Bürgschaftsbanken fordern Verlängerung
spe Stuttgart
Die Bürgschaftsbanken in Deutschland befürchten ein unglückseliges Zusammentreffen mehrerer Entwicklungen, das bei kleinen und mittleren Betrieben, trotz eines einsetzenden Aufschwungs nach Ende der Pandemie, zu einer Pleitewelle führen könnte. „Wir gehen von einem zeitverzögerten Anstieg der Insolvenzen aus, weil bei einsetzender wirtschaftlicher Erholung zusätzlicher, signifikanter Finanzierungsbedarf entstehen wird, den die Unternehmen vielfach nicht stemmen können“, sagt Guy Selbherr, Vorsitzender des Verbands Deutscher Bürgschaftsbanken (VDB), der als Interessenvertretung der Bürgschaftsbanken sowie der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften (MBG) der Länder fungiert. Nachdem die Unternehmen gut durch die Krise gebracht wurden, sei zu erwarten, dass viele ausgerechnet den eigenen Aufschwung nicht mehr finanzieren könnten. Verschärft wird die Situation laut Selbherr durch den Umstand, dass die Firmen ihr Eigenkapital strapazieren mussten und nun coronabedingt ein verschlechtertes Rating aufweisen. Rund 30% der Firmen, insbesondere aus den Bereichen Gastgewerbe, Reisen sowie Kunst und Kultur, seien betroffen, sagt er. In der Folge wiederum wird den Banken aus regulatorischen Gründen durch gesunkene Eigenkapitalquoten die Kreditfinanzierung erschwert. „Wenn dann noch die Hilfsprogramme auslaufen, wird es eng“, so Selbherr, der auch Vorstand der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg und Geschäftsführer der MBG Baden-Württemberg ist. Seine Befürchtungen spiegeln sich wider in einer um rekordhohe 64,5% auf netto 10,8 Mill. Euro erhöhten Risikovorsorge 2020 allein in Baden-Württemberg, wovon allerdings in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres wieder ein Drittel aufgelöst werden konnte. „Daran sieht man, dass die Programme eine Wirkung haben“, sagt Selbherr.
Vor diesem Hintergrund appelliert der VDB an Bund und Länder, die bisherigen über die MBGs ausgereichten Corona-Hilfen zur Stabilisierung des Eigenkapitals nicht zu früh zurückzufahren, sondern im Rahmen eines „Fading Out“ über den 31. Dezember 2021 hinaus ein halbes Jahr bis zum 30. Juni 2022 zu verlängern. Dies sollte auch für die entsprechenden KfW-Programme gelten. „Ohne eine Verlängerung der Hilfsprogramme würde man die Existenz von Unternehmen aufs Spiel setzen, die mühsam über die Corona-Zeit mit Zuschüssen und sonstigen Hilfen durchgepäppelt wurden“, sagt Selbherr der Börsen-Zeitung. Es würde schon von einer gewissen Tragik zeugen, wenn die Unternehmen mit besten Aussichten und gut gefüllten Auftragsbüchern diese nicht abarbeiten könnten, sondern daran „ersticken“ müssten.
Erst im April waren die Bürgschafts- und Garantieprogramme zur Abfederung der Coronakrise der Bürgschaftsbanken und MBGs um ein halbes Jahr bis 31. Dezember 2021 verlängert worden. Im Rahmen des Corona-Hilfspakets der Bundesregierung vom März 2020 waren die Bürgschaftsobergrenzen auf 2,5 Mill. Euro verdoppelt worden, das Limit für die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften wurde von 1 Mill. auf 2,5 Mill. Euro angehoben. So erreichten die Deutschen Bürgschaftsbanken 2020 erstmals die 2-Mrd.-Euro-Grenze bei den besicherten Krediten und Beteiligungen, das Bürgschafts- und Garantievolumen erhöhte sich um gut 30% auf ein Allzeithoch von 1,45 Mrd. Euro. „Auf diese Weise tragen wir dazu bei, kleinen und mittleren Unternehmen in der Pandemie trotz fehlender Sicherheiten die Kreditversorgung zu ermöglichen“, sagt Selbherr. Besonders hebt er ein MBG-Mezzanine-Programm mit einer Beteiligungsobergrenze von 250000 Euro hervor, das die Eigenkapitalbasis kleiner Firmen zu stärken vermag, um somit wiederum die Kreditwürdigkeit gegenüber Banken zu erhöhen.
Darüber hinaus beklagt der Verbandsvorsitzende, dass die Aufsicht immer weiter an der Regulatorikschraube für Bürgschaftsbanken drehe. Gerade bei dieser Art von Spezialkreditinstituten mit ihrem sehr fokussierten Fördermodell, das weder zu schützende Kundeneinlagen noch Zahlungsverkehr beinhaltet, sei dies in der Krise und bei einem hoffentlich baldigen Aufschwung völlig kontraproduktiv. So plädiert der VDB zwar nicht dafür, Bürgschaftsbanken von der Regulierung ganz auszunehmen. „Was wir aber benötigen, um den Mittelstand auch nach Corona zu unterstützen, ist eine proportionale Aufsicht mit angemessenen Ausnahmen“, sagt Selbherr, der von einem Spagat der Bürgschaftsbanken zwischen erfolgreicher Bewältigung des Förderauftrags und wenig angemessener Bankregulierung spricht. Eine solche Ausnahme wäre beim Bankenstresstest 2022 erforderlich, da dort die Besonderheiten wie die staatlichen Rückbürgschaften nur unzureichend berücksichtigt würden. Dies führe wiederum zu unangemessenen Aufschlägen in der Eigenkapitalunterlegung, ohne dem tatsächlichen Risiko gerecht zu werden.
Wertberichtigt Seite 6