtigt Seite 8